Medienbranche Springer wird sich radikal verändern – das führt zu Spannungen

Das Unternehmen steht an einem Scheideweg.
Düsseldorf Im Jahr eins nach dem Einstieg des US-Investors KKR ändert sich einiges beim Medienunternehmen Axel Springer. Am Mittwoch verlas der Vorstand, der sich bald von fünf auf vier Köpfe verkleinern wird, die Bilanzzahlen am Telefon – und nicht mehr wie in den Vorjahren bei einer Konferenz im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin.
Und das nicht nur wegen der Coronavirus-Epidemie. Auch die Zahlen waren, anders als in den Vorjahren, längst bekannt. Das Unternehmen hatte sie im Rahmen des Rückzugs von der Börse im Februar kommuniziert. Nur eines blieb gleich: der Optimismus des CEOs. „Jetzt beginnt die spannendste Phase von Axel Springer“, so Mathias Döpfner, der den Konzern seit 2002 führt.
Spannung ist in dem Medienkonzern allemal vorhanden. Das Unternehmen, das rund 16.000 Mitarbeiter beschäftigt, steht an einem Scheideweg. Axel Springer („Bild“, „Welt“) wird sich radikal verändern und dabei zwei divergierende Ziele miteinander kombinieren müssen.
Da ist zum einen das Wahren des publizistischen Erbes von Axel Springer, für das seine Witwe Friede Springer steht, die 42,6 Prozent der Anteile kontrolliert. Und da ist zum anderen der Ausbau der Wachstumsbereiche, der digitalen Rubrikengeschäfte, die mutmaßlich das eigentliche Ziel des US-Finanzinvestors darstellen. KKR hält inzwischen 45 Prozent der Anteile.
Dazwischen steht CEO Döpfner, der 2,8 Prozent der Anteile hält, für die es nach dem Delisting allerdings keinen richtigen Marktplatz mehr gibt. Friede Springer, KKR und Döpfner haben sich darauf verständigt, ihre jeweiligen Anteile nicht zu verkaufen. Der Hedgefonds will für mindestens fünf Jahre sein Geld in Springer investiert lassen, danach könnte sein Rückzug beginnen. Wer dann die KKR-Anteile übernimmt, ob etwa ein Asset-Deal folgt oder das Weiterreichen an einen anderen potenten Miteigentümer eine Option ist, bleibt derzeit offen.
Zunächst wird der Konzern umgebaut. Döpfner hat bereits kräftig vorgelegt. Er hat das Medienhaus, dessen Umsatz im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro und dessen bereinigter Gewinn (Ebitda) um 14,5 Prozent auf 630,6 Millionen Euro sank, nach und nach in einen Digitalkonzern verwandelt. Gut 73 Prozent der Umsätze tätigt Springer inzwischen mit digitalen Geschäften. Dazu gehören allen voran die digitalen Kleinanzeigen im Bereich Immobilien und Stellenanzeigen, aber auch journalistische Angebote von „Business Insider“ und „Upday“. Die Marktkapitalisierung von Springer liegt derzeit bei 6,8 Milliarden Euro.
„Wir brauchen Innovationskraft, Investitionskraft, Technologiekompetenz, aber auch einen langen Atem“, sagte Döpfner bei der Telefonkonferenz. Er plant eine strategische Umorientierung, die derart aufwendig ist, dass sie die Börse abgestraft hätte. Daher der Weg des Delistings. Nachdem der Streubesitz auf 3,5 Prozent gesunken war, begann der Rückzug vom Börsenhandel.
Über die Richtung des Umbaus gibt es widersprüchliche Aussagen. Kapitalmarkterprobte Beobachter halten eine Aufspaltung der beiden Bereiche Journalismus und Rubrikengeschäfte für überzeugend. Eben wegen der so unterschiedlichen Geschäftszweige. Kürzlich aufgekommenen Branchengerüchten einer Überführung des publizistischen Bereichs in eine Stiftung erteilte Döpfner eine Absage. „Das ist ein einziges großes fundamentales Missverständnis“, sagte er am Mittwoch. Das sehen Beobachter mitunter anders. Das Gerücht habe durchaus seine Rationalität, so ein Medienberater, schließlich habe Investor KKR „wenig Interesse am journalistischen Geschäft“.
