Austin Ein Interview? Mike Allen weiß von nichts, wenige Stunden vor dem angesetzten Termin in einem Café in Austin. Gerade hat der Mitbegründer der Nachrichtenseite Axios eine Diskussionsrunde bei der South by Southwest moderiert, will schon aus dem Saal laufen. „Höchstens zehn Minuten“, sagt er dann, und am besten sofort. Allen ist immer in Eile und kein Mann, der leicht zu kriegen ist. Das „New York Times Magazine“ schrieb eine ganze Geschichte darüber, wie sehr er im Weißen Haus gelesen wird. In dem Artikel klagen viele Freunde und Kollegen, wie schwer Allen zu fassen sei, der gerne plötzlich verschwinde und dann doch im richtigen Moment wieder für eine Geschichte auftauchen würde. Der 53-Jährige kam dann pünktlich zum Gesprächstermin, mit drei Kaffee in der Hand. Und er nahm sich eine halbe Stunde Zeit – in seiner Welt eine halbe Ewigkeit.
Axios ist in den USA in aller Munde. Dabei ist Ihre News-Website gerade mal 13 Monate auf Sendung. Wie erklären Sie sich das?
Wir haben ein Manifest verfasst, dessen erster Punkt lautet: Der Leser kommt zuerst, immer. Wenn es nach dem Ego des Reporters gehen würde, kämen möglichst lange Geschichten auf die Website. Die Verlagsmanager wollen die Leser mit allerlei Tricks möglichst lange auf der Website halten. Wir dachten uns: Wie wäre es, wenn wir einmal das machen, was die Leser wirklich wollen.
Was machen Sie anders?
Die Menschen wollen Information rasch, klar verständlich und auf elektronischem Weg. Unsere Geschichten sind so sauber, smart und schnell wie nur möglich. Sie sollen die Zeit, die Aufmerksamkeit und das Vertrauen des Lesers wert sein. Nach dem Präsidentschafts-Wahlkampf 2016 in den USA ist Vertrauen in Nachrichten nicht mehr selbstverständlich. Viele etablierte Medien haben an Glaubwürdigkeit verloren. Wir haben auch deshalb das Format „Fakten zählen“ entwickelt, das im Zeitalter von „Fake News“ sehr wichtig ist. Dort können Experten eine Sachlage anhand von Fakten darlegen.
Viele Artikel sind sehr kurz. Geht da nicht Substanz verloren?
Die Länge eines Artikels steht oft nicht im Verhältnis zur Komplexität oder Schwierigkeit des Themas. Nur weil er lang ist, muss es nicht heißen, dass der Autor die Thematik verstanden hat. Unser Format ist smart und bündig. Wir informieren unseren Leser, was warum vorgefallen ist. Jede Geschichte ist ungefähr so lang wie ein iPhone. Jeder kann sich schnell auf den neusten Stand bringen. Es gibt keine Klicks, alles kommt sofort und von allein hoch. Wir haben auch lange Geschichten, aber wir halten unser Versprechen: dass sie es wert sind, gelesen zu werden.
Wie kommt Axios an?
Der Erfolg ist größer, als wir gedacht hatten. Heute arbeiten bei uns hundert Mitarbeiter, und wir stellen weiter ein. Jeder ist ein Mitbesitzer von Axios, erhält Anteile an der Firma. Das ist uns wichtig.
Sie sind durch den Politik-Newsletter Playbook bei Politico bekannt geworden. Schreiben Sie auch einen bei Axios?
Ja, wir schicken jeden Morgen meinen Newsletter Axios AM heraus. Sehr früh, denn die meisten wollen sich informieren, bevor sie zur Arbeit gehen. Es sind immer zehn Themen, die Leser mögen die Knappheit und Effizienz. Sie können ihn in wenigen Minuten lesen. Wer sich genauer informieren will, der kann auf einen Link drücken und mehr erfahren, sich Grafiken ansehen.
Sie haben lange bei Politico gearbeitet, das ebenfalls ein relativ neues Medium ist. Was ist der Unterschied?
Politico kam 2007 auf den Markt. Es will den Lesern mehr Hintergrund und Wissen bieten, schneller und munterer sein. Nach zehn Jahren haben wir uns gefragt: Was hat sich in der Zeit geändert? Die Welt ist enger zusammengerückt, die Bereiche überlappen sich immer mehr: Business, Technologie, Medien, Politik. Wie kann man das den Menschen näherbringen? Wo kommen diese Welten zusammen, wo prallen sie aufeinander? Wie kann ich Silicon Valley die Politik in Washington besser verständlich machen? Beide sprechen völlig unterschiedliche Sprachen. Das Gleiche gilt für Geschäftsleute aus New York.
Wie verdienen sie Geld? Mit Werbung?
Wir wollen den Leser ins Zentrum stellen. Es gibt keine Anzeigen, wie Pop-ups oder Banner, die den Lesefluss stören. Die Werbung ist gekennzeichnet und in den Text eingefügt. Das funktioniert nach unserer Erfahrung nicht nur für den Leser, sondern auch für den Werbetreibenden am besten.
Wollen sie auch Geld von den Lesern verlangen?
Bisher sind alle unsere Inhalte und unsere Newsletter umsonst. Aber das wollen wir tatsächlich eines Tages ändern.
Wie bringen Sie Ihre Reporter dazu, sich kurz zu fassen?
Wir fragen sie: Würdest du deinen Artikel lesen, wenn du ihn nicht geschrieben hättest? Das stellt vieles klar. Wir haben die besten Journalisten, die ihr Thema so gut verstehen, dass sie es sauber und auf den Punkt aufschreiben können.
Zahlreiche namhafte Journalisten arbeiten bei Ihnen. Wie bekommen Sie die dazu, sich von etablierten Medien wie „The Wall Street Journal“ oder „New York Times“ zu verabschieden?
Sie erkennen die Zeichen der Zeit. Auch sie sehen die Transformation der Medienbranche, wollen bei dem Medium der Zukunft dabei sein.
Wollen Sie mit Axios auch nach Deutschland kommen?
Wir wollen weiter wachsen. Es gibt das Handelsblatt in Englisch, also sollte es Axios auch auf Deutsch geben.
Herr Allen, vielen Dank für das Interview.
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