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Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Rundfunkbeitrag wird rückwirkend erhöht – Verfassungsrichter kritisieren CDU-Regierung in Sachsen-Anhalt

Die Karlsruher Richter geben Beschwerden der öffentlich-rechtlichen Sender recht. Das Urteil ist eine Breitseite gegen Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff.
05.08.2021 Update: 05.08.2021 - 17:24 Uhr 12 Kommentare
Das Karlsruher Urteil ist ein schwerer Rückschlag für den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt. Quelle: dpa
Reiner Haseloff

Das Karlsruher Urteil ist ein schwerer Rückschlag für den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt.

(Foto: dpa)

München Zur ganz großen Kanone griff Reiner Haseloff (CDU). Der Ministerpräsiden von Sachsen-Anhalt sprach von einem „Demokratieproblem“ und einer „Dilemma-Situation“. Auf Wink der Regierungspartei hin hatte das Parlament in Magdeburg im vorigen Dezember einfach nicht darüber abgestimmt, ob ARD, ZDF und Deutschlandradio vom 1. Januar 2021 an 86 Cent mehr im Monat von jedem deutschen Haushalt bekommen sollten.

Das Vorhaben war damit gescheitert – obwohl alle anderen 15 Länderparlamente für die Anhebung auf 18,36 Euro gestimmt hatten.

Eine volle Breitseite für das Manöver kassierte Haseloff gestern in Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht gab den Verfassungsbeschwerden der öffentlich-rechtlichen Sender statt. Das Land Sachsen-Anhalt, so die Richter, hätten durch das Unterlassen seiner Zustimmung die Rundfunkfreiheit verletzt, was sich aus Artikel Fünf des Grundgesetzes ergebe.

Somit gelte die vorgesehene Anpassung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent mit Wirkung vom 20. Juli, dem offiziellen Tag der Urteilsverkündung – bis zu einer „staatsvertraglichen Neuregelung von ARD, ZDF und Deutschlandradio“.

Für eine funktionsgerechte Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehe eine „staatliche Gewährleistungspflicht“. Und in Zeiten „vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits“ würden die Öffentlich-Rechtlichen wichtiger, so Karlsruhe.

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Die Erleichterung im Kreis der Intendantinnen und Intendanten der Sender ist groß. Die Entscheidung „versetzt uns in die Lage, in den kommenden Jahren weiter das bestmögliche Programm für die Menschen zu machen“, erklärt WDR-Intendant Tom Buhrow, derzeit ARD-Vorsitzender. ZDF-Chef Thomas Bellut fügt an, der klare Beschluss der Richter bestätige und stärke „die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“.

Sender können jetzt mit mehr Geld rechnen

Nach dem Urteil können ARD, ZDF und Deutschlandradio mit mehr Geld rechnen. 2020 flossen 8,1 Milliarden Euro aus dem Rundfunkbeitrag, 150 Millionen davon gingen an die Landesmedienanstalten, die Aufseher des Privatfunks. Für die Zeit von 2021 bis 2024 hatte die unabhängige Kommission KEF, die das öffentlich-rechtliche Finanzwesen begutachtet, eine Finanzierungslücke von 1,5 Milliarden ausgemacht – die eben mit den 86 Cent ausgeglichen werden sollte.

Das aktuelle Urteil setzt den Medienpolitikern der Parteien einen wichtigen Rahmen. Die Länder debattieren in ihrer Rundfunkkommission seit Langem über einen neuen Medienstaatsvertrag. Als Pflichtprogramme sollen, so der aktuelle Stand, „Das Erste“, ZDF, die Dritten Programme und Arte erhalten bleiben.

Bei Spartenkanälen wie One, ZDFneo, ZDFinfo, Tagesschau24, ARD Alpha, Phoenix und Kinderkanal sollen die Sender dagegen künftig frei sein, sie wie gehabt im linearen Fernsehen oder nur im Internet oder gar nicht auszustrahlen. Angestrebt werden von der Politik „journalistische Standards“, die Sender sollen auf „Wahrheit, Sachlichkeit und Achtung von Persönlichkeitsrechten“ verpflichtet werden.