Klassisches Mediengeschäft ist das Sorgenkind
Die Lage ist nicht aussichtslos – trotz aller Unkenrufe. „Die Zukunft der Medienhäuser schätzen wir immer noch sehr positiv ein“, sagte ein Medienexperte eines Beratungshauses. Die hohe Nachfrage bei den Konsumenten treffe allerdings auf eine zunehmend schwierige Lage bei den Unternehmen, die neue Wege in der Monetarisierung gehen müssten.
Das sieht bei Springer nicht anders aus. Das klassische Mediengeschäft, gebündelt im Bereich News Media National unter der Ägide von Vorständin Stephanie Caspar, ist das Sorgenkind des Konzerns. Der Umsatz ging im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro zurück, der Gewinn sank um 39,3 Prozent auf 138,5 Millionen Euro. Das Management greift nun durch.
Derzeit läuft ein Freiwilligenprogramm, das Mitarbeiter zum Austritt aus der Firma bewegen soll. Das Management übt sich in Geduld und hat die Programme verlängert. Mit betriebsbedingten Kündigungen rechnet Döpfner derzeit nicht, will sie allerdings auch nicht ausschließen. Die angepeilten Einsparungen liegen bei rund 50 Millionen Euro, zur Menge der wegfallenden Stellen hält sich der Konzern nach wie vor bedeckt. Während „Business Insider“ und „Upday“ zu den oft zitierten Erfolgsgeschichten zählen, die „Bild“-Gruppe mit ehrgeizigen Bewegtbildplänen unter Chefredakteur Julian Reichelt auftrumpft, gibt es zur Zukunft der „Welt“-Gruppe wenig konkrete Neuigkeiten.
Generell gilt: Bei den journalistischen Angeboten will Springer nach eigenem Bekunden in den nächsten drei Jahren 100 Millionen Euro in digitale Projekte bei „Bild“ und „Welt“ investieren. Dabei soll es um Live-‧Berichterstattung, um Paid Content und um Sport gehen. Springer goes Bundesliga? Mitnichten. Er halte es „für komplett ausgeschlossen“, dass Springer einer der großen Player beim Thema Fußball werde, stellte Döpfner klar. Er verwies stattdessen auf mögliche Rechte an neuen Sportarten, wie etwa E-Sports.
Gabriel Mohr, Medienexperte der Beratung Arthur D. Little, schätzt die Entwicklung von Springer. Andere Medienhäuser hätten den Fehler gemacht, allzu lange an der gedruckten Zeitung festzuhalten, und nicht die Notwendigkeit erkannt, die Leser digital zu informieren oder mit Stellenanzeigen zu versorgen. „Künftig wird es eine neue Definition von Medienhäusern geben“, sagt er.
Das neue, zukunftsträchtige Springer-Geschäft ist in den sogenannten Classifieds Media gebündelt. Unter der Verantwortung von Vorstand Andreas Wiele umfasst das Portfolio wachstumsstarke Vermittlungsplattformen wie Stepstone (Stellenanzeigen) und Immonet (Immobilien). Ende Mai 2020, wenn vermutlich auch der Rückzug von der Börse erfolgt ist, verlässt Wiele allerdings das Unternehmen und wird Mitglied im weltweiten Senior Advisory Board von KKR. Mit Wieles Ausscheiden wird sich die Zahl der Springer-Vorstände auf vier verkleinern.
Die Ambitionen sind groß: Springer will zum „Weltmarktführer im digitalen Journalismus und digitalen Rubrikengeschäft“ aufsteigen. Döpfner ließ keinen Zweifel daran, dass dies nicht nur durch organisches Wachstum gelänge. Doch konkrete Investitionsprojekte wollte er nicht nennen. Auch die seit Monaten anhaltenden Spekulationen, wonach er Interesse an der Classifieds-Sparte des Onlinemarktplatzes Ebay habe, ließ der Vorstand unkommentiert. „Große Ankündigungen sind nicht unsere Art“, sagte der CEO stattdessen.
Künftig wird es vermutlich noch weniger Ankündigungen geben. Denn mit dem Delisting entfällt auch das Berichtswesen zu den Quartalszahlen. „Der Abschied vom Kapitalmarkt ist eine Zäsur“, sagte Döpfner. Springer ist seit 35 Jahren an der Börse. Das Unternehmen wird sich nun auf eine neue Zeit einstellen müssen.
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