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Cloud-GeschäftKampf um die Datenwolke
Das Cloud-Geschäft wächst rasant, dieses Jahr auf über 200 Milliarden Dollar. Die großen Spieler sind US-Konzerne wie Microsoft und IBM. Da kann nicht mal SAP mithalten. Die Walldorfer wollen trotzdem zum Zug kommen – und verfolgen eine andere Strategie.
Düsseldorf/San Franciso Ein „Happy Meal“ mit Cheeseburger, aber ohne Zwiebeln? Das Gebrabbel ist im Rauschen der Gegensprechanlage kaum zu verstehen. Wenn McDonald’s-Mitarbeiter Bestellungen aus dem Autofenster entgegennehmen, müssen sie genau zuhören – und oft nachfragen. Dieses Hin und Her will Microsoft abkürzen: Der Softwarekonzern zeigte kürzlich auf seiner Partnerkonferenz ein Programm, das den gesprochenen Kundenauftrag automatisch erfasst und die Bestellung auf den Bildschirm im Restaurant schickt.
Für die Sprachanalyse nutzt der Konzern die sogenannte Cloud. Die Burger-Bestellung wird in eine Audio-Datei umgewandelt und per Internet in das Rechenzentrum von Microsoft geschickt. Intelligente Algorithmen übersetzen, was der Kunde gemeint haben könnte – dank der geballten Leistung der Server geschieht das im Bruchteil einer Sekunde. Das Ergebnis kommt als Bestellung in der Fast-Food-Kette an. Das Beispiel zeigt die enormen Möglichkeiten der Cloud: Ob Kundendatenbank, Geschäftsprognose oder die Entwicklung von Apps, auch komplexe Prozesse wandern in die Cloud.
Wenn der Fast-Food-Riese McDonald’s eine Technologie nutzt, hat sie sich durchgesetzt. Ihr Potenzial lässt sich mit frischen Zahlen belegen: Microsoft steigerte im abgelaufenen Quartal den Umsatz der Cloud-Sparte um sieben Prozent auf 6,7 Milliarden Dollar, teilte der Softwarekonzern mit. Auch IBM legte in dem Zukunftsgeschäft deutlich zu – und kommende Woche werden Marktführer Amazon mit der Sparte AWS und Google versuchen, mit starken Ergebnissen zu beeindrucken. SAP ist dagegen deutlich kleiner.
Gute Zahlen sind willkommenes Marketing: „Für die ‚Big Four‘ geht es darum, den Markt zu gewinnen“, sagt Axel Oppermann, Analyst des Marktforschers Avispador. Es gelte, viele Kunden anzulocken und an sich zu binden – in der Hoffnung, dass sie dauerhaft bleiben. Es ist ein Wettbewerb um fast jeden Preis: „Es wird extrem viel investiert“, beobachtet der Experte. Teils mit fraglichen Aussichten, die Kosten direkt wieder einzuspielen. „Aus der Sicht der Anbieter ist das notwendig, weil im Markt jetzt und in den nächsten 24 Monaten ein Verteilungskampf stattfindet.“
Es geht um viel. Der Marktforscher Gartner geht davon aus, dass der weltweite Cloud-Markt in diesem Jahr um 16,5 Prozent auf 204 Milliarden Dollar wächst, von denen 90 Milliarden auf Cloud-basierte Werbedienste entfallen. „Das starke Wachstum wird auch 2017 anhalten“, erwartet Gartner-Analyst Sid Nag. Denn es reflektiere „einen anhaltenden Trend weg von eigener IT hin zu web-basierten Dienstleistungen“ – je mehr Firmen auf digitale Geschäftsmodelle umstellen, desto wichtiger werde die Cloud. Es sind tektonische Verschiebungen, die sich abzeichnen. Die großen Vier kämpfen um einen Markt, in dem es auf die Größe ankommt. Sie bauen Plattformen, mit denen Kunden komplexe Aufgaben erledigen können – komplett in der Cloud, also ohne einen einzigen eigenen Server in Betrieb zu nehmen. Zu Speicherplatz und Rechenleistung kommen Programme, die beispielsweise große Datenmengen analysieren oder den Betrieb von Apps managen. Auch die Künstliche Intelligenz wohnt in der Cloud. Experten bezeichnen das Prinzip als „Platform-as-a-Service“.
