Risiko US-Markt Bitte verkaufen, Deutsche Telekom!

In den USA gibt sich T-Mobile als Rebell – doch dieses Image wird sich abnutzen.
Bonn Die Verwunderung über diese Kombination hält an: Verizon kauft Yahoo? Die Fusion des größten US-Mobilfunkanbieters mit dem einst ruhmreichen Internetportal erscheint seltsam. Doch es gibt gute Gründe, warum Verizon diesen Schritt wagt. Die Übernahme ist spottbillig und bringt dem Mobilfunker jede Menge wertvoller Kundendaten für sein digitales Anzeigengeschäft. Das ist das offensichtliche Motiv. Im Verborgenen steckt aber hinter dem Schritt etwas, das Verizon schon länger bedrückt: die Sorge ums Stammgeschäft.
Der amerikanische Mobilfunkmarkt – nach Umsatz der größte der Welt – nähert sich nach vielen Jahren außerordentlichen Wachstums seinem Sättigungspunkt. Die Übernahme von Yahoo ist eine Reaktion darauf. Und sie sendet ein Signal, das auch dem Vorstand der Deutschen Telekom zu denken geben sollte. Bei dem Bonner Konzern ist man derzeit hochzufrieden mit der amerikanischen Tochter. T-Mobile USA wächst und wächst, überholte Sprint als Nummer drei und wird allseits für ihren Erfolg gefeiert. Die Frage ist nur: wie lange noch?
Die Penetration im amerikanischen Mobilfunkmarkt ist hoch. Rein statistisch gesehen verfügt jeder US-Haushalt über 5,3 Geräte, die mit dem Internet verbunden sind. Damit besitzt jeder Amerikaner mehr als genügend Handys, Tablets oder smarte Radios. Machte das Geschäft mit neuen Vertragskunden in den USA im Jahr 2000 rund ein Fünftel des Umsatzes aus, so nähert es sich jetzt der Nullprozentmarke an.
Auch gibt es immer weniger Gründe für den Verbraucher, sich ein neues Smartphone zuzulegen. 84 Prozent der amerikanischen Handykäufer besitzen bereits ein High-Tech-Telefon. Die Innovationen bei Smartphones verlocken mit jeder neuen Gerätegeneration weniger zum Neukauf. Sicher, die Kamera ist vielleicht besser oder der Bildschirm größer – aber deswegen ein neues Gerät kaufen?
Dazu weht ein immer schärferer Wettbewerb. Den bekommt Verizon unangenehm zu spüren: Der Marktführer verlor im ersten Quartal dieses Jahres 8.000 Vertragskunden für Mobilfunktelefonie, dem Brot-und-Butter-Geschäft der Betreiber. Den Verlust kompensiert das Unternehmen etwa mit Tablet-Verträgen. Die verkaufen sich zwar gut, sind aber bezüglich Umsatz und Gewinn nicht so interessant wie Handys.
Viele der abgewanderten Kunden landen bei T-Mobile USA. Das hört sich gut für die Deutsche Telekom an. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber die Kehrseite des Erfolgs. T-Mobile gewinnt Marktanteile durch spektakuläre Angebote wie den Verzicht auf Roaminggebühren im Ausland oder die Erstattung der Kosten beim Vertragswechsel. Lange Zeit erzielten diese Angebote hohe Aufmerksamkeit, aber die neuen Ideen wie das Verteilen von Gratisaktien verlieren an Schlagkraft und Originalität.
Letztlich sind diese Aktionen nichts anderes als Preissenkungen. T-Mobile spielt in den USA, einem der letzten hochpreisigen Märkte in der Welt, mit dem Feuer. Die Firma mit Sitz in Seattle setzt eine Preisspirale nach unten in Gang, wie sich an dem neuen Angebot von Sprint sehen lässt. Der Konkurrent verspricht T-Mobile-Kunden beim Wechsel glatt eine Halbierung der Rechnung.
Analysten geben T-Mobile in den USA noch zwei bis drei Jahre Wachstum. In der Zeit kann es seinen Kundenstamm von derzeit gut 65 Millionen auf 75 bis 80 Millionen steigern. Das verschafft der Deutschen Telekom Zeit. Aber T-Mobile wird genau wie alle anderen Anbieter an seine Grenzen stoßen.
Daher wäre es für die Telekom ratsam, den Verkauf des Zweidrittelanteils an T-Mobile USA eher früher als später anzugehen. Allerdings ist das leichter gesagt als getan. Die Marktführer Verizon und AT&T kommen aus kartellrechtlichen Gründen als Käufer nicht infrage. Vielen anderen Interessenten fehlt das Geld für ein Unternehmen, das einen Börsenwert von 37 Milliarden Dollar besitzt. Im Grunde kommt nur Carlos Slim infrage. Der mexikanische Milliardär ist hochmotiviert und hat mit seinem früheren Geschäftspartner AT&T noch eine Rechnung offen. Slim gehört mit Tracfone der fünftgrößte Mobilfunkanbieter der USA. Dieser könnte sich strategisch sinnvoll mit T-Mobile verschmelzen lassen.
T-Mobile gibt sich in den USA als „Un-Carrier“, als ein „Nicht-Mobilfunkunternehmen“. Das Rebellenimage verkörpert Vorstandschef John Legere, der gerne mit Jeans und Turnschuhen auftritt und Konkurrenten mit Kraftausdrücken belegt. Nicht nur nutzt sich das mit den Jahren ab. Ironischerweise könnte T-Mobile bald schon als reinrassiger Anbieter dastehen, während sich Verizon und AT&T in andere Geschäftsfelder vorwagen.
Ein Verkauf würde einen schönen Schlusspunkt unter die riskante und teure Akquisition von Voicestream durch die Deutsche Telekom im Jahr 2001 setzen. Die Milliarden braucht das Unternehmen für andere Märkte. Es ist an der Zeit für einen Anruf bei Carlos Slim in Mexiko-Stadt.
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