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Neuer VDZ-Präsident Rudolf Thiemann Alles andere als ein Chorknabe

Rudolf Thiemann, Chef des katholischen Medienunternehmens Liborius, ist neuer Verbandspräsident der Zeitschriftenverleger – und teilt als solcher gleich gegen Google und die öffentlich-rechtlichen Sender aus.
06.11.2017 - 17:21 Uhr Kommentieren
Mit 100 Prozent gewählt. Quelle: picture alliance/dpa
Rudolf Thiemann

Mit 100 Prozent gewählt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Düsseldorf Das „Liboriusblatt“ ist nicht gerade ein publizistisches Schlachtschiff. Mit einer Auflage von gut 60.000 ist die katholische Wochenzeitung in der Nische unterwegs. Im Verlag dahinter – dem katholischen Medienunternehmen Liborius aus Hamm – arbeiten etwa 20 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Umsatz von kaum fünf Millionen Euro. Und doch gehört der Verlagschef, Rudolf Thiemann, zu den Großen in der deutschen Medienbranche. Am vergangenen Sonntag wählten ihn die Landesverbände des VDZ zu ihrem neuen Präsidenten, als fast direkten Nachfolger des langjährigen Präsidenten Hubert Burda, an dessen Seite der 62-jährige Jurist Thiemann 20 Jahre lang als Vizepräsident gedient hatte. Einstimmig, so war das Votum. Für den Gegenkandidaten Peter Böhling, Erfinder des Magazins „Clap“, gab es keine Zustimmung. „Die Wahl Rudolf Thiemanns ist ein gutes Zeichen für den VDZ und seine 500 Mitgliedsverlage – tief in unserem Geschäft verankert, politisch denkend, ausgleichend und menschlich“, kommentierte Verleger Burda den Wahlausgang schließlich. „Ihn zeichnen hohe Akzeptanz sowie politisches Geschick und Gradlinigkeit aus.“

Mit der Wahl Thiemanns hofft der Branchenverband auf eine baldige Beruhigung der Mitgliedsverlage. Nachdem der Langzeitpräsident Burda 2016 – nach 20 Jahren an der Spitze des Verbandes – sein Amt niedergelegt hatte, übernahm zunächst Stephan Holthoff-Pförtner die Führung. Doch die Ernennung des Miteigentümers der Funke Mediengruppe erregte den Unmut einiger gewichtiger Mitglieder: Gruner + Jahr, der „Spiegel“-Verlag und der „Zeit“-Verlag verließen daraufhin den Arbeitskreis der Publikumszeitschriften im VDZ. Unter Protest.

Die Kritiker sprachen über Holthoff-Pförtners Berufung als ein intransparentes Verfahren nach Art von Hinterzimmerbünden. Die Fronten waren verhärtet. Doch plötzlich ging alles ganz schnell: Nach nur acht Monaten verließ Holthoff-Pförtner den Spitzenposten beim VDZ. Der neu gewählte nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte den Rechtsanwalt des verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl Mitte 2017 als Medienminister in sein Kabinett berufen.

Nun soll der Verleger Thiemann wieder Ruhe in die aufgewühlte Branche bringen. Er gilt als Mann der Zukunft, nicht des Übergangs. Branchenkenner versichern, Thiemann sei „menschennah“, er gehe offen auf die Leute zu und sei außerdem versiert in Politik und Wirtschaft. Am Montagmorgen gegen elf Uhr hielt der frisch gekürte VDZ-Präsident auf der Fachkonferenz „Publishers’ Summit“ in Berlin seine Antrittsrede – und stellte dabei seine Angriffslust unter Beweis.

„Keiner würde abstreiten, dass freier und unabhängiger kritischer Journalismus Voraussetzung für das Funktionieren unserer Demokratie ist“, sagte Thiemann, fügte aber sogleich eine Erweiterung des Begriffs der Qualitätsmedien hinzu: „Gutes Publizieren erschöpft sich nicht allein in politisch kritischem Journalismus. Es umfasst die gesamte Bandbreite unserer Produkte.“ Der VDZ-Präsident appellierte an die Politik, den Rechtsrahmen dafür so zu bauen, dass die gesellschaftliche Relevanz der Qualitätsmedien abgesichert wird. Und das „vor dem Hintergrund der Dominanz der US-amerikanischen Plattformen und der existenziellen Aufgabe der Verleger, ihre geschaffenen Werke auch verkaufen zu können“.

