Mega-Deal auf dem Telekommunikationsmarkt Warum T-Mobile US und Sprint nun doch fusionieren
Düsseldorf Es ist die Meldung, auf die Anleger, Analysten, Mitarbeiter und Branchenbeobachter seit einiger Zeit warten: T-Mobile US und Sprint, die Nummern drei und die Nummer vier auf dem amerikanischen Mobilfunkmarkt, wollen fusionieren. Wenn die Kartellbehörden zustimmen, entsteht ein mächtiger Herausforderer für die beiden Marktführer AT&T und Verizon. Gleichzeitig erzielt die Deutsche Telekom damit einen wichtigen Erfolg. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was haben die Unternehmen beschlossen?
Formal handelt es sich um eine Fusion: T-Mobile US und Sprint haben ein „Business Combination Agreement“ vereinbart, also eine verbindliche Vereinbarung, „um die beiden Gesellschaften zu einem größeren Unternehmen zusammenzuführen“. Die Deutsche Telekom soll rund 42 Prozent der Anteile am Unternehmen halten, die japanische Sprint-Mutter Softbank 27 Prozent, weitere 31 Prozent gehen an freie Aktionäre.
Allerdings bekommt der deutsche Konzern zusätzlich die Stimmrechte von Sprint und hat somit das Sagen. Er besetzt außerdem den CEO-Posten und die Mehrheit im Aufsichtsrat. Damit handelt es sich de facto um eine Übernahme. Das lässt sich auch am Namen ablesen: Der soll T-Mobile lauten.
Die Transaktion wird über einen Aktientausch und eine Kapitalerhöhung finanziert, eine Übernahmegebühr gibt es nicht.
Was ist der Hintergrund?
T-Mobile US ist nach einer jahrelangen Aufholjagd zum drittgrößten Mobilfunkanbieter in den USA geworden, zuletzt erzielte er einen Rekordgewinn. Damit hat die Tochterfirma der Deutschen Telekom den Wettbewerber Sprint, die dem japanischen Konzern Softbank gehört, überholt.
Eine Fusion halten beide seit längerer Zeit für sinnvoll. Bereits 2014 wollte Sprint T-Mobile US übernehmen, ließ aber nach einigen Monaten von dem Vorhaben ab: Die Unternehmen gingen davon aus, dass die Kartellbehörden den Zusammenschluss nicht genehmigen würden.
2017 verhandelten sie erneut miteinander, angesichts der guten Entwicklung von T-Mobile US allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Das Management konnte allerdings keine Einigung erzielen – die Gespräche wurden daher abgebrochen. Mitte April kam es erneut zu Gesprächen, die nun zu einem Abschluss geführt haben.
Warum ist eine Fusion sinnvoll?
Telekommunikation ist ein Geschäft, in dem es auf Größe ankommt: Die Infrastruktur fürs Mobilfunknetz, also etwa Mobilfunktürme und Sendeanlagen, muss unabhängig von der Auslastung aufgebaut werden. Je mehr Kunden das Netz nutzen, desto mehr rentieren sich die Investitionen. Das fusionierte Unternehmen kann deutlich besser mithalten: Es hat mehr als 127 Millionen Kunden – Marktführer AT&T hat 156 Millionen, Verizon 116 Millionen.
Durch die Fusion werden große Teile der Infrastruktur überflüssig, weil die Kunden über ein gemeinsames Netz bedient werden, wie es in Deutschland bei E-Plus und O2 noch der Fall ist. Dadurch lassen sich die Kosten deutlich reduzieren: Sprint zahlte zuletzt pro Quartal 1,7 Milliarden Dollar für den Betrieb der Infrastruktur, T-Mobile US ähnlich viel.
Das neue Gemeinschaftsunternehmen kann doppelte Stationen abbauen und Verträge mit Betreibern von Mobilfunktürmen kündigen. Allein T-Mobile US zahlt 2,6 Milliarden Dollar im Jahr für die Nutzung der Türme.
