SAP-Finanzchef Luka Mucic: „Wir brauchen Cloud-DNA“
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SAP-Finanzchef Luka Mucic„Wir brauchen Cloud-DNA“
„Die Cloud ist in den Köpfen angekommen“: SAP-Finanzchef Luka Mucic ist davon überzeugt, dass sein Unternehmen den Wandel geschafft hat. Im Interview spricht er von zugekauftem Wissen und neuen Chancen im Mittelstand.
DüsseldorfSAP lässt keinen Zweifel daran: DasCloud Computing ist für den größten europäischen Softwarekonzern das Maß aller Dinge. Der Umsatz steht in den Zwischenbilanzen stets an erster Stelle, es gibt sogar eine neue Kennzahl, die die Entwicklung des Geschäfts in der Zukunft nachvollziehbar machen soll. Die Umstellung, hin zur IT aus der Datenwolke, war für den Konzern allerdings nicht einfach – in den letzten Jahren stemmte der Konzern mehrere Milliardenzukäufe und baute nicht mehr benötigte Posten ab. Im Gespräch mit dem Handelsblatt berichtet Finanzchef Luka Mucic, was der Konzern von den übernommenen Firmen gelernt hat und wie er künftig besser den Mittelstand erreichen will.
Herr Mucic, in den Quartalszahlen steht das Cloud Computing immer an erster Stelle. Ist SAP schon eine „Cloud Company“? Auf jeden Fall! Wir sind im Cloud-Geschäft noch nicht am Ende der Fahnenstange angekommen, wir sehen für die kommenden Jahre noch viel Wachstumspotenzial. Bis 2020 sollen fast 30 Prozent des Umsatzes aus Cloud-Diensten stammen. Aber wir sind darauf ausgerichtet, unsere Chancen zu verfolgen. Unser Vertrieb ist klar auf die Cloud ausgerichtet. In der Entwicklung gehen wir ebenfalls mit einem „Cloud First“-Ansatz vor. Die Cloud ist in den Köpfen angekommen. Das ist auch wichtig, damit die Kunden zufrieden sind – sonst kündigen sie ihre Verträge.
Ein Großteil der Umsätze stammt aber noch aus dem Lizenzgeschäft... Das Neugeschäft kommt aber sehr stark aus der Cloud: Von unseren Auftragseingängen waren es im letzten Quartal schon 40 Prozent. Es dauert nur eine Weile, bis man das in den Büchern sieht, weil der Umsatz über einen längeren Zeitraum verbucht wird. Auch in absoluten Zahlen sind wir schon nah dran am Lizenzgeschäft.
Von Success Factors bis Concur: Wie helfen die Übernahmen der letzten Jahre bei der Transformation? Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Neben den Lösungen haben wir auch Kompetenzen eingekauft. Mit Steve Singh, der über die Akquisition von Concur zur SAP gekommen ist, haben wir nun einen Cloud-Experten im Vorstand. Es ist wichtig, dass wir im Topmanagement und auf den unteren Ebenen Leute mit Cloud-DNA haben.
Die Akquisitionen haben auch die kritische Masse erzeugt, um andere Mitarbeiter der SAP stärker für das Cloud-Modell einzunehmen, vor allem in der Entwicklung. Wir sind ja bereits vor zehn Jahren in die Cloud gegangen, waren aber nicht sehr erfolgreich dabei, uns das Know-how selbst zu erarbeiten. Mit unseren neuen Kollegen sind wir jetzt an dem Punkt, dass wir erfolgreich selbst entwickelte Cloud-Lösungen am Start haben.
SAP galt früher nicht als die agilste Organisation. Haben die Zukäufe das nötige Tempo gebracht? Es ist wichtig zu verstehen, was die Cloud-Entwicklung ausmacht. Es gibt rasche Innovationszyklen. Entwickler denken in kleineren, aber schnelleren Schritten. Die Lösungen müssen aber auch einfacher und billiger sein – dafür muss man so weit wie möglich Komplexität herausnehmen. Da sind wir ein deutliches Stück weiter – und das gesamte Unternehmen profitiert davon: Bei klassischer Software haben wir inzwischen halbjährliche Veröffentlichungszyklen. Wir sind also auch im Kerngeschäft schneller geworden.
