Der Medien-Kommissar Ein filmreifes Leben mit extremen Höhen und Tiefen

Handelsblatt-Korrespondent Hans-Peter Siebenhaar wirft wöchentlich einen Blick auf die Medienbranche.
Müde sieht Hans Kammerlander aus. Das ist kein Wunder, denn der Extrem-Alpinist ist nach einer anstrengenden Deutschland-Tour mit Stationen in der ZDF-Talkshow seines Landsmanns Markus Lanz in Hamburg und Buchmesse in Leipzig in seine geliebte Südtiroler Heimat zurückgekehrt. Sein letzter Termin an diesem Tag ist die Filmkonferenz Incontri in Schenna, die von der Südtiroler Filmförderung IDM veranstaltet wird.
Der Kaminabend ist kein Zufall. Anfang Dezember kommt die Verfilmung seines Lebens mit extremen Höhen und Tiefen unter dem Titel „Manaslu – Berg der Seelen“ ins Kino und anschließend ins Fernsehen. „Die Idee hat mich von Anfang an fasziniert“, sagt mir Kammerlander mit ernster Miene. „Ich wollte etwas Bleibendes von meinem Leben – authentisch erzählt“, ergänzt der heute 61-Jährige.
Hans Kammerlander ist neben seinem Lehrmeister Reinhold Messner, ebenfalls ein Südtiroler, einer der weltweit populärsten Extrembergsteiger. Der Alpinist hat allein in Asien und Südamerika zwölf Achttausender bestiegen. Mit Messner schaffte er die Doppelbesteigung zweier Achttausender. Vergeblich probierte er vom Gipfel des Everest mit Skiern herabzufahren. Das Matterhorn bestieg er erstmals von allen vier Graten in 24 Stunden.

Für den Alpinisten ist der Film ein Lebensprojekt im wahrsten Sinne des Wortes.
Seine Abenteuer wurden aber auch von tragischen Unfällen überschattet. Bei der Besteigung des Manaslu im Jahre 1991 verlor er zwei seiner Kameraden innerhalb von vier Stunden. Kammerlander gibt sich heute als Geläuterter. „Ich habe den alpinen Wettlauf mitgemacht“, sagte mir der Bergsteiger. „Doch heute bin ich kein Grenzgänger mehr. Ich muss nicht mehr den steilsten Weg gehen.“
Gerald Salmina produziert den rund zweistündigen Streifen über das extreme Leben von Hans Kammerlander, dessen Schlüsselszenen mit in den Bergen erfahrenen Schauspielern nachgestellt werden. 26 Jahre nach der Tragödie ist Kammerlander für den Film wieder zum tödlichen Achttausender im Himalaya zurückgekehrt. Eine schwere Reise für den sensiblen Alpinisten. „Die nachgestellten Unfälle waren für mich sehr, sehr hart“, bekennt Kammerlander.
Die Tragödie vom Manaslu lässt Kammerlander lebenslang nicht mehr los. In der filmischen Dokumentation, in der das Leben des Südtirolers vom achtjährigen Buben zum Spitzenkletterer steht, werden die extremen Erlebnisse für den Zuschauer wieder erlebbar. „Die Schmerzen der Unfälle beinhaltet der Film“, sagt Kammerlander. „Ich habe damals den Wert des Lebens am wenigsten gespürt, als er am meisten in Gefahr war.“
Das Filmprojekt ist auch eine gewaltige Herausforderung für Produzent Gerald Salmina. Der Inhaber der österreichischen Filmproduktion Planet Watch drehte vor Ort unter grenznahen Bedingungen. Bei arktischen Temperaturen im Himalaya am 8163 Meter hohen Manaslu drohten seinen Darstellern sogar Erfrierungen.
Salmina ist dafür bekannt, dass er auch große Risiken eingeht. Selbst die Technik ging an das Limit der Möglichkeiten. Einen Namen hat sich der frühere Profi-Windsurfer durch die Kinodokumentation „Streif – One Hell of a Ride“ über die gefährliche Skirennstrecke in Kitzbühel vor vier Jahren gemacht. Ihm gelang ein Kino- und Fernseherfolg.
Die Dokumentation über Hans Kammerlander ist auch ein wirtschaftliches Experiment. Der Film wird 1,8 Millionen Euro kosten, allein die Expedition in den Himalaya verschlang einen sechsstelligen Betrag. An Bord hat Salmina bislang den österreichischen Privatsender Servus TV von Multimilliardär Dietrich Mateschitz.
Salmina und Mateschitz kennen und schätzen sich seit Jahren. Der Red-Bull-Eigner hat schon seinen Publikumserfolg „Streif“ mitfinanziert. Doch die deutschen Fernsehrechte seines Kammerlander-Films sind noch nicht verkauft. Auch ein Filmverleih in der Bundesrepublik steht noch nicht fest.
Zudem muss Salmina noch zwei Wochen drehen, um den Film fertig zu stellen. Dann geht es in die Postproduktion der ambitionierten Dokumentation. Premiere des Kammerlander-Films wird in Wien sein.
Für Hans Kammerlander ist der Film ein Lebensprojekt im wahrsten Sinne des Wortes. Durch die Schauspieler erlebt der berühmte Alpinist seine Kindheit als sechstes Kind einer bescheidenen Bergbauernfamilie wieder. Noch heute wohnt er in seinem Heimatdorf auf einer Meereshöhe von 1500 Metern in der Nähe des Südtiroler Städtchens Bruneck. Gerührt erzählt mir Kammerlander von seiner Südtiroler Heimat: „Die Kindheit war sehr schön, auch wenn wir arm waren - mit nur einer Handvoll Kühe.“
Der Film spart aber die extremen Tiefen nicht aus. In einem Interview mit seinen langjährigen Freund, dem Filmregisseur Werner Herzog, thematisiert er auch sein jüngstes Drama vor wenigen Jahren, einen Autounfall unter Alkoholeinfluss mit einem Todesopfer in Südtirol.
Gerne sind Bergfilme auch Werbefilme für die Protagonisten oder Regionen. Der Rausch der schönen und dramatischen Bilder steht oft im Dienst des Marketings. Doch in diese Gefahr kommt das außergewöhnliche Kammerlander-Filmprojekt nicht. Genau aus diesem Grund macht dieses ehrgeizige Filmprojekt so neugierig.
Jede Woche schreibt Handelsblatt-Korrespondent und Buchautor Hans-Peter Siebenhaar seine Sicht auf die Kommunikationswelt auf.
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