Hollywood-Schauspielerin Wie aus Reese Witherspoons Produktionsfirma ein Unterhaltungsimperium werden soll

Sie verkörpert das neue Hollywood der Post-Weinstein-Ära.
San Francisco „Natürlich blond“ war einer der frühen Erfolgsfilme in Reese Witherspoons Karriere. Witherspoon spielt darin eine modebesessene Blondine, die ihrem Ex-Freund beweisen will, dass sie etwas im Kopf hat. Sie bewirbt sich für ein Jurastudium an der Harvard-Universität, beweist sich dort nach einigen Fehltritten und gewinnt am Ende einen schwierigen Fall. Die Unterschätzte, die alle überrascht.
Nun hat die 45-Jährige diese Rolle ins echte Leben übertragen. Mit dem Verkauf ihrer Produktionsfirma Hello Sunshine für 900 Millionen Dollar hat Witherspoon viele in Hollywood erstaunt. Zuvor soll auch Apple Interesse an der Firma geäußert haben. „Wenn Reese eine Milliarde wert ist, wie viel bin ich dann wert?“, fasst der ehemalige Chefredakteur des Branchenmagazins „Hollywood Reporter“, Matthew Belloni, in seinem Newsletter die Stimmung unter Produzenten in Tinseltown zusammen. Auch der Käufer, der New Yorker Private-Equity-Riese Blackstone, ließ viele aufhorchen.
Der niedliche Name „Hello Sunshine“ sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Unternehmen längst eine Macht in Hollywood ist. Mit der HBO-Serie „Big Little Lies“, der Hulu-Serie „Little Fires Everywhere“ oder „The Morning Show“, dem ersten großen Drama auf Apple TV+, hat die Produktionsfirma seit 2019 eine ganze Reihe viel beachteter Hit-Serien an die ständig nach neuer Ware gierenden Streamingdienste verkauft.
Alle Produktionen haben zwei Dinge gemeinsam: Witherspoon tritt in einer Hauptrolle auf. Und auch sonst haben Frauen tragende Rollen, in „The Morning Show“ etwa Jennifer Aniston. Das war schon die erklärte Mission, als Witherspoon das Unternehmen Ende 2016 mit dem Investor Seth Rodsky gründete. Sie wolle „ein größeres Publikum erreichen, das sich nach Inhalten sehnt, die von Frauen handeln“.
Tatsächlich traf Witherspoon damit ins Schwarze. Kein Jahr später schüttelte der Weinstein-Skandal das sexistische System Hollywood durch, in dem ein mächtiger Produzent über die Karrieren junger Schauspielerinnen und Assistentinnen entscheiden und seine Macht missbrauchen konnte, um sie zu Sex oder anderen Gefälligkeiten zu zwingen.
Witherspoon passt ideal ins neue Hollywood
Auch die alten Hollywood-Studios, deren Stoffe Produzenten wie Weinstein lange durch ihren männlichen Blick prägten, verloren an Bedeutung gegenüber Netflix, dem weltgrößten Streamingdienst aus dem Silicon Valley mit mehr als 200 Millionen Abonnenten weltweit.
Statt Beziehungen zu alternden Starregisseuren wie im alten Hollywood dominiert in der neuen, datengetriebenen Streamingbranche die Experimentierfreude. „Netflix muss nicht die gleichen ein, zwei Klischees reproduzieren, sondern produziert eine Bibliothek, die ein breites Spektrum an Geschmäckern abdeckt“, sagte die schwarze Regisseurin Ava DuVernay, die für Netflix eine fiktionale Serie über den Football-Quarterback Colin Kaepernick produziert, im vergangenen Jahr der „New York Times“.
Inzwischen folgt auch Old Hollywood dem Erfolgspfad von Netflix: Mit Disney, Warner, Paramount und Universal hat quasi jedes der Traditionsstudios rund um Los Angeles seinen eigenen Streamingdienst an den Start gebracht. Und um die in der Pandemie gelangweilten Abonnenten bei Laune zu halten, braucht es immer neue, anspruchsvolle und zunehmend diverse Serien.