Zudem sinken die Investitionen. Allein T-Mobile US brachte dafür zuletzt etwa vier Milliarden Euro pro Jahr auf. Dazu kamen Ausgaben für den Kauf von Frequenzen: 2017 kostete das 7,4 Milliarden, 2016 1,7 Milliarden Euro. Die Unternehmen schätzen das Synergiepotenzial durch den Zusammenschluss auf 43 Milliarden Dollar.
Warum ist die Einigung so schnell gelungen?
Bei den monatelangen Verhandlungen im vergangenen Jahr hatten beide Parteien die Bücher des anderen Unternehmens bereits ausgiebig geprüft und Marktanalysen vorgenommen. Darauf konnten sie nun zurückgreifen.
Zudem sind die Verhandlungspositionen der Parteien zuletzt noch deutlicher geworden: Zwar haben beide Unternehmen in einem schwierigen Marktumfeld an Börsenwert verloren, aber Sprint deutlich mehr als T-Mobile US. Die Telekom-Tochter war zuletzt etwa doppelt so viel wert wie der Wettbewerber, bei einer deutlich niedrigeren Verschuldung.
Und Sprint hat zwar mehr wichtiges Mobilfunkspektrum, aber nach der Auktion im vergangenen Jahr liegt auch der Wert nur rund sechs Milliarden Dollar über dem von T-Mobile US.
Zudem steht im November wieder eine Frequenzauktion an. Wenn die Unternehmen unabhängig voneinander mitbieten würden, wäre es für beide teurer. Was hinzukommt: Während der Auktion darf keine Veränderung an der Eigentümerstruktur vorgenommen werden, was eine mögliche Fusion noch einmal deutlich verschoben hätte – und damit auch die potenziellen Synergiegewinne.
Nach Informationen aus Finanzkreisen haben bei dem dritten Versuch weniger die Großaktionäre als vielmehr die jeweiligen Chefs der US-Tochter der Telekom und von Sprint das Vorhaben vorangetrieben. „Und mit dem Argument, dass man keine Zeit zu verlieren hat, vor allem die Bedenken des Sprint-Großaktionärs Softbank ausgeräumt“, heißt es.
„Alle Beteiligten haben irgendwann erkannt, dass man handeln muss und die Synergien zwischen den beiden Parteien nicht länger ungenutzt liegen lassen kann“, verlautete aus Finanzkreisen. Die Deutsche Telekom und T-Mobile wurden von den Investmentbanken Goldman Sachs und PJT Partners beraten, Sprint und Softbank dagegen von Raine und JP Morgan.
Warum war für die Deutsche Telekom die Mehrheit so wichtig?
Für die Telekom ist das essenziell: Nur wenn sie weiterhin die Mehrheit an der US-Tochter hat, darf sie in ihren Büchern den Umsatz ausweisen. Mit 35,74 Milliarden Euro erwirtschaftet das US-Geschäft schon heute 14 Milliarden Euro mehr als die deutsche Landesgesellschaft – und es wächst weiter: 2017 stieg der Umsatz um 5,9 Prozent. T-Mobile ist die Wachstumsprinzessin unter den Töchtern der Telekom und hat in den vergangenen Jahren den Aktienkurs getrieben.
Das US-Geschäft steuert bereits 47,7 Prozent des Konzernumsatzes von knapp 75 Milliarden Euro bei und 40 Prozent zum bereinigten Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda), mehr als alle anderen Töchter. Deutschland trägt 38,5 Prozent bei. Dabei steigerte T-Mobile US zunehmend auch die Profitabilität.
Gibt es auch Nachteile?
