Google-Jubiläum Ex-Google-Chef Schmidt liest Deutschland die Leviten

Der Verwaltungsratsvorsitzende von Google, Eric Schmidt, will mehr Gründergeist in Deutschland sehen.
Hamburg Er wolle jetzt mal Klartext reden, sagt Eric Schmidt irgendwann in seiner Rede. Schließlich sei er hier in Deutschland, da sei kein verblümter Optimismus wie in Kalifornien gefragt. „Ich bin besorgt, dass die Leute hier vergessen, dass Unternehmertum und Dynamik Schlüssel zur Zukunft sind“, sagt der Ex-Chef von Google. Die jungen Leute in Deutschland dürften nicht vergessen, dass alle erfolgreichen großen Unternehmen einmal als Start-up angefangen haben – wie Google vor zwei Jahrzehnten.
Schmidt, heute im Board der Google-Holding Alphabet, kam am Donnerstagabend zur Nachfeier zum 20. Gründungstag der deutschen Google-Zentrale in Hamburg. Dabei hielt er ein Plädoyer für den Gründergeist. Mit keinem Wort erwähnte er den jüngsten Rückschlag für Google in Deutschland – und doch war das Thema natürlich präsent:
Erst einen Monat ist es her, dass Google seine lang gehegten Pläne für einen Start-up-Campus in Berlin-Kreuzberg aufgegeben hat. Heftige Proteste von Stadtteilaktivsten, die steigende Mieten fürchteten, drückten zunehmend auf das Google-Image in der Hauptstadt. In der Konsequenz kommt das Berliner Förderzentrum für junge Unternehmen nicht – anders als an anderen Google-Standorten von London über Warschau bis Tel Aviv.
„Ich würde sehr gern sehen, dass es Gründungen in Zukunftsfeldern wie Nahrungsmittel, Gesundheit und erneuerbare Energien in Deutschland gibt“, sagte Schmidt vor zahlreichen geladenen Gästen, darunter Lokalprominenz wie der Beiratschef der Otto-Gruppe, Michael Otto, Moderator Kai Pflaume und der als Kritiker der Internet-Konzerne bekannte Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Casper.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Dazu müsse Deutschland einen Weg finden, die nächste Generation zum Gründen zu motivieren. Schmidt appellierte an den Ehrgeiz: „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie groß die Chancen sind, vor denen wir stehen.“ Gerade Deutschland habe durch die „exzellente Regierungspolitik“ bei der Energiewende große Chancen – doch müsse sie auch ergreifen.
Dabei spreche er als jemand, dessen Vorfahren ursprünglich aus Deutschland stammten, sagte Schmidt, der 2015 den operativen Chefposten aufgegeben hatte.
Inwieweit der 63-jährige Amerikaner sich dabei tatsächlich auf den Protest gegen das Berliner Start-up-Projekt bezog, ließ er im Unklaren. In einem ehemaligen Umspannwerk in Kreuzberg sollten eigentlich junge Unternehmensgründer Fortbildungen und Netzwerke finden. Stattdessen will Google an dem Standort nun soziale Projekte unterstützen – ein Zugeständnis an die Aktivisten, die erfolgreich den Protest mobilisiert hatten.
Trotz Schmidts feurigem Bekenntnis zur Gründungskultur ist das Start-up-Projekt seines Konzerns in Deutschland tot. Es gebe keine Überlegungen, einen solchen Campus anderswo im Land zu eröffnen, sagte Deutschland-Chef Philipp Justus dem Handelsblatt. Nach der Absage vor einem Monat hatten sich neben anderen Berliner Bezirken auch Regionen wie das Ruhrgebiet, Hamburg und München in Stellung bringen wollen – offenbar vergebens.
In Deutschland ist Google seit 2001 aktiv. Von einem Mitarbeiter in Hamburg ist das US-Unternehmen inzwischen in Deutschland auf 1.300 gewachsen, davon gut 600 in der Zentrale in Hamburg. Weitere wichtige Standorte sind das Entwicklungszentrum in München sowie Berlin und Frankfurt.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.