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Fernsehen Einbruch der Werbeumsätze bremst die Strategie des neuen Pro-Sieben-Chefs

Der Medienkonzern kämpft in der Krise auch mit hausgemachten Problemen. Gleichzeitig gibt es neue Chancen für eine Sparte, die zuletzt nicht mehr im Fokus stand.
23.04.2020 - 14:13 Uhr Kommentieren
Der bisherige Finanzvorstand führt seit Kurzem Deutschlands größte private Sendergruppe. Quelle: dpa
Rainer Beaujean

Der bisherige Finanzvorstand führt seit Kurzem Deutschlands größte private Sendergruppe.

(Foto: dpa)

München Wenn Florian Tappeiner der Coronakrise etwas Positives abgewinnen kann, dann das: „Die Fernseh-Reichweiten steigen momentan massiv, das hilft uns als großem Werbekunden“, sagt der Co-Chef von NuCom.

Zu der E-Commerce-Sparte von Pro Sieben Sat 1 gehören Marken wie Jochen Schweizer, Verivox oder Parship. Selten konnte der Manager für so wenig Geld so viele Spots für seine Beteiligungen bei den Kollegen von der Werbezeitenvermarktung einkaufen – und damit so viele Leute erreichen.

Die Pandemie ist nicht nur für NuCom, sondern für den ganzen Medienkonzern und seinen neuen Vorstandssprecher Rainer Beaujean Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite zieht das im MDax notierte Unternehmen mehr Zuschauer an. Vor allem die Jüngeren schalten in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und sich überschlagender Nachrichten wieder den Fernseher ein.

Auf der anderen Seite allerdings ziehen Werbetreibende ihre Kampagnen zurück. Das drückt Preise, Umsatz und Gewinn. Daher musste Beaujean an diesem Mittwochabend die Jahresprognose zurücknehmen, nur einen Monat nach seinem Amtsantritt. Zudem strich er die Dividende.

„Wir konzentrieren uns jetzt voll auf Kosten-, Liquiditäts- und Cashflow-Management, um unser Geschäft zu schützen und eine Grundlage für unsere Zukunft zu schaffen“, erklärte der Manager. Er wolle die Strategie „mit Priorität auf unser Entertainment-Geschäft mit voller Geschwindigkeit umsetzen, sobald sich die Situation normalisiert hat“.

Fast alle deutschen Firmen kämpfen auf die eine oder andere Art mit den Folgen der Pandemie. Doch nur wenige tauschen in einer so turbulenten Zeit den Vorstandschef aus. Bei Pro Sieben Sat 1 musste Max Conze Ende März nach nicht einmal zwei Jahren gehen. Der Ex-Chef von Dyson hatte sich mit fast allen Führungskräften überworfen. Es kündigten sogar Manager, die er kurz zuvor selbst geholt hatte.

Das Vertrauen der Investoren hatte der 50-Jährige ohnehin nie gewonnen. Schon vor der Coronakrise hatte das Unternehmen an der Börse während seiner Amtszeit rund zwei Drittel an Wert verloren. Daher hatte Aufsichtsratschef Werner Brandt keine andere Wahl, als den Konzernherrn Conze in der größten Rezession seit Kriegsende abzuberufen.

Nun führt der bisherige Finanzvorstand Beaujean Deutschlands größte private Sendergruppe. Sein Versprechen zum Amtsantritt: Pro Sieben Sat 1 werde sich wieder stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren, die Unterhaltung. Zur Gruppe gehören unter anderem die Sender Pro Sieben, Sat 1 und Kabel 1 sowie die Streamingplattform Joyn.

Beaujeans Spielraum ist begrenzt

NuCom solle zwar eine wichtige Säule des Konzerns bleiben. Die Portfolio-Unternehmen sollten aber „zu gegebener Zeit veräußert werden“. Dabei hatte Conze im März noch einen mehrere Hundert Millionen Euro schweren Zukauf von NuCom in den USA verkündet. Mit der „The Meet Group“ soll Parship verstärkt werden, die konzerneigene Partnervermittlung.

Beaujean sprach von einem „veränderten strategischen Fokus“ der Gruppe. Sein Spielraum aber ist eng begrenzt. Und das hat mehrere Gründe.

Da ist zunächst der Konjunktureinbruch. So ist der Umsatz im ersten Quartal zwar noch um ein Prozent auf 926 Millionen Euro gestiegen, wie der Konzern am Mittwochabend mitteilte. Allerdings habe sich das Umfeld in der zweiten Märzhälfte markant eingetrübt.

Besonders schmerzhaft: Die margenstarken Werbeerlöse gingen in den ersten drei Monaten des Jahres um vier Prozent zurück. Daher sank der bereinigte Konzernüberschuss um mehr als ein Drittel auf 58 Millionen Euro. Und es sieht nicht gut aus für die nächste Zeit: „Im April werden die gesamten TV-Werbeeinnahmen voraussichtlich um circa 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen“, teilte der Konzern mit.