Das Kalkül: Je mehr Dienste die Kunden nutzen, desto mehr binden sie sich an einen Anbieter, und desto mehr Geld geben sie auch für Speicherplatz und Rechenleistung aus. Und zwar Monat für Monat. Und je mehr sie die Plattform für sich arbeiten lassen, desto mehr lohnen sich die Investitionen. „Um zukünftig zu verdienen, bieten sich die Konzerne jetzt einen gnadenlosen Preiskampf“, sagt Oppermann. „Cloud first, mobile first“, so lautet die Strategie von Microsoft-Chef Satya Nadella. Er drückte diesen Sinneswandel vehement durch. Viele Top-Manager mussten gehen, Entscheidungsebenen wurden herausoperiert, es gab Entlassungen und milliardenschwere Abschreibungen.
Doch die dramatischen Veränderungen kamen gerade zur rechten Zeit: Jetzt, da Start-ups wie Konzerne in die Cloud gehen, ist Microsoft im Geschäft. „Sechzig Prozent der Fortune-500-Unternehmen haben mindestens drei unserer Cloud-Angebote“, sagte Nadella am Dienstag.
An diesen Projekten arbeitet SAP
Für Systemadministratoren ist es eine leidige Routine. Sie müssen regelmäßig die Programme auf den Firmenrechnern aktualisieren, um Fehler auszubessern und Sicherheitslücken zu schließen. Diese Prozedur lässt sich jedoch abkürzen: mit Software aus der Cloud, die Mitarbeiter meist einfach im Browser öffnen. Dabei greifen sie automatisch auf die aktuelle Version zu, ganz ohne Updates.
Der Anbieter wie etwa Microsoft kümmert sich nicht nur um die Pflege, sondern auch um die komplette Administration und erleichtert der IT-Abteilung der Kunden so die Arbeit. Neue Produkte lassen sich schnell einführen. Und die Programme sind überall verfügbar, wo es eine Internetverbindung gibt. Experten sprechen von Software as a Service (SaaS).
Immer mehr Programme werden inzwischen als SaaS-Dienst angeboten, vom Office-Programm bis zur Kundendatenbank, auf die Vertriebler unterwegs mit dem Smartphone zugreifen können. Das Prinzip funktioniert dort, wo sich betriebswirtschaftliche Abläufe ähneln. Software as a Service setzt sich immer mehr durch. Der Markt wachse in diesem Jahr um 20 Prozent auf knapp 38 Milliarden Dollar, schätzt das IT-Analysehaus Gartner. Der Trend werde in den kommenden Jahren anhalten: Kaum ein Softwarehersteller ignoriert die Cloud.
Millionen von Zuschauern entspannen sich bei Serien und Filmen von Netflix. Die Online-Videothek verschickt riesige Datenmengen durch die Netze, hat aber kein eigenes Rechenzentrum – die Dateien liefert die Amazon-Sparte AWS aus. Das Beispiel zeigt: Unternehmen brauchen heute keine eigene IT-Infrastruktur mehr. Speicherplatz und Netzwerkkapazitäten können sie über die Cloud mieten. Auch Rechenleistung gibt es aus dem Netz. Infrastructure as a Service (IaaS) nennen das Experten.
Für die Kunden bedeutet das mehr Flexibilität. Wenn etwa ein Start-up schnell wächst, mietet es einfach Kapazitäten hinzu. Netflix konnte seinen Dienst von einem Tag auf den anderen in 130 neuen Ländern anbieten, den Speicher mietete das Unternehmen. Eine Armee von Rechensöldnern ist mit wenigen Mausklicks einsatzbereit. Unternehmen zahlen für genutzte Kapazitäten – abgerechnet wird auf die Minute genau. Durch den Wettbewerb sinken die Preise massiv.
Marktführer Amazon startete sein Cloud-Geschäft vor zehn Jahren. Im ersten Quartal lieferte die Sparte einen Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar und ein operatives Ergebnis von 600 Millionen Dollar – dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum. Für die Anbieter sind die Aussichten blendend: Der Markt wächst nach Einschätzung von Gartner dieses Jahr um 38 Prozent auf 22,4 Milliarden US-Dollar.
Von der Idee bis zur App in wenigen Wochen: Nie war es leichter, ein Start-up zu gründen. Eine große Hilfe ist das Cloud-Computing. Entwickler bekommen im Netz nicht nur Rechenleistung und Speicherplatz, sondern auch Programmierwerkzeuge, die die Arbeit wesentlich erleichtern. Fachleute sprechen von Platform as a Service (PaaS) – ein Konzept, das weiter gefasst ist als Infrastructure as a Service (IaaS).
