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Maria-Teresa Asplund Weiblich – wütend – weg

Zwei Jahre nachdem sich Maria-Teresa Asplund einer Nazi Demonstration in den Weg stellte, begeben wir uns auf Spurensuche.
  • Maria Galda
13.04.2018 - 07:44 Uhr Kommentieren
Der Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung, das ist das Lebensthema von Tess Asplund, dafür steht sie ein. Quelle: dpa
Maria-Teresa Asplund

Der Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung, das ist das Lebensthema von Tess Asplund, dafür steht sie ein.

(Foto: dpa)

Bonn Maria-Teresa „Tess“ Asplund ist wütend und aufgebracht und vor allem eins: ganz und gar nicht einverstanden damit, dass die rechtsextremistische Vereinigung „Nordische Widerstandbewegung“ (NMR) am 4. Mai 2016 durch die Straßen von Borlänge zieht, gut 200 Kilometer von Stockholm entfernt, und ihrer rassistisch antisemitisch geprägten Einstellung Ausdruck verleihen möchte.

2016, das ist das Jahr, in dem sich auch in Schweden mit seiner liberalen Flüchtlingspolitik zunehmend Widerstände in der Bevölkerung rühren. Die Aufnahmekapazitäten erscheinen begrenzt, die Flüchtlingspolitik des Landes steht am Scheideweg, und die Abstimmung zur Verschärfung des Asylrechtes ist für den Sommer in Planung.

Eine aufgeladene Situation, in der rechtsextreme Bewegungen ihr Potenzial erkennen und selbstbewusst durch die Straßen ziehen. Und so kommt es im Mai 2016 zu dieser Demonstration der NMR, einer selbst erklärten nordischen Widerstandsgruppe, deren Ziel es ist, alle Menschen, die keine nordischen Wurzeln haben, des Landes zu verweisen. Tess Asplund nimmt den Zug aus Stockholm, um sich der Gegendemonstration anzuschließen: den Nazis nicht ohne weiteres die Straße überlassen, sie nicht gewinnen lassen, ihnen zeigen, dass sie nicht willkommen sind.

Das sind ihre Motive, seit 27 Jahren, in denen sie aktiv und laut gegen Rechtsextremismus und Menschenhass demonstriert. Doch an diesem 4. Mai ist sie so wütend und angewidert, dass es ihr nicht mehr reicht, nur am Rand zu stehen und „alerta alerta antifascista“ zu rufen: Tess Asplund stellt sich den Marschierenden mit erhobener Nelson Mandela-Faust und festem Blick entgegen.

Ikone des Widerstandes

Der Kopf der Nazi-Demonstration mit den vier massigen Anführern und die schmal wirkende, entschlossene Frau treffen aufeinander. Für einen Moment begegnen sich die Blicke: „Einer hat mich angestarrt und ich hab zurückgestarrt.“ Sie geht ein paar Schritte zurück, wird von einem der Demonstranten rüde zur Seite gestoßen, die Polizei fängt sie ab, die Demonstration zieht weiter.

Es ist zweifellos eine Begegnung, die die Demonstration zum Eskalieren und Tess Asplund in Gefahr hätte bringen können. Die NMR wird als gewaltbereit eingestuft. Aber sie habe, wie sie später sagt, ohne Angst gehandelt. Es sei ein Impuls gewesen, prompt und geradeheraus zu protestieren. Tess Asplund war nicht bereit, die menschenverachtenden Parolen zu akzeptieren und hat ihrer Verweigerung auf beachtliche Art und Weise Ausdruck verliehen.

Ihre mutige Aktion wird vom Fotografen David Lagerlöf dokumentiert und in den sozialen Medien tausendfach geteilt, auch von „Harry Potter“-Erfinderin J.K. Rowling, die Asplunds Aktion „großartig“ findet. Die mediale Resonanz ist überwältigend. Schon bald ist die Rede von einer Ikone des Widerstandes und Heldin des Internets. Mit dem Bild ihrer Geste des individuellen, gewaltlosen Widerstandes wird sie in eine Reihe ähnlich ikonografischer Abbildungen und Aktionen gestellt.

Da ist zum Beispiel das Bild von Danuta Danielsson, die 1985, auch in Schweden, mit ihrer Tasche auf Neonazis losging und so als die „Frau mit der Handtasche“ bekannt wurde. Eine Aktion, genauso eindrücklich und bildlich stark wie die von Jan Rose Kasmir, die 1967 bei einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg dem Armee-Einsatz mit einer Chrysantheme begegnete. Oder Ceyda Sungur, der Frau im roten Kleid, die 2013 bei den Protesten im Istanbuler Gezi-Park von Wasserwerfern getroffen wurde.

