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Euro 2020 Auch nach 4:2-Sieg gegen Portugal: Wirtschaft ist enttäuscht von der Europameisterschaft

Das Interesse an der Fußball-EM ist weitaus geringer als bei vorherigen Turnieren. Werber, Sportartikelhersteller und Bierbrauer sehen wenig Hoffnung.
19.06.2021 Update: 20.06.2021 - 08:48 Uhr Kommentieren
Der deutsche Abwehrspieler beim Match gegen Portugal. Quelle: AFP
Robin Gosens

Der deutsche Abwehrspieler beim Match gegen Portugal.

(Foto: AFP)

Düsseldorf Endlich hat die deutsche Mannschaft begeistert. Nach dem 4:2 gegen Portugal sind viele Fans euphorisiert. Und auch die Wirtschaft hofft, dass das Interesse an dem Turnier endlich steigt, denn bisher läuft das Geschäft mit der Fußball-Europameisterschaft mau.

Die Indizien weisen in eine eindeutige Richtung: Die Einschaltquoten hierzulande bleiben bisher hinter denen vor fünf Jahren zurück, als das Turnier zuletzt ausgetragen wurde. Dementsprechend zurückhaltend ist die Werbeindustrie und engagiert sich kaum mit verkaufsfördernden Fußballthemen. Sportgroßereignisse wie eine EM oder WM bieten werbetreibenden Unternehmen traditionell eine prominente Werbebühne.

Auch die Brauereien, ansonsten zuverlässige Freunde der Fußballspiele, können keine positive Nachrichten melden. Die Fußball-EM droht in diesem Jahr für die Unternehmen zum Totalausfall zu werden.

Dass die Euro 2020 nicht in ausverkauften Stadien stattfinden kann und zudem verteilt über den ganzen Kontinent ausgetragen wird, trägt womöglich dazu bei, dass sich die Euphorie-Welle erst noch aufbauen muss. Auch die massive Kritik an der Auswahl der zwölf Spielorte, zu denen auch die ungarische Hauptstadt Budapest und Baku in Aserbaidschan gehören, sorgt für Makel am sonst positiven Sportimage.

EM zieht deutlich weniger TV-Zuschauer an

So sahen das Eröffnungsspiel Türkei gegen Italien dieses Jahr in der ARD rund 9,8 Millionen Zuschauer, ein Marktanteil von 37 Prozent. Zum Vergleich: Beim letzten Turnier vor fünf Jahren sahen das Eröffnungsspiel von Gastgeber Frankreich gegen Rumänien mehr als 15 Millionen Zuschauer im ZDF – das entsprach einem Marktanteil von 50 Prozent. Auch in den Folgetagen blieben die Zuschauerzahlen hinter denen von vor fünf Jahren zurück.

„Eine EM löst keinen neuen Werbeboom aus“, sagt Ulrike Handel, die bei der Mediaagentur Dentsu für den deutschsprachigen Raum verantwortlich ist. Die EM-Partner gäben sicher mehr Geld für Sponsoring aus. Doch die steigenden Werbeeinnahmen, mit denen die Branche für 2021 rechnet, seien „nicht auf die EM zurückzuführen, sondern auf die generelle Erholung der Wirtschaft“, wie Handel meint.

Der Branchenverband ZAW hatte für 2020 einen Rückgang des Branchenumsatzes um sieben Prozent auf 45 Milliarden Euro ausgewiesen. In diesem Jahr werde die Branche fünf bis zehn Prozent wachsen, so die Prognose.

Auch bei den Bierbrauern herrscht Ernüchterung. „Gerade fußballerische Großevents mit Rudelgucken und Public Viewing waren in der Vergangenheit ein Absatzturbo im Sommergeschäft“, sagt Volker Kuhl, Geschäftsführer der Privatbrauerei Veltins. Von einer Emotionalisierung und EM-Begeisterung der Menschen sei in diesem Jahr aber wenig zu spüren. Die Pandemie habe einfach alles in den Hintergrund gedrängt.

Die Brauereien rechnen nicht damit, während der EM deutlich mehr Bier zu verkaufen. Quelle: dpa
Public Viewing

Die Brauereien rechnen nicht damit, während der EM deutlich mehr Bier zu verkaufen.

(Foto: dpa)

Im WM-Jahr 2006 wurden laut Deutschem Brauerbund durch das Fußballevent rund fünf Prozent mehr Bier verkauft. Die deutsche Brauwirtschaft konnte bei früheren Welt- und Europameisterschaften jeweils rund 800.000 Hektoliter mehr absetzen. „Das hat die Jahresbilanz erfreulich aufgewertet,“ sagt der Veltins-Manager. In diesem Jahr werde der Effekt kaum spürbar sein.