Wer sich die Plattformen anschaut, fühlt sich an einen Baukasten erinnert. Entwickler können mit ein paar Mausklicks eine Datenbank einrichten, Daten auswerten oder Code auf Fehler prüfen. Und bei Bedarf schalten sie ohne großen Aufwand mehr Server hinzu. Für viele Anwendungen braucht es noch nicht einmal Programmierkenntnisse.
Zu den Vorreitern zählt der US-Konzern Salesforce, der seine Plattform 2006 für externe Entwickler eröffnete. Amazon und Microsoft rüsten ihre Plattformen immer weiter auf. Auch SAP will mit der Hana Cloud Platform den Entwicklern die Möglichkeit geben, an die eigenen Programme anzudocken.
Der Markt wächst nach Einschätzung von Gartner in diesem Jahr um 21 Prozent auf 4,6 Milliarden Dollar. Trotz des vergleichsweise geringen Umsatzes ist er für Amazon, Microsoft, Google, IBM und Salesforce enorm wichtig: Über ihre Plattformen locken sie Entwickler an, die die Infrastruktur mit Rechenleistung und Speicher nutzen – ein viel größeres Geschäft.
Die wichtigste Rolle spielt dabei die Plattform Azure, über die McDonald‘s beispielsweise auch seine Spracherkennung laufen lässt. Der Umsatz der Plattform verdoppelte sich im abgelaufenen Quartal. Auch das Online-Büropaket Office 365 boomt, das Geschäft mit Firmenkunden wuchs um 54 Prozent. Dass die Windows-Sparte schwächelt, fällt da immer weniger ins Gewicht. Um gegen Amazon zu bestehen, ist Größe wichtig. „Damit der Plan aufgeht, muss Microsoft nicht nur neue Kunden für die Cloud-Services gewinnen, sondern auch bei den Bestandskunden die Umsätze steigern“, betont Oppermann. Der Konzern müsse noch mehr relevante Geschäftsmodelle für spezielle Branchen entwickeln, ob Burgerbräter oder Schraubenfabrikant. Die Aktionäre trauen es Microsoft zu: Nach der Vorlage der Zahlen ging der Kurs deutlich nach oben.
Auf der Zukunftssuche ist auch IBM. Komplettpakete aus Servern, Software und IT-Dienstleistungen – lange das Kerngeschäft – sind immer weniger gefragt, der Umsatz schrumpft daher seit inzwischen 17 Quartalen. Nun sollen neue Geschäftsfelder für Wachstum sorgen, auch dank zahlreicher, teils milliardenschwerer Übernahmen. Die Cloud nimmt dabei eine zentrale Rolle ein: Über die eigenen Plattformen will Big Blue intelligente Dienste anbieten, etwa mit seiner Künstlichen Intelligenz Watson. Zudem verdingt sich der Konzern als Broker, über den Kunden auf Cloud-Dienste zugreifen können. Diese Strategie zeigt Wirkung. Das Cloud-Geschäft wuchs im abgelaufenen Quartal um 30 Prozent.
In diesem Kampf um Größe können deutsche Unternehmen nicht mithalten – selbst SAP nicht. Doch Konzernchef Bill McDermott hat das Ziel, die globale Nummer 1 in Sachen Firmensoftware mit Macht in die Cloud zu führen. Finanzchef Luka Mucic erklärt wie: „Wir sind auf einer anderen Ebene unterwegs, wir stellen keine reine Infrastruktur zur Verfügung.“ SAP bietet Software aus der Wolke an, neben Programmen für Personalverwaltung und Reisekostenabrechungen beispielsweise seit neuem auch das überarbeitete Paket zur Firmensteuerung S4/Hana. Im abgelaufenen Quartal wuchs das Cloud-Geschäft um 30 Prozent auf 720 Millionen Euro.
SAP setzt auf Kooperation, die Cloud-Dienste laufen auf den Servern der Big Four. Der harte Wettbewerb sei daher ein Vorteil, erklärt Mucic: „Je billiger die reine Infrastruktur wird, desto attraktiver werden auch unsere Systeme für die Kunden.“ Partnerschaften sollen dafür sorgen, dass Unternehmen überall auf SAP Zugriff haben. So kündigte der Konzern jüngst eine Kooperation mit Microsoft an. Büroarbeiter sollen in den Office-Programmen SAP-Dienste nutzen können, etwa für Reiseabrechnungen. Die eigene Hana Plattform passt da ins Bild: Sie soll den Kunden helfen, selbst Geschäftsanwendungen zu erweitern oder zu entwickeln. Vielleicht nicht für die Theke im Schnellrestaurant, aber für das Backoffice.
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