Rückgang der Besucherzahlen „Uns fehlen zugkräftige Filme“ – Deutsche Kinos rutschen immer tiefer in die Krise

Einer der wenigen Hoffnungsträger unter den deutschen Produktionen.
Wien Die Furcht der Traumfabriken vor einem wirtschaftlichen Debakel wächst: Im ersten Halbjahr blicken die Filmtheater in Deutschland auf eine ernüchternde Bilanz zurück. Die Zahl der Kinobesucher sank dramatisch, auch die Erlöse brachen ein. Mit 51 Millionen Eintrittskarten wurden über 15 Prozent weniger Tickets verkauft als im Vorjahreszeitraum.
Im gleichen Umfang sank auch der Umsatz auf nur noch 439 Millionen Euro (Vorjahreszeitraum: knapp 519 Millionen). Das geht aus der Statistik der Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin hervor.
Für die Probleme der Filmtheater sorgt insbesondere der mangelnde Nachschub an Kassenschlagern aus Hollywood. „Uns fehlen die zugkräftigen Filme“, sagte Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino und Kinobetreiber in Berlin und Dresden. „Hollywood-Filme funktionieren in Deutschland nicht mehr so gut wie in anderen europäischen Ländern.“ Jüngstes Beispiel sei der Actionstreifen „Mission Impossible 6“.
Weder Disney noch Warner Bros., Paramount, Sony oder Fox gelang es im ersten Halbjahr , Kinoknüller vom Schlag „Fluch der Karibik“ oder „Harry Potter“ zu produzieren. „Das Kinogeschäft lebt von der Attraktivität des Filmangebots, dem bislang die ganz großen Erfolge gefehlt haben“, sagte FFA-Vorstand Peter Dinges.
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Hollywood schickte in diesem Jahr bislang deutlich weniger Filme als sonst an den Start. Im ersten Halbjahr gab es nur 70 Premieren aus der Traumfabrik. Im Vorjahreszeitraum war es über ein Fünftel mehr.
Erfolgreichster Film war „Avengers: Infinity War“ mit 3,3 Millionen Besuchern. Der Superhelden-Streifen wurde von den Marvel-Studios, Tochter des weltgrößten Unterhaltungskonzerns Disney, produziert.
Die Kinos spüren zudem neue Konkurrenten wie die Videoplattformen Netflix und Amazon Prime Video.
Die US-Bezahlangebote zeigen eigene, exklusive Hollywood-Inhalte und ziehen mit großem Marketingetat immer mehr Zuschauer an. „Das ist eine enorme Herausforderung für das Kino. Hollywood-Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler fühlen sich zu den Serien besonders hingezogen. Das erzeugt beim Publikum neue Sehgewohnheiten“, sagte Produzent und Filmverleiher Herbert Kloiber (Concorde, RTL 2, Tele 5) dem Handelsblatt.
Hilfe vom deutschen Film kommt unterdessen nicht, denn der floppte in jüngster Zeit immer wieder. Unter den zehn meistgesehenen Filmen gab es lediglich drei deutsche Produktionen. Marktteilnehmer sehen einen Schuldigen: „Die deutsche Filmförderung versagt komplett“, sagte der Münchener Medienunternehmer.
„Wir haben ein gewaltiges strukturelles Problem.“ Die FFA sei ein „riesiger Wasserkopf“, der die falschen Filme fördere. „Bei der Filmförderung geht das Budget in die Produktion und nicht in die Vermarktung. Das ist ein Fehler“, kritisierte Kinobetreiber Bräuer.
Der in Hollywood gut verdrahtete Kloiber erwartet, dass in diesem Jahr die Zahl der Besucher unter die Schwelle von 100 Millionen sinken wird. 2017 gingen noch 122 Millionen Menschen in die deutschen Lichtspielhäuser. Manches Kino droht daher wirtschaftlich in die Bredouille zu geraten.
Denn die Zahl der Kinosäle hat mit über 4800 Leinwänden einen Zehnjahresrekord aufgestellt. Der durchschnittliche Bruttoeintrittspreis lag zuletzt bei 8,63 Euro. Steigerungen erwarten Marktteilnehmer nicht. „An den Preisen kann nicht mehr gedreht werden“, sagte Kloiber.
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