Es gebe eine „Demarkationslinie, die nicht neu, aber in ihren Auswirkungen immer sichtbarer wird“, sagte Thiemann. Auf der einen Seite die Medienanbieter, auf der anderen Seite die Suchmaschinen und Plattformen. US-Konzerne wie Google und Facebook verbuchen mehr als 70 Prozent der digitalen Werbeeinnahmen. Was tun? „Ich glaube nicht daran, dass Unternehmen ihre Werbeausgaben in Zeitschriftentitel lenken, um im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Verantwortung die Demokratie zu retten“, sagte Thiemann. „Unternehmen platzieren ihre Werbung dort, wo sie effektiv und effizient ist.“ Damit positionierte sich der Pragmatiker gegen seine Kollegin Julia Jäkel, Vorstandsvorsitzende von Gruner+Jahr, die im September in einem Handelsblatt-Interview zu einem Umdenken in der Werbebranche ermuntert hatte.

Privataudienz beim Papst

Thiemann forderte ein eigenes Verlegerrecht im europäischen Rechtsrahmen, ferner eine Plattformregulierung, die einen „neutralen Zugang journalistischer Medieninhalte, ihrer Auffindbarkeit und ihrer Vermarktung sicherstellt“. Ohne den VDZ „hätte es auch keine Rekordstrafe gegen Google durch die Europäische Kommission gegeben“, betonte der Medienmanager. Im Juni hatte die EU-Kommission eine Wettbewerbsstrafe von 2,4 Milliarden Euro gegen den US-Konzern verhängt.

Doch nicht nur jenseits des Atlantiks lauern Probleme, auch in Deutschland kämpft die Medienbranche mit ihrem Umbruch. Das Stichwort heißt „Presseähnlichkeit“: Gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BVDZ) setzen sich die Zeitschriftenverleger mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinander und verlangen, dass die Länder im Rundfunkstaatsvertrag sicherstellen, dass öffentlich-rechtliche Medien von der digitalen Presse unterscheidbar bleiben.

Die Probleme, die Thiemann als VDZ-Chef angehen muss, kennt er als mittelständischer Verleger zur Genüge. Dabei hat er nicht nur mit dem digitalen Wandel der Medienindustrie zu kämpfen, sondern auch mit einer Erosion des katholischen Milieus. Thiemann führt den konfessionellen Verlag Liborius in der vierten Generation.

Nach Jura-Studium, Promotion und einem Ausbildungsprogramm im Axel Springer Verlag und beim Süddeutschen Verlag trat er 1986 der Geschäftsleitung bei und übernahm 1993 die Geschäftsführung. Fünf Jahre später war Thiemann Inhaber und Verleger der Liborius Verlagsgruppe. Das Medienunternehmen gibt drei Titel heraus, die alle nicht am Kiosk, sondern im Abonnement vertrieben werden: Neben den beiden Stammtiteln, den katholischen Wochenzeitungen „Liboriusblatt“ und „Bayerisches Sonntagsblatt“, hat Thiemann 2012 die ökumenische Wochenzeitung „Christliche Woche“ auf den Markt gebracht. Einstellen musste er 2015 das Monatsmagazin „Glauben & Wissen“. Liborius hat im Digitalen einiges vor: Ein Stellenportal startet, auf dem sich Wohlfahrtsverbände und Krankenhäuser präsentieren können. Auch eine christliche Partnerbörse ist angedacht.

Zu den Höhepunkten seiner Berufslaufbahn zählt – neben der Wahl zum VDZ-Präsidenten – vermutlich das 100-jährige Jubiläum des „Liboriusblattes“, das 1999 stattfand. Damals wurde Thiemann mitsamt der Verlagsleitung, der Chefredaktion und rund 300 Lesern von Papst Johannes Paul II. in einer Privataudienz im Vatikan empfangen.

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