Tess Asplund erlangt mit ihrer Aktion in Schweden und weit darüber hinaus Bekanntheit. Das schwedische öffentlich rechtliche Fernsehsender SVT dreht ein Portrait, 2017 sie ist bei der Raoul-Wallenberg-Akademie in Stockholm eingeladen. Die BBC spricht von einer außergewöhnlichen Aktion des Widerstandes und sieht in ihr eine von 100 inspirierenden und einflussreichen Frauen des Jahres 2016, unter anderem neben einer E-Gamerin und einer Comedian aus Saudi-Arabien.

Ihre zum Kampf gehobene Faust vom 4. Mai 2016 wird zum Symbol von Entschlossenheit und vielfach bildlich unter dem Hashtag #TessAsplund zitiert. Auch von ihr selbst. Nicht ohne Stolz inszeniert sich Tess Asplund in den Wochen nach der Aktion in Borlänge in den sozialen Medien mit ihrer ikonografischen Geste und teilt einige Bilder, die auf ihre prominente Aktion Bezug nehmen.

Nelson Mandela als Mentor

Sie nutzt das Interesse an ihrer Person aber auch, um andere politische Aktionen zu unterstützen, darunter die „Kämpa STHLM“ , eine antifaschistische Gruppe aus Stockholm, eine Demonstration für die Rechte der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender oder Infos zu Aktionen und Konzerten gegen Rechtsextremismus. In Interviews sagt sie immer wieder, dass sie überrascht war von ihrer eigenen Aktion und der Aufmerksamkeit, die sie dadurch generiert hat. Durch das positive Feedback und die internationale Beachtung sei sie einmal mehr bestärkt worden, gegen Rechtsextremismus zu kämpfen.

Es scheint dann so, als würde nach der großen Bewunderung und Bekanntheit das öffentliche Interesse an der Aktion und auch der Person schnell abklingen. Im Jahr 2017 erscheinen kaum mehr Berichte über sie. Dass sie mit einem Mal weniger im medialen Fokus stand, mag sie jedoch gar nicht gestört haben. Von Anfang an hat sie mit der Bekanntheit um ihre Person gehadert, denn erwartungsgemäß wurde sie in den sozialen Medien beschimpft und bedroht. Und natürlich sei sie damals auch wachsamer geworden, weil sich die Bedrohungslage verschärfte.

Ein letztes öffentliches politisches Statement gegen die Gewalt an Frauen publiziert sie im Herbst 2017. Danach setzt sie ihre politisch konnotierte Aktivität in den sozialen Medien aus. Sie scheint sich zurückzuziehen, auch um sich wieder in Ruhe ihrer Arbeit in der Flüchtlingshilfe widmen. Außerdem steht sie als Sprecherin des Netzwerkes „Fokus Afrofobi“, einer Nichtregierungsorganisation, die gegen die Diskriminierung von Afro-Schweden kämpft, vermutlich ohnehin in der Öffentlichkeit.

Der Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung, das ist das Lebensthema von Tess Asplund, dafür steht sie ein. Die Beweggründe für ihr Handeln zieht sie politisch aus dem Engagement Nelson Mandelas, den sie auch als ihren Mentor bezeichnet. Persönlich lässt sich die Motivation der Mutter zweier Töchter sicher auch mit ihren kolumbianischen Wurzeln begründen. Medienberichten zufolge wuchs sie bei Adoptiveltern in Schweden auf: „Wenn die Nazis die Kontrolle über das Land übernehmen würden, würden sie mich und meine Familie rausschmeißen.“

Ihre Familie, das zeigen die Bilder, die sie stolz und bemerkenswert offen in den sozialen Medien präsentiert, wird nach der Aktion in Borlänge offenbar immer mehr zum Rückzugsort. Ohnehin wirkt ihr Rückzug aus der Öffentlichkeit konsequent. Die Recherche bringt keine neuen Erkenntnisse zu politischen Aktionen. Auf eine Anfrage zu einem Interview, in dem man mit ihr darüber sprechen möchte, was sie bewegt und wie es ihr seit ihrer Aktion vor zwei Jahren erging, antwortet sie nicht.

Schweden hat seit 2016 das Asylrecht drastisch verschärft und beschränkt seitdem die Dauer der Aufenthaltserlaubnis als auch den Familiennachzug deutlich. Am 1. Mai 2018 demonstriert die rechtsextreme NMR wieder, diesmal in Boden, nordöstlich von Stockholm. Der Einzug in Stadtparlament ist geplant. Der Kampf von Tess Asplund geht weiter.

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