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Von der FDP kam schon der Vorschlag, die öffentlich-rechtlichen Systeme sollten sich rasch verschlanken. So fragte der liberale Experte Marcus Faber leicht sarkastisch zu Karlsruhe: „Wenn ein Vertragspartner bei der Zustimmung zu einer Vertragsänderung nicht mehr frei in der Entscheidung ist: Warum wird seine ,Zustimmung‘ dann überhaupt noch verlangt?“

Derzeit sind im Öffentlich-Rechtlichen 16 TV- und 64 Radiosender sowie etliche Apps, Mediatheken und Websites zu finden. Auch zirkulieren Ideen über eine Fusion von ARD und ZDF. Beide Systeme starteten im Vorgriff Ende Juni eine „Streaming-Offensive“: ihre jeweiligen Mediatheken bleiben eigenständig, vernetzen sich aber.

In dieser Lage macht sich die ARD mit ihrer Idee, den traditionsreichen „Weltspiegel“ vom attraktiven Stamm-Sendeplatz am Sonntagvorabend ins montägliche Nachtprogramm um 22.50 Uhr abzuschieben, erkennbar selbst das Leben schwer. Denn entgegengesetzt zu solchen Modellen erheben die Privatsender RTL und Pro Sieben auf einmal mit neuen Nachrichtenformaten selbst den Anspruch, besseres, seriöseres Fernsehen zu machen.

Im Fall Sachsen-Anhalt hatte Karlsruhe kurz vor Weihnachten Eilanträge der Intendanten und ihrer Justiziare abgelehnt: sie seien nicht gut genug begründet. ARD & Co, hatten nicht plausibel gemacht, dass die Lichter ausgehen, wenn die 86 Cent vom 1. Januar 2021 an nicht fließen – also Gefahr im Verzug ist vor dem endgültigen Urteil.

Verfassungsgericht erhöht Rundfunkbeitrag vorläufig auf 18,36 Euro

CDU-Politiker in Sachsen-Anhalt hatten monatelang das Gefühl genossen, von Magdeburg aus das verhasste öffentlich-rechtliche System gestoppt zu haben. Sie fühlten sich dabei als Vollstrecker des Bürgerwillens. Und so verfestigte sich rund um Ministerpräsident Haseloff das Gefühl, man habe nicht zuletzt wegen des Rundfunkstreits die Landtagswahl im Juni spektakulär gewonnen.

In dem Bundesland sind 100.000 Bürger mit dem Zahlen der Pflichtbeiträge für den Rundfunk im Rückstand – fast neun Prozent aller Zahler. Im Bundesdurchschnitt sind nur 7,1 Prozent aller Beitragskonten in der Mahnstufe.

In Sachsen-Anhalt erklären nun die Grünen, im Dezember 2021 noch Regierungspartei unter Haseloff, die CDU habe den Rundfunkanstalten, aber auch dem Land mit „ihrem unverantwortlichen Handeln immens geschadet“. Das Urteil aus Karlsruhe birgt Zündstoff in sich.

Mehr: Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist nur ein Luftholen für ARD und ZDF

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12 Kommentare zu "Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Rundfunkbeitrag wird rückwirkend erhöht – Verfassungsrichter kritisieren CDU-Regierung in Sachsen-Anhalt"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • "die Akzeptanz der Zuschauer": meine Akzeptanz hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk.
    Ich schaue und höre überwiegend öffentlich-rechtliche Sender.
    Es gibt zwar einige Shows und Serien, die auch ich völlig überflüssig finde (vor allem die Kreuzfahrt- und Tourismus-Werbesendungen "Traumschiff" etc.), aber andere Gebühren zahlende Menschen wollen genau so etwas (leider) sehen. Das muss man nun mal akzeptieren.

  • Statt die Spartenkanäle, sollten die Hauptkanäle abgeschafft werden !!!

    Das Hauptprogramm mit seinen nichtssagenden Politiktalks gilt als Volksverdummung erster Klasse und Gottschalk und Co. wissen warum sie wieder gewechselt sind, denn hier kann für Seichtes sehr gut abkassiert werden !!

    Es sollte nur noch ein öffentlich rechtliches Programm geben und das heißt Phönix !!!

  • Wieder ein Fall, der die Wähler in die offenen Armen der AFD schickt.!

    Die AFD wird sich bedanken.

