Bilanzcheck Deutsche Telekom Die amerikanische Hoffnung

In Deutschland stehen der Telekom umfangreiche Investitionen ins Haus.
Bonn, Düsseldorf Viel Anerkennung erhielt Timotheus Höttges vor einem Jahr auf der Hauptversammlung in Kölns Lanxess-Arena – vom Aufsichtsratsvorsitzenden bis hin zu führenden Aktionärsvertretern. Am kommenden Mittwoch wird sich zeigen, ob sich der Lobreigen für den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom wiederholt. Dann treffen sich die Aktionäre erneut in Köln.
Wie im Vorjahr hat Höttges starke Zahlen für das abgelaufene Jahr vorgelegt, doch profitiert die Telekom derzeit vor allem vom Erfolg ihrer börsennotierten US-Tochter – und die wird nicht aus Bonn gesteuert.
In Summe steht es gut um den Konzern: Der Umsatz ist um 10,5 Prozent auf 69,2 Milliarden Euro gestiegen, das bereinigte Ergebnis vor Abschreibungen und Steuern (Ebitda) um 13,3 Prozent auf 19,9 Milliarden Euro. Der Konzernüberschuss stieg um 11,3 Prozent auf 3,3 Milliarden Euro. „2014 war gut, 2015 noch besser“, kommentierte Telekom-Chef Höttges diese Zahlen.
Haupttreiber des Umsatzes war dabei T-Mobile US. Der Anteil der Amerikaner an den Gesamteinnahmen ist von 35,8 Prozent im Jahr 2014 auf 41,8 Prozent gestiegen. 28,9 Milliarden Euro trug die US-Tochter bei. Ihr bereinigtes Ebitda stieg im vergangenen Jahr um knapp 55 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro. Damit rückt sie beim Ergebnis immer näher an das Deutschland-Geschäft heran, das im vergangenen Jahr 8,8 Milliarden Euro eingebracht hat.
Von diesen Zahlen sind nicht nur diverse Analysten überzeugt, die Quartal für Quartal die Aktie der Telekom zum Kauf empfehlen und dies mit dem aussichtsreichen US-Geschäft begründen. Auch die Telekom ist selber davon überzeugt. Und zwar so sehr, dass sie eines ihrer Grundprinzipien in Bezug auf das US-Geschäft ad acta gelegt hat. Hieß es vor einem Jahr noch, die US-Tochter müsse sich selbst finanzieren, hat die Konzernmutter nun garantiert, ihr vier Milliarden Dollar zu leihen, sollte sie das Geld bis November dieses Jahres brauchen.
Was gut sein kann. In den USA startet eine Frequenzauktion, bei der Beobachter davon ausgehen, dass sie die Unternehmen mehrere Milliarden Dollar kosten wird.
Grund für die Strategieumkehr ist laut Telekom das veränderte Risiko seitens der Tochter. T-Mobile US verdient nun selber Geld. Im vergangenen Jahr stieg ihr Überschuss auf 733 Millionen Dollar. Im zweiten Halbjahr 2015 war der Cashflow stark gestiegen und summiert sich für das Gesamtjahr auf 690 Millionen Dollar.
Während der Mobilfunkanbieter zunächst noch Kunden mit günstigen Angeboten angelockt hat, setzt er zunehmend auf schlagkräftige Werbung. Mittlerweile ist T-Mobile der drittgrößte Mobilfunkanbieter der USA hinter AT&T und Verizon.
Diese Unterstützung der US-Tochter lohnt sich für die Konzernmutter. Der Dax-Konzern darf T-Mobile US das Geld nur zu marktüblichen Bedingungen zur Verfügung stellen, was einem Zinssatz von fünf bis sechs Prozent entspricht. Die Deutsche Telekom jedoch kann sich dank ihres Ratings – Standard & Poor’s bewertet sie mit „BBB+“ und damit als solides Investment – günstiger am Kapitalmarkt Geld beschaffen als die Tochter T-Mobile US. Sie wird von Moody’s mit „Ba3“ gewertet, was einem Non-Investment-Grade entspricht. Die Differenz zwischen den Zinszahlungen für aufgenommene Kredite und Zinserträgen aus weitergereichten Geldern können die Bonner im Finanzergebnis als Gewinn einstreichen.
Das US-Geschäft ist derzeit also der Star im Portfolio der Telekom. Mehr allerdings lebt die Telekom von dessen Schein. Die vergleichbare bereinigte Ebitda-Marge von T-Mobile US liegt gerade einmal bei 23 Prozent. Der Mutterkonzern in Bonn schaffte zuletzt immerhin 29 Prozent. Dividenden – und damit Liquidität – gibt es von der Tochter außerdem nicht.
