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Marketing Immer mehr Unternehmen definieren für sich eine gesellschaftsbezogene Haltung

Mit immensem Aufwand tragen Firmen derzeit ihr eigenes Leitbild in die Öffentlichkeit. Auch die R+V Versicherung positioniert sich jetzt um.
05.02.2020 - 18:32 Uhr Kommentieren
Menschen zwischen Egoismus und Gemeinschaftsgefühl. Quelle: R+V
Neuer Werbespot der R+V-Versicherung

Menschen zwischen Egoismus und Gemeinschaftsgefühl.

(Foto: R+V)

Frankfurt „Du bist nicht allein“, lautet künftig der Slogan, mit dem die R+V Versicherung ihr Profil schärfen will. In dem geplanten Werbespot, der in einigen Tagen zu sehen sein wird, wenden sich die Protagonisten gegen den Egoismus dieser Welt und sprechen sich für ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl aus. Die Assekuranz der Genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken besitzt zwar nur eine Markenbekanntheit von elf Prozent, will mit dem Spot aber eine klare Haltung zeigen.

„Wir hatten bisher kein starkes eigenes Profil“, sagt Jens Hasselbächer, Vertriebsvorstand der R+V. Das Unternehmen, das sich jahrelang wenig einprägsam als die „Versicherung mit dem Plus“ titulierte, will das ändern und startet einen überarbeiteten Außenauftritt samt neuem Logo, neuem Claim und neuen Spots.
Marketingmaßnahmen wie diese liegen im Trend – immer mehr Unternehmen definieren für sich eine gesellschaftsbezogene Haltung, was sie neudeutsch mit „Purpose“ übersetzen. Sie bedienen damit etwas, worauf viele Menschen offenbar Anspruch erheben. Laut einer Studie der Werbeagentur Havas erwarten 75 Prozent der Deutschen von den Marken eine solche Haltung.

Pflicht statt Kür

„Purpose dient der Existenzsicherung der Unternehmen“, sagte Jan Pechmann, Chef der Strategieberatung Diffferent, beim „Horizont“-Medienkongress in Frankfurt. Das sei heute keine Kür mehr, sondern ein Pflichtthema. Und: „Jedes Unternehmen hat einen Purpose – sonst würde es sie gar nicht geben“, meinte er. Unter „Purpose“ – früher auch Leitbild genannt – verstehen die Berater den inneren Antrieb eines Unternehmens; unter „Haltung“ die Botschaften, die die Firma nach außen trägt.

R+V greift dafür tief in die Tasche. Nach Branchenschätzungen liegt das Jahresbudget bei zehn Millionen Euro, verwaltet wird es von Anja Stolz. Die Marketingchefin, seit elf Monaten bei R+V, hat zuvor für die Commerzbank gearbeitet und dort Aufsehen mit der Kampagne erregt, die einst die Bankberaterin Lena Kuske in den Mittelpunkt rückte.

Nun sorgt Stolz dafür, dass bei der R+V das Wirgefühl wächst. „Bisher haben wir eher auf die Ratio gezielt“, sagt sie, „künftig werden wir die Kunden emotionaler ansprechen.“

30 Sekunden dauert der R+V-Spot im Fernsehen, 60 Sekunden auf Youtube, dazu kommen Maßnahmen in den sozialen Medien – eine Kampagne, die die Sorgen der Menschen in einer globalisierten Welt ernst nehmen will. Sie richtet sich explizit gegen den Egoismus der Menschen. „Wir gehen stark davon aus, dass die klare Positionierung wirkt – auch weil sie polarisiert“, meint R+V-Vorstand Jens Hasselbächer.

Eine solche Polarisierung kann jedoch auch schaden. So setzte der Sportartikelhersteller Nike 2018 ein Zeichen gegen Rassismus, indem er den politischen Aktivisten und Football-Spieler Colin Kaepernick für seine Kampagne nutzte. Nike gewann damit zwar die Sympathien von Antirassisten, musste jedoch erfahren, dass es damit Teile der Kundschaft verprellte. So bleibt es bei einer schmalen Gratwanderung.

„Menschen achten heute darauf, dass Unternehmen anständig agieren“, meint Christoph Prox, Geschäftsführer des Meinungsforschungsunternehmens Kantar. „Sie wollen nachvollziehen können, ob eine echte Anstrengung dahintersteht.“ Greenwashing, so die Erfahrung des Markenexperten, würde in Deutschland schneller abgestraft werden als in anderen Ländern. „Der deutsche Konsument ist kritischer“, meint er.

„Eine Marke kann keinen Purpose haben, das kann nur ein Unternehmen“, meint Rolf Schrickel, Chef der Werbeagentur Butter. Insofern sei es falsch, wenn der Purpose-Gedanke allein aus der Marketingabteilung kommen würde. Für den Werbe‧experten sind Mittelständler wie die kleine Snackmarke Hafervoll und der Fahrradtaschenhersteller Ortlieb überzeugende Purpose-Beispiele.

Wie tief der Wandel in einem Unternehmen vollzogen werden muss, erlebte der Süßwarenhersteller Katjes. 2019 erhielt die Firma für ihre Markenkampagne „Jes! Alles veggie!“, die Wert legt auf bewusste Ernährung, den Deutschen Marketingpreis. Doch der Umbau des Sortiments dauert schon seit 2010 an.

Seit 2016 sind alle Produkte vegetarisch. Die neue Zielgruppe sind Vegetarier, Flexitarier und Muslime. Katjes habe die Königsdisziplin „Pur‧pose-driven Marketing“ mutig, konsequent und erfolgreich umgesetzt“, lobte Ralf Strauß, Präsident des Deutschen Marketing-Verbands, bei der Preisverleihung.

Größe birgt Gefahren

Für Familienfirmen wie Katjes ist das Finden und Einhalten einer Sinnhaftigkeit oft einfacher als für einen Konzern. Das musste nun der Industriekonzern Siemens erfahren. Der Gesellschaft dienen, indem Siemens produziert, was relevant für die Gesellschaft ist, nennt Vorstandschef Joe Kaeser den Purpose des Unternehmens. Umso mehr litt der Ruf des Münchener Dax-Konzerns, als die Beteiligung an einem Kohlebergwerksprojekt in Australien publik wurde.

Auch der Tech-Gigant Google verhedderte sich mit seinem Leitspruch. „Don't be evil“ („Sei nicht böse“) hatte sich der Datensammler auf die Fahnen geschrieben – ein Motto, das die Presse nach jedem neuen Datenskandal des Silicon-Valley-Konzerns genüsslich durch den Kakao zog.

Vor zwei Jahren entschloss sich Google, das Motto aus seinem Verhaltenskodex zu entfernen. Selbst intern hatte es im Unternehmen Kritik an dem selbst gewählten Slogan gegeben. Inzwischen hat man mit „Do the right thing“ („Mach das Richtige“) etwas Unverbindlicheres gefunden.

Wie sehr die Firmenstrategie auf den Purpose abgestimmt werden muss, berichtete Helmut Lind, Vorstandschef der Sparda-Bank München, auf dem Deutschen Medienkongress. 2011 begann die Bank, sich als erste Gemeinwohl-Bank zu positionieren. Ein Weg voller Widerstände, wie er berichtete. Heute sei er froh über den eingeschlagenen Weg. Der Grund: Durch Protestaktionen wie „Fridays for Future“ komme nun eine neue Dynamik in das Thema.

Mitarbeit: Christoph Schlautmann

Mehr: Die Strategieberatung Gauly Advisors erweitert ihren Führungskreis um zwei Experten. Zudem wird ein sechstes Büro eröffnet.

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