CES 2019 So erobert die Künstliche Intelligenz den Alltag

Eine Werbung für den Google Assistant, der mit dem Sprachkommando „Hey Google“ gestartet wird. Der Internetgigant ist auf der CES, der größten Technik-Show der USA, erstmals mit einem eigenen Stand vertreten.
Las Vegas Patrick Chomet schmunzelt. Ja, so eine Panne könne schon mal passieren, sagt Samsungs Executive Vice President für Produkte und Innovation und legt das Smartphone aus der Hand. Bixby, Samsungs Sprachassistent, hatte sich unverhofft ins Gespräch geschaltet. Er glaubte irrtümlich, sein Kommandowort gehört zu haben.
Die Szene ist ulkig, doch sie zeigt, wie weit die Vision des asiatischen Elektronikriesen für die Zukunft der Konsumentenelektronik reicht. „Wenn es um Künstliche Intelligenz geht, denken die Leute immer noch zu stark in einzelnen Geräten, wie dem Smartphone oder dem smarten Lautsprecher“, sagt Chomet.
Schon bald jedoch werde intelligente Software allgegenwärtig sein. „Die Geräte sind nur ein Kontaktpunkt, stehen aber nicht im Zentrum.“
Auf der am Dienstag beginnenden Consumer Electronics Show (CES) in der Wüste Nevadas, die traditionell die Trends für das kommende Technologiejahr setzt, ist das bestimmende Thema die Künstliche Intelligenz (kurz: KI) – und ihr Siegeszug in alle Alltagsgeräte. Von der Programmwahl in Premiumfernsehern über den übersetzenden Kopfhörer und den empfindsamen Roboter bis hin zum sprechenden Spiegel und zum intelligenten Katzenklo.
Algorithmen sollen das vernetzte Leben mehr prägen denn je, schwebt es ausstellenden Herstellern wie Samsung, Google oder Amazon vor. In Gestalt von Sprachassistenten, die zu den beliebtesten Anwendungen gehören, begleiten sie den Konsumenten, wohin er auch geht, stehen ihm als wissende Stimme aus dem Off zur Seite. Letztlich werde Maschinenlernen sogar dazu führen, dass sich Geräte künftig „selbst weiterentwickeln“, glaubt LGs Präsident und Technologiechef I.P. Park.
Laut dem Marktforscher IDC sind die Verkaufszahlen intelligenter Elektronik wie smarter Lautsprecher, Lampen oder Thermostate allein 2018 um rund 27 Prozent gewachsen. Die Zuwachsrate pro Jahr bis 2022 beträgt laut der Analysefirma je zwölf Prozent.
Die Großen sind die Gewinner
„Die Fortschritte bei Künstlicher Intelligenz haben ein Level erreicht, das die Hardware-Hersteller dazu zwingt, die Technologie in all ihre Produkte zu integrieren“, analysiert Paul Erickson von IHS Markit. Welches Gerät den gewünschten Softwareservice abspielt – die automatische Übersetzung, die Streaming-Playlist –, sei dabei fast schon egal. „Die Hardware tritt zugunsten der digitalen Helfer in den Hintergrund.“
Im Smartphone-Markt zeichnet sich dieser Trend schon länger ab. Schon heute nutzen immer mehr Nutzer sprachgesteuerte Geräte, um auf Internetservices zuzugreifen. „Der Mobil-Markt ist saturiert“, analysiert Geoff Blaber von CCS Insights. „Hardware-Hersteller versuchen, ihre Kunden mit durch KI verbesserte Software an sich zu binden.“ Wer sich einmal im Ökosystem von Samsung oder Google angemeldet hat, bleibt als Kunde. Apple verfolgt dieses Prinzip seit Jahren und bindet die Nutzer durch immer neue Softwareangebote an den eigenen Klub.
Die Gewinner des Siegeszugs der KI heißen bislang Google, Amazon und Alibaba. Als KI-entwickelnde Konzerne besitzen sie die besten Plattformen zur Steuerung des vernetzten Zuhauses, Autos oder Büros. Auf der CES stellt der Suchmaschinenanbieter aus Mountain View seine Dominanz auch physisch heraus: Der Slogan „Hey Google“ prangt auf dem Dach des kunterbunten Stands, der die Größe einer Doppelhaushälfte hat.
Er steht direkt vor dem Eingang zum CES-Zentrum, dem riesigen Las Vegas Convention Center (LVCC), so, als wäre Google selbst unter den CES-Gastgebern. Dreimal so groß wie bei der letzten CES sei die Ausstellungsfläche dieses Jahr, wirbt der Konzern. Ein wenig passt das Bild: Schließlich sind die Hardware-Aussteller bei der CES gewissermaßen zu Gast bei Google und Co.
Samsung pocht zwar darauf, jährlich 500 Millionen Fernseher, Smartphones, Kühlschränke und andere Geräte zu verkaufen – potenzielle Spielwiesen für Sprachassistent Bixby. Doch selbst Samsung-Manager Chomet räumt ein, Bixby „spät“ ins Rennen geworfen zu haben. Der Hersteller kündigte die Sprachplattform erst im März vergangenen Jahres an, die Entwicklung geht nur langsam voran.
Amazon brachte Alexa bereits vor vier Jahren auf den Markt, Google Assistant spricht seit zwei Jahren – ein kaum einzuholender Vorsprung für Hardware-Hersteller. Der klassischen Elektronikindustrie bleibt kaum etwas anderes übrig, als die Systeme der Großen zu integrieren.
Philips will auf der CES eine neue Generation von smarten TV-Geräten mit superhochauflösenden 4.000 horizontalen Bildpunkten der Fertigungsgesellschaft Funai zeigen. Sie werden voll auf dem TV-Betriebssystem von Google, Android TV, basieren und Google Assistant als Sprachsteuerung nutzen. Die eigene TV-Plattform Net TV ist nach fast neun Jahren sanft entschlafen. Sony wettet ebenfalls auf Google.
Zwar gewinnen auch die Kunden der Hardware-Hersteller, weil sie ihre Geräte mit Sprachassistenten einfacher steuern können. Doch die Software-Hersteller wissen die Flach-TV-Geräte, die Kühlschränke oder Autos als kostenlosen Zugang zu noch mehr Konsumenten und dem großen Geschäft mit Daten zu nutzen. „Die Gefahr ist, dass sie sich bei KI-Anwendungen auf Google, Amazon oder Alibaba verlassen müssen“, warnt Geoff Blaber von CCS Insights.
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