Helga Rabl-Stadler Ein Signal der Hoffnung: Präsidentin lässt die Salzburger Festspiele stattfinden

„In kraftlosen Zeiten wollen wir in Salzburg ein kraftvolles Zeichen setzen.“
Wien Wenn Helga Rabl-Stadler aus ihrem lichtdurchfluteten Büro im Salzburger Festspielehaus über den Max-Reinhardt-Platz blickt, kommt die langjährige Präsidentin des wichtigsten Opern- und Musikfestivals in Europa ins Grübeln. Das prächtige Frühlingswetter könnte sie als Gegensatz zu den schwierigen Zeiten in der Pandemie sehen. Doch Weltschmerz oder Niedergeschlagenheit liegen der seit einem Vierteljahrhundert amtierenden Managerin der Salzburger Festspiele fern.
Im Gegenteil: Die 72-Jährige hat gegen alle Widerstände ihren Kopf durchgesetzt. Im Gegensatz zur Opern-Konkurrenz in Bayreuth und Bregenz gehen die Salzburger Festspiele über die Bühne – allerdings in stark verkleinerter Form und ausschließlich im August. „Ich habe immer daran geglaubt, dass wir Festspiele durchführen können, auch wenn ich anfangs die Wucht des Virus unterschätzt habe“, sagt Rabl-Stadler.
Die Entscheidung kommt für manchen Beobachter nicht überraschend. „Sie besitzt eine extreme Zähigkeit und lässt nicht locker“, sagt der Medienmanager und Festspiel-Veteran Hans Mahr. Ursprünglich hatten die Festspiele zum 100. Geburtstag einen Rekordumsatz erwartet. Rabl-Stadler hatte zusammen mit ihrem Intendanten Markus Hinterhäuser 200 Veranstaltungen an 44 Tagen auf 16 Spielstätten geplant. Jetzt werden nur noch 65.000 Karten für 30 Tage an sieben Orten verkauft.
Das ist nicht einmal ein Drittel der Karten im Vergleich zu den Jahren vor der Coronakrise. „Dieser Kartenverkauf ist schon ein Abenteuer“, sagt die Tochter des früheren ORF-Chefs Gerd Bacher. Die Mitarbeiter im Ticketing stehen vor gewaltigen Aufgaben. Schließlich müssen sie den Kauf von 180.000 Karten im Wert von mehr als 24 Millionen Euro rückabwickeln. Die Absage der Pfingstfestspiele wegen der Pandemie war bereits eine Generalprobe für diese Transaktion.
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So werden die 100. Salzburger Festspiele trotz aller Anstrengungen als ökonomisches Fiasko in die Geschichte eingehen. Zusammen mit ihrem kaufmännischen Direktor Lukas Crepaz hat die promovierte Juristin ausgerechnet, wie groß der finanzielle Aderlass am Ende sein wird. „Die finanziellen Schäden von Covid-19 für die Salzburger Festspiele betragen 16 Millionen Euro“, sagt Rabl-Stadler.
„Der harte Einbruch des Kartenverkaufs ist für uns extrem schwierig, denn wir erwirtschaften damit rund 75 Prozent unserer Budgets.“ Das ursprüngliche Budget des Festivals von knapp 69 Millionen wurde auf 38 bis 40 Millionen Euro zusammengestrichen.
Der wirtschaftliche Schaden für Salzburg wäre noch größer ausgefallen, hätte Rabl-Stadler in den vergangenen Wochen nicht um ihre Sponsoren gekämpft. „Unsere Hauptsponsoren Audi, Siemens, Rolex, Kühne haben ihren Beitrag zugesagt“, sagt die Präsidentin. Das sind fünf Millionen Euro in diesem Sommer.
Auch alle Projektsponsoren sind geblieben. Sie haben sich bereit erklärt, ihre Finanzierung auf das nächste Jahr zu verschieben. Erbrachte Vorleistungen für Bühnenarbeiten im Wert von zwei Millionen Euro werden für 2021 aufbewahrt. Es wird nichts weggeworfen.
Signal der Hoffnung
Für die am Boden liegende Kulturbranche sind die doch stattfindenden Festspiele ein Signal der Hoffnung. „Wir sind der Eisbrecher für die Kulturbranche“, sagt Rabl-Stadler selbstbewusst. „In kraftlosen Zeiten wollen wir in Salzburg ein kraftvolles Zeichen setzen.“
Derzeit befindet sich die Stadt im Ausnahmezustand: keine ausländischen Touristen, jede Menge leere Plätze in Kaffeehäusern und Restaurants, feine Geschäfte ohne internationale Kundschaft. Das soll sich spätestens im August zur Festspielzeit ändern.
Seit nun einem Jahrhundert sind die Festspiele ein Wirtschaftsfaktor. Das weiß Rabl-Stadler als frühere Miteigentümerin des bekannten Salzburger Modehauses Resmann nur zu gut. Die Dankbarkeit in Salzburg ist groß, dass es nun doch nicht zu einer Absage kam.
Salzburgs Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) sprach von einem Zeichen, „das die Stadt braucht, wie einen Bissen Brot.“ Rabl-Stadler erzählt: „Wenn der Intendant und ich durch die Stadt laufen, werden wir von vielen für unsere Entscheidung beglückwünscht.“
Eigentlich wollte die ehemalige Nationalratsabgeordnete der konservativen ÖVP als Festspielchefin zum Ende des Jahres abtreten. Doch womöglich bleibt die frühere Unternehmerin ein Jahr länger, um den 100. Geburtstag im Sommer 2021 doch noch glanzvoll und opulent nachzufeiern.
„Der Landeshauptmann, der Intendant und die Sponsoren legen mir nahe, noch ein Jahr länger zu bleiben. Ich muss mir das sehr gut überlegen. Aber ich will natürlich auch die Festspiele nicht im Stich lassen“, sagt sie. Eine Entscheidung fällt nach den Festspielen. Die neue Position muss bereits am 1. September ausgeschrieben sein, um zum Jahreswechsel einen Wechsel vollziehen zu können.
Mehr: Mit Nestlé steigt ein wichtiger Sponsor der Salzburger Festspiele aus.
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