Auch die Rendite der US-Tochter auf das eingesetzte Kapital erweist sich – gemessen am Börsenwert der 65-Prozent-Beteiligung – im Telekom-Reich als unterdurchschnittlich. Das aktuell mit 20 Milliarden Euro bewertete Aktienpaket brachte der Telekom vergangenes Jahr einen Bilanzgewinn von 354 Millionen Euro. Das entspricht einer Kapitalrendite von knapp unter 1,8 Prozent.
Das im Bonner Konzern gebundene Kapital warf deutlich mehr ab. Bei einer Bilanzsumme von 144 Milliarden Euro schaffte die Deutsche Telekom einen Überschuss von 3,5 Milliarden. Daraus errechnet sich eine Gesamtverzinsung von 2,4 Prozent.
Zudem hat die Telekom nur begrenzt Einfluss darauf, wie sich der Wert von T-Mobile entwickelt. Das Unternehmen agiert operativ weitgehend unabhängig. Die Bonner können sich im Wesentlichen nur die Führungsmannschaft aussuchen und bei größeren Käufen oder Verkäufen von mehr als einer Milliarde Dollar einmischen. Deshalb kann sich die Telekom mit dem Erfolg des US-Geschäfts nur begrenzt rühmen.
Wesentlich wichtiger wird es, sich um die Cashcow im Portfolio zu kümmern: das Deutschland-Geschäft. Mit rund 22 Milliarden Euro Umsatz stagniert das Geschäft seit zwei Jahren. Das bereinigte Ebitda fiel zum zweiten Jahr in Folge leicht auf nun rund 8,8 Milliarden Euro. Allerdings arbeitet die Telekom in Deutschland mit einer Marge von 39,2 Prozent noch immer reichlich profitabel.
Doch ihr stehen umfangreiche Investitionen ins Haus, will sie nicht den Anschluss zum Wettbewerb in Deutschland verlieren. Denn schon jetzt gelingt es Kabelnetzanbietern wie Vodafone, über deren Infrastruktur schnelleres Internet anzubieten als die Telekom. Die Bonner müssen dazu erst einmal ihr Glasfasernetz näher an die Kunden bringen und dann ihre Kupferkabel technisch hochrüsten, was zeit- und kostenintensiver ist.
Im vergangenen Jahr entfielen von den 14,6 Milliarden Euro Gesamtinvestitionen („Cash Capex“) 5,6 Milliarden Euro auf Deutschland – allerdings inklusive der 1,6 Milliarden Euro schweren Ausgaben für Mobilfunkfrequenzen (0,2 Milliarden Euro sind noch zu zahlen). Weitere Investitionen sind bereits angekündigt. So stellt die Deutsche Telekom die gesamte Telefonie und alle ISDN-Dienste (Haustechnik, Sicherheitsanlagen) auf Internettechnologie um (All-IP). Besonders bei Geschäftskunden ist das mit hohem Aufwand verbunden.
Dabei hat sich die Telekom schon im vergangenen Jahr stärker verschuldet. Die Nettofinanzverbindlichkeiten legten um rund fünf Milliarden auf 47,6 Milliarden Euro zu. Die Nettoverschuldung lag damit beim 2,4-Fachen des Betriebsgewinns (Ebitda). Den eigenen Zielkorridor hat die Telekom mit dem Faktor 2,0 bis 2,5 vorgegeben.
Die Telekom-Führung aber weiß, wie sie die Aktionäre befriedigen kann. Auf der Hauptversammlung am kommenden Mittwoch wird sie eine Dividende von 55 Cent vorschlagen, fünf Cent mehr als im Vorjahr. Auf diese Einnahmen müssen die Anleger keine Steuern zahlen.
In diesem Jahr wird die Telekom aber zum wiederholten Male anbieten, sich die Dividende nicht auszahlen zu lassen, sondern sie gegen weitere Aktien zu tauschen. Im vergangenen Jahr hat rund die Hälfte der Aktionäre das Angebot angenommen, so dass die Telekom nur 1,16 Milliarden Euro ausschüttete und 70 Millionen Aktien im Wert von 1,1 Milliarden Euro begab.
Damit fließt das Geld nicht aus dem Unternehmen, sondern bleibt in Form von Eigenkapital bei der Telekom. Zudem verbesserte das den Cashflow.