In diesem neuen Hollywood reüssiert auch Witherspoon. Zum einen ist sie seit Jahrzehnten eine der bekanntesten Schauspielerinnen der Welt, die für ihre Rolle als Johnny Cashs Frau June im Biopic „Hold The Line“ schon vor 15 Jahren mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
Zum anderen liefert sie die Stoffe, die im neuen Hollywood gut ankommen. „The Morning Show“ ist ein Produkt der Post-Weinstein-Ära. Die Serie fiktionalisiert den Sturz des Moderators Matt Lauer, der wegen Vorwürfen sexueller Belästigung 2017 als Anchorman der NBC-Frühstückfernsehshow „Today“ rausflog. In der „Morning Show“ spielt Steve Carrell den zweifelhaften Zuschauerliebling – ersetzt wird er durch Witherspoons Charakter.
Ex-Disney-Manager wollen ein großes Film- und Fernsehstudio schmieden
Die Paarung mit Blackstone ist nur auf den ersten Blick ungewöhnlich. Zum einen investiert die Firma des Milliardärs Steven Schwarzman primär in alternative Investments statt klassische Aktien oder Anleihen. Zum anderen tritt Blackstone nur als Investor hinter den beiden Ex-Disney-Topmanagern Kevin Mayer und Tom Staggs auf. Hello Sunshine soll für sie nur die erste Folge einer Serie von Akquisitionen sein, aus denen am Ende ein potentes Film- und Fernsehstudio für die Streaming-Ära geformt werden soll. Dieses könnte Blackstone dann in einigen Jahren weiterverkaufen – entweder an einen Unterhaltungsriesen wie Disney oder einen Tech-Konzern wie Apple oder Amazon.
Letzterer hat die Bieterschlacht um die letzten Schätze Hollywoods mit der Übernahme von MGM für 8,5 Milliarden Dollar kürzlich eingeläutet. Während das Studio mit dem brüllenden Löwen vor allem eine Bibliothek von Klassikern wie der James-Bond-Reihe oder den Rocky-Filmen ist und von seiner glorreichen Vergangenheit lebt, ist Hello Sunshine eine Wette auf die Zukunft.
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Denn Witherspoons Studio hält die Verwertungsrechte an ihren bisherigen Hits nur teilweise und setzt ohnehin nicht auf die Franchises, aus denen sich mit Spin-offs, Fanartikeln oder Computerspielen über viele Jahre Umsätze generieren lassen. Damit sich der 900-Millionen-Kaufpreis lohnt, müssen Witherspoon und ihre CEO Sarah Harden weitere Treffer landen.
Die Marke von Hello Sunshine ist bisher vor allem eines: Reese Witherspoon. Neben ihrer Arbeit als Schauspielerin moderiert sie ihre Literatursendung „Reese’s Book Club“ – das Vorbild der milliardenschweren Unterhaltungs-Unternehmerin Oprah Winfrey, die „Oprah’s Book Club“ hat, könnte nicht klarer sein und gibt eine Ahnung, auf welchem Pfad sich Witherspoon sieht.
Gebürtig aus New Orleans verbindet die Schauspielerin einen Hauch heimeligen Südstaatencharmes mit selbstbewusster Intelligenz. Das scheinbare Dummchen Elle Woods aus „Natürlich blond“ wird der realen Witherspoon daher auch weniger gerecht als eine andere Rolle – nämlich die der ambitionierten Musterschülerin Tracy Flick aus der schwarzen Komödie „Election“. Auch die erfüllt sich ihren Traum, wird Schulpräsidentin und wird an der Eliteuniversität Georgetown angenommen – die Männer auf ihrem Weg lässt sie dabei hinter sich.
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