Das Verhältnis von Nettofinanzverbindlichkeiten zum bereinigten Ebitda, eine zentrale Steuerungseinheit der Telekom, wird nicht mehr im Bereich zwischen 2,0 und 2,5 liegen, wie es bisher von der Telekom vorgegeben wurde. Grund dafür ist die Vollkonsolidierung in der Bilanz, die von den Bonnern zwar unbedingt gewollt war, weil sie damit die Erfolge der Tochter in den eigenen Büchern führen darf – aber damit übernimmt sie auch die hohen Schulden von Sprint, die derzeit rund 32 Milliarden Dollar betragen, mit hinein.
Allerdings betont die Telekom bereits, dass durch die geplante starke Cashflow-Generierung der T-Mobile US in den kommenden Jahren das Verhältnis jedoch bereits 2021 wieder innerhalb des Korridors von 2,0 bis 2,5 liegen werde.
Welche Kritik gibt es?
Der Aufsichtsrat hat für die Fusion gestimmt, einzelne Mitglieder waren aber im Vorhinein skeptisch. „Bei uns stößt es auf Vorbehalte, wenn sich der Einfluss von T-Mobile US auf die Deutsche Telekom weiter erhöht“, hatte Lothar Schröder, Mitglied des Bundesvorstands der Gewerkschaft Verdi und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Telekom, dem Handelsblatt erklärt. „Es stellt sich doch die Frage, ob der Hund noch mit dem Schwanz wackelt oder ob es nicht irgendwann umgekehrt ist.“
Anstoß seiner Kritik ist zum einen der Umgang mit den Mitarbeitern: „Wie T-Mobile US mit seinen Arbeitnehmern umgeht, ist unanständig.“ Sie würden mit Druck daran gehindert, sich gewerkschaftlich zu organisieren. „Einen derartigen Einfluss auf den Konzern halten wir für falsch.“ Diesen Vorwurf hat die Gewerkschaft wiederholt vorgebracht. Die Deutsche Telekom weist ihn vehement zurück.
Zum anderen fordert Schröder einen stärkeren Fokus auf das Geschäft in Europa: „Es sollten keine Investitionen in die USA fließen, die dann hier nicht mehr für wichtige Projekte zur Verfügung stünden.“
Was sagen Analysten?
Die Analysten bewerten die Fusion deutlich positiver als die Arbeitnehmer: Robert Grindle von der Deutschen Bank erklärte vor der Ankündigung, ein Deal in den USA wäre das Sahnehäubchen auf eine ohnehin zunehmend attraktive Anlagestory – und beließ die Aktie auf „Kaufen“ mit einem Kursziel von 19 Euro.
Auch die US-Investmentbank Goldman Sachs empfiehlt die Aktie zum Kauf, auch wenn sie glaubt, dass sie mit 17 Euro derzeit richtig bewertet ist. Analyst Joshua Mills meint, der Bonner Telekomkonzern biete attraktiv bewertetes Wachstum, was allerdings vor allem auf Marktanteilsgewinne der US-Tochter T-Mobile US zurückgehe.
Wie geht es jetzt weiter?
Nun müssen drei Behörden den Zusammenschluss noch durchwinken: die beiden Kartellbehörden Federal Communications Commission (FCC) und die „Antitrust Division“ des Justizministeriums sowie der Ausschuss der US-Regierung zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen. Die beiden Schlüsselfiguren in den beiden ersten Behörden sind die Chefs Ajit Pai (FCC) und Makan Delrahim (Antitrust Division). Sie gelten beide als liberal.
Das Justizministerium kann formal keinen Einspruch gegen die Fusion einlegen, auch wenn die Unternehmen den Zusammenschluss dort anmelden müssen. Allerdings kann sie überprüfen, ob die Fusion im Sinne der Kunden ist, und dafür ausführliche Informationen von den beiden Parteien anfordern.
Ist das Ministerium nach der Prüfung der Meinung, Kunden hätten davon einen Nachteil, kann es gegen den Zusammenschluss klagen und ist in der Beweispflicht. Derartige Verfahren können sich lange hinziehen, weswegen viele Unternehmen ihre Pläne ab diesem Zeitpunkt fallen lassen.
Mitarbeit: Katharina Kort
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.