    Das unsere Richter schon lange nicht mehr unabhängig urteilen (es gibt einige Ausnahmen)
    ist sein mind. 25 Jahren bekannt.
    Siehe auch Arbeitsgerichte.

    the stupid german

  • Mich ärgern nicht so sehr die Prachtbauten und die hohen Gehälter: wenn die Öffentlichen Anstalten wenigstens ein ordentliches Programm liefern würden, könnten es sogar ein paar Euro mehr sein. Aber statt dessen ist das zumindest auf den Hauptkanälen miserabel: Polizei- und Ärztefilmchen, schlecht erfundene Familienserien und vor allem Fußball, Fußball, Fußball, wenn nicht gerade mal Olympiade ist oder Leute Rad fahren. An Wochenenden wird ein Kanal meist sogar den ganzen Tag lang mit dergleichen im wörtlichen Sinn zugeballert.
    Dabei machen einige öffentlich finanzierte Spezialkanäle - und zuweilen sogar die Landesanstalten wie HR und WDR - ganz ansehnliche Programme. Aber man muß suchen, während man sich das bei manchen Privatsendern wie "Welt" erspart.
    Und die Ausrede, die Privaten könnten sich ja aus Werbung finanzieren, zieht nicht - die erdulde ich bei den Öffentlichen auch. Und zumindest ich habe das Gefühl, daß selbst die Werbung bei "Welt" durchaus ansehbar ist; ganz im Gegensatz zu der in ARD und ZDF.
    Also: meinethalben kann man die Zwangsgebühren behalten, aber wenigsten ein bißchen gerecht verteilen. Etwa nach dem Bildungsinhalt, wobei man Quiz-Sendungen da durchaus einbeziehen könnte. Aber die besten sind auch dort bei den Privaten oder den Landes-Anstalten.

  • Wow, in der Position möchte ich mich auch mal finden. Gerichtlich goutierte Selbstbedienung, Angebote in Übermaß schaffen, die nicht angefragt werden, aber finanziert werden müssen. Ist schon erstaunlich was unter einer Informationsgrundsversorgung verstanden wird...

  • Merkels Klatschhasen haben geurteilt. Wenn man sich die Besetzung des höchsten,angeblich unabhängigen deutschen Gerichtes ansieht kann man eigentlich nichts anderes erwarten. Genauso wird es mit den Urteilen zu Merkels volksschädigenden, gesetzwidrigen Fehlleistungen und Entscheidungen gehen. Das wurde beim gemeinsamen Abenessen alles schon im Vorfeld abgeklärt- wetten?

  • @ Herr Thomas Tschirpig: Völlig richtig. denn "dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in größtmöglicher Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet." heisst nicht auf jeden Fall teuer. Wer elgt denn fest, was "größtmöglichst" ist? Die restlichen Sender mokiereten ja, dass ohne erhöhung wesntlich gekürzt werden müsstew und das Angebot leidet. Dann ist es halt immer noch "größtmöglichst", halt mit weniger Geld.
    Schon klomisch, was unser eigentlich noch freiheitlich geprägtes System alles an Mist gebiert. Unter anderm auch eben hohe Ineffektivität besonders dann, wenn Regelungen einem Selbstbedienungsladen gleichkommen.

  • Irgendwie erwarte ich vom Handelsblatt schon eine seriöse Berichterstattung. Das gelngt in dem Artikel oben eigentlich weitestgehend. Allerdings gibts eine Satz, der die Seriostät zerstört: "Haseloff genoss die Rolle des Rundfunk-Rebellen". Das veranlasste mich heute, meine HB-Abo zu kündigen. Welche Agenda verfolgt das Handelsblatt, wenn sokche Bemerkungen geschrieben werden? Dafür gebe ich kein Geld.

  • zur verantwortlichen Mittelverwendung sagt das Gericht (www.bundesverfassungsgericht.de):

    Die Rundfunkfreiheit dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung. Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit zielt auf eine Ordnung, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in größtmöglicher Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Dabei wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. Dies gilt gerade in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits.

  • Ich ärgere mich weniger über öffentlich rechtlichen Rundfunk, oder Abgabe. Was mich ärgert ist die maßlöse Geldverschwendung, Prachtbauten (WDR), Versorgungsposten (NDR) und kein freier Journalist traut sich das wirklich auf die TItelseiten zu bringen.
    Hier versagt die 4te Gewalt leider völlig. Goldstandard im Rundfunk ist die BBC. Weltweite Reportagen und Berichte, die relevant sind. Die schaffen das mit 30% weniger Budget. Ab wann geht das bei uns ? Haben wir wirklich unsere Effizienz verloren ? Mir fehlt da einfach der Wille und das Zupacken einer ganzen Kaste an "Fernsehschaffenden im ÖFFI". Schade Sie hätten die Mittel aber entweder ist der Geist oder das Fleisch zu schwach.

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