Medienkonzern Pro Sieben wagt neue Reklameformate – „Jerks“ integriert Kekswerbung

Die TV-Stars integrieren Bahlsen-Werbung in ihre gemeinsame Sendung „Jerks“.
München Wohl und Wehe von Pro Sieben Sat 1 hängen an der Fernseh-Reklame. Die allerdings wandelt sich gerade massiv. Das Geschäft mit klassischen TV-Spots stagniert. Dafür buchen die Kunden immer häufiger Sonderwerbeformen, die weit über die herkömmlichen 20 Sekunden langen Clips hinaus gehen.
Ein prominentes Beispiel: Die Bahlsen-Werbung an diesem Dienstagabend in der TV-Serie „Jerks“ auf Pro Sieben. Der Werbespot kommt direkt in der Handlung vor, den Schauspieler Fahri Yardim für „Pick up“-Kekse im Jahr 2006 gedreht hat. Einer der Beteiligten zeigt das Video auf seinem Smartphone. Diese Szene leitet fast nahtlos in die anschließende, neue „Pick up“-Kampagne des Süßwarenherstellers im regulären Werbeblock über. Dort treten Yardim und sein „Jerks“-Partner Christian Ulmen für Bahlsen auf.
Eine beispielhaft gute Zusammenarbeit mit einem Werbekunden sei das, so Tom Schwarz. Der Manager leitet die Adfactory, die Kreativabteilung des konzerneigenen Werbezeitenvermarkters Seven One Media. Die Idee geht auf die Adfactory zurück. Der Medienkonzern bietet derartige, außergewöhnliche Reklame schon länger an. Bislang waren viele Werbetreibende aber sehr zurückhaltend. Das ändere sich: „Die Schlagzahl hat sich dieses Jahr massiv erhöht“, betont Schwarz im Gespräch mit dem Handelsblatt.
Bahlsen gehe ganz bewusst neue Wege, erläuterte Marketingchef Dieter Lutz: „Wenn ein mittelständisches Unternehmen in Konkurrenz zu Konzernen steht, muss man einfach mutiger und kreativer sein, sonst hat man keine Chance gegen die Budgets der Großen.“
Selbst Discounter springen an. Im Sommer betrieb Penny einen Mini-Supermarkt in der Sat 1-Show „Promi Big Brother“. „Für die Marke Penny ist das Placement eine tolle Gelegenheit, unseren Kunden in einer unterhaltsamen Show unaufdringlich zu begegnen“, so der Marketingchef der Discounterkette, Marcus Haus.
Ein Dank an die Sänger
Für Pro Sieben Sat 1 werden solche experimentierfreudigen Kunden immer wichtiger. Die Erlöse aus der herkömmlichen TV-Werbung sind unter Druck. Die Analysten von Macquarie gehen davon aus, dass die Umsätze mit Fernsehreklame in Europa nächstes Jahr um fünf Prozent zurück gehen werden. 2021 würden sie zwar wieder anziehen, aber nur leicht – um zwei Prozent.
Bei Pro Sieben Sat 1 sind die klassischen TV-Werbeerlöse im zweiten Quartal des Jahres um drei Prozent geschrumpft. Sie sind nach wie vor die Haupteinnahmequelle. Die Umsätze aus moderner digitaler und personalisierter Werbung stiegen zwar um gut ein Viertel. Das aber reichte nicht aus, um die Schwäche im Kerngeschäft auszugleichen.
Seit Jahren bemüht sich der im MDax notierte Konzern von der Reklame unabhängiger zu werden. Zuletzt stammte mehr als ein Drittel des Umsatzes aus den Bereichen Film-Produktion und E-Commerce. Diese Divisionen wachsen zwar kräftig, verdienen aber nur wenig Geld. Die Börse blickt daher skeptisch auf die Sendergruppe. Seit Januar haben die Aktien ein Fünftel an Wert verloren, binnen Jahresfrist ging es sogar um mehr als 40 Prozent bergab. Damit gehört Pro Sieben Sat 1 zu den schwächsten Werten im MDax.
Für den vergangenen Sonntag hatte sich die Adfactory auch etwas Besonderes einfallen lassen. Bei der Gesangsshow „The Voice of Germany“ auf Sat 1 blendete der Süßwarenhersteller Storck Werbung ein. Für zehn Sekunden erschien bei jedem der Künstler eine Packung des Schokoriegels „Merci“ auf dem Bildschirm mit einem persönlichen Dankeschön für die „grandiose Performance“.
Solch pfiffige Werbung will Adfactory-Chef Schwarz künftig noch viel häufiger produzieren: „Wir kratzen erst an der Oberfläche. Denn bei vielen Kunden stehen noch immer nur unmittelbar messbare Formate im Vordergrund.“
Mehr: „Pro Sieben Sat1“-CEO Max Conze plant, einen neuen Nachrichtensender ins Leben zu rufen. Der Testlauf in Österreich verlief bislang zufriedenstellend.
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