Dabei dürsten die Brauereien nach insgesamt neun Monaten Lockdown der Gastronomie nach einem Nachfrageschub. Der Umsatz der Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern sank 2020 von 8,3 Milliarden auf 7,6 Milliarden Euro. Brauereien mit hohem Gastronomieanteil waren mit Umsatzverlusten von zum Teil bis zu 80 Prozent besonders schwer getroffen.

Etliche Brauer haben laut Brauerbund ihre Werbe- und Marketingaktivitäten für die EM entweder ganz gestrichen oder auf Eis gelegt. Denn bis zum Eröffnungsspiel war unklar, welche Corona-Regeln etwa für Public Viewing in den einzelnen Bundesländern gelten.

Einen Tag vor dem Anpfiff hatte etwa die Stadt München überraschend verfügt, dass Gaststätten, die für mehr als 1000 Menschen zugelassen sind, Gäste nur mit Nachweis über Impfung, Negativtest oder Genesung einlassen dürfen. Das trifft in München 21 Großbetriebe.

Public Viewing zur EM unter strengen Auflagen

Für Christian Schottenhamel, Inhaber des bekannten Paulaner-Biergartens am Nockherberg, ist das absolut unverständlich: „Wir wollten Public Viewing anbieten, haben für 35.000 Euro extra eine Videoleinwand angeschafft. Nun wurden wir von Fußballfans beschimpft.“ Am Einlass und der Teststation bildeten sich lange Schlangen, viele Gäste gingen gleich in kleinere Biergärten um die Ecke.

„Lieber kein Fußball als keine Gäste. Unsere Leinwand bleibt schwarz. Das lohnt für uns wirtschaftlich mehr“, sagt der Wirt. In der Pandemie sind 650 Plätze weniger in seinem Biergarten erlaubt. Normalerweise kommen 2000 Gäste zum Public Viewing, das rechne sich. „Ohnehin sind Fußballevents nicht die größten Umsatzbringer, die Leute essen relativ wenig“, so Schottenhamel. „Fußball ist und bleibt aber ein wichtiger Werbeträger für uns als Gastgeber, zumal Paulaner Hauptsponsor vom FC Bayern ist.“

Selbst die Sportartikelausrüster, die bei Sportturnieren hohe Extraumsätze vermelden, sind zurückhaltend. Insgesamt sei der kommerzielle Nutzen der EM für Adidas überschaubar, sagte die Adidas-Sprecherin. „Mit oder ohne EM ist es ein gutes Jahr für Adidas.“ Der Herzogenauracher Konzern rüstet bei dem Turnier acht Mannschaften mit Trikots aus, darunter die deutsche Nationalmannschaft. Weltmarktführer Nike ist bei neun Teams engagiert.

Adidas-CEO Kasper Rorsted hatte 2020 das Zusatzgeschäft seines Unternehmens für die beiden Sportereignisse EM und Olympia zusammen auf 50 bis 70 Millionen Euro geschätzt. Für den Milliardenkonzern sind das kleine Summen.

Adidas meldet höhere Nachfrage nach Fußballtrikots

Wie zu Beginn jedes Fußballgroßereignisses verzeichne man aber eine höhere Nachfrage vor allem nach Fußballtrikots, sagte die Adidas-Sprecherin weiter. „In unserem Logistikzentrum im niedersächsischen Rieste herrscht derzeit Hochkonjunktur beim Beflocken von Trikots mit Spielernamen.“

Nach dem Corona-Durchhänger im vergangenen Jahr laufen die Geschäfte bei den Sportartikelhändlern seit einigen Wochen wieder gut. Die EM kann nun noch einen kleinen Zusatzschub geben. Bislang sei die Nachfrage nach Trikots der europäischen Teams nach ersten Eindrücken gut, sagte Stefan Herzog, Präsident des Verbands Deutscher Sportfachhandel, dem Handelsblatt.

„Ob wir einen kleinen Boom erleben, hängt davon ab, wie weit die deutsche Mannschaft im Turnier kommt – also Samstag die Daumen drücken.“ Dann wird die deutsche Nationalmannschaft gegen Portugal antreten.

Ähnlich sieht es Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga: „Entscheidend für die Gastronomie ist auch, ob die deutsche Mannschaft ins Endspiel kommt – und ob das Wetter gut ist.“

Mehr: Greenpeace erntet Kritik für missglückte EM-Protestaktion

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