Deshalb würden die Ausgaben fürs Programm dieses Jahr um 50 Millionen gekürzt, also für genau jenen Bereich, den Beaujean eigentlich ausbauen wollte. Gleichzeitig könnte es sein, dass der Vorstandssprecher genau in dieser Sparte Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken muss.

Statt ins Programm zu investieren und so seine neue Strategie voranzubringen, muss Beaujean also sparen. Denn Pro Sieben Sat 1 hat mehr als drei Milliarden Euro Schulden, und das Schlimmste am Werbemarkt steht noch bevor. Die Auswirkungen der Coronakrise würden erst im April so richtig durchschlagen, urteilen die Marktforscher von Nielsen.

So seien die Werbeumsätze von privaten und öffentlich-rechtlichen TV-Sendern im März sogar noch ganz leicht gestiegen. Konkurrent RTL hat schon Anfang des Monats seine Prognose zurückgezogen, ohne einen neuen Ausblick zu geben.

Analysten zeigten sich indes positiv überrascht von den Quartalszahlen. Insgesamt sei das erste Quartal robust ausgefallen, urteilte Daniel Kerven von JPMorgan am Donnerstag. Der Banker hob sein Kursziel für die nächsten zwölf Monate um fast zwei Euro auf 14,60 Euro an. Und auch die Börse hatte offenbar mit Schlimmerem gerechnet: Am Donnerstagmorgen notierten die Papiere leicht im Plus bei rund acht Euro.

Noch etwas bremst die Neuausrichtung: So schränkte Beaujean selbst ein, dass er Beteiligungen von NuCom nur dann abgeben werde, wenn es sich rechnet. So schnell wird sich daher nichts ändern in dem Medienkonzern. „Exits - wie im Falle des Online-Reiseanbieters Etraveli - waren schon immer Teil der Strategie und sind es auch künftig. Kurzfristige Verkäufe wird es aber nicht geben. Wir werden das wertoptimal machen“, betont Claas van Delden, Co-Chef von NuCom.

NuCom-Geschäft bleibt stabil

Beaujeans Vor-Vorgänger Thomas Ebeling hatte Etraveli vor drei Jahren für rund eine halbe Milliarde Euro abgestoßen. Auf einen solchen Geldsegen wird der neue Konzernherr angesichts der weltweiten Wirtschaftsflaute wohl erst einmal warten müssen.

Hinzu kommt, dass Ebeling einst mit General Atlantic einen Partner für NuCom an Bord geholt hat. Dem US-Investor gehört gut ein Viertel an der Sparte, ohne ihre Zustimmung geht nichts. „Nachhaltiges Wachstum hat für uns oberste Priorität“, betont Deutschlandchef Jörn Nikolay. Das heißt: Verkäufe sind erst ein Thema, wenn sie die Renditeerwartungen der Amerikaner erfüllen.

Das gelte auch für die Parship-Gruppe, dem nach dem Erwerb von Meet wohl aussichtsreichsten Kandidaten für einen großen Deal. Nikolay: „Es müssen jetzt zwei Firmen zusammengeführt werden, das passiert nicht über Nacht.“ Ein Börsengang komme vermutlich erst in zwei Jahren in Betracht – wenn sich die Wirtschaft bis dahin wieder erholt hat.

In diesen Tagen, in denen deutlich weniger TV-Spots gebucht werden, erweist sich ausgerechnet NuCom als vergleichsweise stabiles Geschäft. Jene Sparte also, die gar nicht mehr im Fokus des neuen Chefs steht. Der Umsatz der Division schoss im ersten Quartal um 15 Prozent in die Höhe auf 228 Millionen Euro.

Einige Beteiligungsunternehmen tun sich zwar schwer, etwa die Plattform Billiger-Mietwagen.de oder der Erlebnisvermittler Jochen Schweizer. Auch auf der Handwerkerplattform Aroundhome gehen weniger Aufträge ein. Dafür läuft das Geschäft beim Parfumversand Flaconi oder dem Erotikkaufhaus Amorelie glänzend.

„Insgesamt sind wir mit den Umsätzen der letzten Wochen zufrieden“, sagt Co-Chef Tappeiner. Und auch die Partnervermittlung sei angesichts der Kontaktbeschränkungen gut beschäftigt, ergänzt van Delden: „Parship erweist sich in der Krise als sehr begehrt.“

Der Zukauf von Meet in Amerika könnte sich geradezu als Glücksfall erweisen, jetzt, da Social Distancing zum allgemeinen Wortschatz weltweit zählt: „Sie sind Pioniere der Live-Videochats. Das ist ein Megatrend, der auch nach der Krise Bestand haben wird“, glaubt der Manager.

Mehr zum Thema: Pro Sieben Sat 1 startet die große Podcast-Offensive.

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