Facebook Zwischen Kritik und Einsicht

In den vergangenen Monaten geriet das soziale Netzwerk wegen Hassbeiträgen auf seiner Plattform in die Kritik.
München 2009 war die Welt eine andere - als Mark Zuckerberg auf der Digitalkonferenz DLD in München auftauchte, dürften sich viele Teilnehmer über den jungen Typen im Kapuzenpulli gewundert haben, der da von einem Angebot namens Facebook berichtete. Das hatte gerade zwei Millionen Nutzer in Deutschland und sollte das Ding der Zukunft sein. Knapp neun Jahre später nutzen über dreißig Millionen Deutsche das Netzwerk, weltweit über zwei Milliarden und jeder kennt Mark Zuckerberg. Doch von Euphorie über das soziale Netzwerk ist dieser Tage wenig zu spüren.
Fake-News, Hassreden und Propaganda: Längst hat die schöne neue Tech-Welt der Rede- und Meinungsfreiheit ihr hässliches Gesicht gezeigt. Laut dem 2018 in Kraft gesetzte NetzDG sollen Online-Plattformen klar strafbare Inhalte binnen 24 Stunden löschen, bei weniger eindeutiger Fällen binnen einer Woche. Bei der Formulierung „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ muss Elliot Schrage wegen seines bemühten Deutsch-Versuchs zwar noch lachen. Für dessen Inhalt hält sich der Marketing- und Politik-Chef von Facebook bei der diesjährigen Digitalkonferenz DLD in München mit Kritik aber nicht zurück. Das Gesetz stünde für die richtige Idee für das Verhältnis zwischen Regierung und Unternehmen. Aber es ginge zu weit, denn nun entschieden Unternehmen darüber, was legal und was es nicht sei. Politischer Diskurs sollte nicht von einer Plattform entschieden werden. „Das Gesetz macht uns zu Richtern, Geschworenen und Vollstreckern, und ich denke, das ist eine schlechte Idee“, sagt Schrage.
Auch in Bezug auf die russische Einflussnahme auf den US-Wahlkampf gibt sich Schrage einsichtig: Man habe zum Beispiel die Restriktionen verschärft, um Fake-Accounts von der Plattform zu verbannen. Denn diese seien vor allem verantwortlich gewesen für die Verbreitung von Falschinformation und Propaganda. Zudem zerstöre der Konzern die ökonomische Grundlage von Fake-News. Schließlich stünden nicht immer politische Absichten hinter der Verbreitung, sondern oft auch geschäftliche. Schrage bezieht sich auf die berüchtigten Seiten, die mit Klicks ihr Geld verdienen und daher besonders reißerische Überschriften und Lügen produzieren.
Chef und Gründer Zuckerberg kündigte Anfang des Jahres an, das Netzwerk reparieren zu wollen. Wie das aussehen könnte, wurde wenige Wochen später deutlich. Der Newsfeed soll weniger Marken und Medien, dafür wieder mehr Meldungen aus dem Freundeskreis anzeigen. Am vergangenen Freitag wurde dann eine weitere Meldung bekannt gegeben: In Zukunft sollen Nutzer die Vertrauenswürdigkeit von Nachrichtenseiten auf Facebook bewerten können. Beides sorgte für Diskussionen in Medien- und Markenkreisen.
Sein Kommen zur Konferenz sei ein wenig in letzter Minute gewesen, sagt Schrage, aber es sei wichtig derzeit – und gerade die Verbindung von Facebook zu Deutschland mache es nötig, nicht nur zu sprechen, sondern auch zuzuhören. Zuerst spricht der Manager allerdings und bezieht sich zu Beginn auf das diesjährige DLD-Motto „Reconquer“, also Wiedererobern. Besonderes das Wiedererobern von neuen Realitäten sei relevant für Facebook gewesen, meint Schrage: „Das vergangene Jahr als eine große Herausforderung für Facebook zu bezeichnen, wäre Understatement“, sagt der Manager. Besonders für seine Rolle und sein Team, dessen Aufgabe auch die Zusammenarbeit mit Regierungen überall auf der Welt sei und die Maßnahmen von Facebook nach Außen zu kommunizieren.
Das hätte besser laufen können, gibt Schrage zu: „Denn heute gibt es ein Umfeld aus Skepsis, Angst und Sorge darüber, wie wir operieren. Das ist eine neue Realität und das ist meine, ja unsere Verantwortung, diese Sorge anzusprechen.“ Heute sei die Welt dramatisch polarisiert – und viele Menschen glaubten, dass Technologie diese Spaltung voran treibt. Er sei nun hier, damit der Tech-Sektor, aber Facebook im besonderen, einen besseren Job mache, die Brücke zwischen Erwartungen der Menschen und der Realität zu schließen. Man müsse beweisen, dass man starke Gemeinschaften bauen könne.
Das müsse mehr passieren, gibt Schrage zu und verweist auf die Zuckerbergs Vorsätze die Plattform zu reparieren und die Vorteile von Technologie wieder in den Mittelpunkt zu stellen: „Wir sind besser geworden, aber wir müssen mehr tun“, meint der Manager.
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