Investitionen in die Cloud
SAP setzt auf das Geschäft mit dem Cloud Computing, viele Kunden setzen jedoch noch andere Prioritäten. Das geht aus einer Umfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) hervor.
Für viele SAP-Kunden stehen Konsolidierung und Harmonisierung der IT an erster Stelle. 28 Prozent der Befragten wollen darauf ihr Hauptaugenmerk richten, weitere 28 Prozent planen mittlere Investitionen.
Die Cloud spielt noch eine geringe Rolle: Auf Dienste wie Success Factors, Concur oder Ariba wollen drei Prozent die Haupt- und zehn Prozent mittlere Investitionen lenken. Auf die Hana Cloud Platform setzen nur drei Prozent insgesamt.
Das ist allerdings kein Misstrauensvotum gegenüber Cloud Computing. Die DSAG weist darauf hin, dass für Investitionen lange Planungszeiträume gelten - die Einführung solcher Systeme braucht also Zeit.
Selbst in den USA, dem Mutterland des Cloud Computing, lassen viele Unternehmen Vorsicht walten. Das zeigen Umfragen der Nutzergruppe American SAP User Group (ASUG).
Bei geschäftskritischen Daten sind die US-Unternehmen zurückhaltend: Erst 6 Prozent speichern bislang Finanzdaten in der Cloud. In einer anderen ASUG-Umfrage erklärten aber 21 Prozent, bereits Cloud-Personallösungen zu nutzen.
Viele deutsche Kunden sind noch zurückhaltend: Die Deutsche SAP-Anwendergruppe DSAG hat ermittelt, dass 87 Prozent der Kunden keine oder nur geringfügige Investitionen in die Cloud planen. Dieses Bild beginnt sich zu drehen. Der Trend hat in den USA begonnen, in Europa und Deutschland kommt er später zum Tragen. Wir haben hier erhebliche Wachstumsraten, gerade in Deutschland haben wir einen sehr hohen Auftragseingang im Cloud-Geschäft, es wird sehr bald unser zweitgrößter Cloud-Markt sein.
Wir müssen aber daran arbeiten, die Vorteile noch besser herauszustellen. In Deutschland gibt es Vorbehalte in Bezug auf Datenschutz und Datensicherheit. Da ist SAP schon lange ein verlässlicher Partner. Mit unserem Angebote „EU Access“ können Kunden ihre Daten innerhalb der EU halten. Das gibt uns ein Herausstellungsmerkmal gegenüber unseren amerikanischen Wettbewerbern.
Die Cloud mit ihren standardisierten Services bietet eine Chance, den Mittelstand zu gewinnen – aber das gelingt SAP bislang noch nicht so. Woran hakt es noch? Wir sehen in der Tat eine große Gelegenheit. Der Mittelstand war für die SAP bislang vielleicht nicht das größte Fokusthema, aber deshalb kümmert sich der Vorstand jetzt mit einer dedizierten Organisation unter Steve Singh darum. Wir bringen eine Cloud-Suite für den Mittelstand an den Start. Die wesentlichen Bausteine dafür haben wir, zum Beispiel die Geschäftsnetzwerke Ariba und Concur, Lösungen fürs Personalwesen und das ERP-Paket Business By Design…
… mit dem kleine und mittlere Unternehmen ihre Prozesse und Finanzen steuern können. Bislang war das allerdings nicht sehr erfolgreich. Mittlerweile hat die Lösung guten Erfolg beim Kunden, aber das Geschäft kann noch erheblich größer werden. Grundsätzlich gilt: Wenn wir eine konsolidierte Suite für den Mittelstand herausbringen, haben wir in den nächsten Jahren schöne Wachstumsaussichten.
Bei der Cloud-Infrastruktur tobt ein harter Wettbewerb. Amazon, Microsoft und Google kämpfen um die Kunden. Was bedeutet das für SAP? Wir sind auf einer anderen Ebene unterwegs: Wir stellen keine reine Infrastruktur zur Verfügung – da wären die Erfolgsaussichten auch nicht gut, weil die anderen Anbieter mit ihren riesigen Serverfarmen Größenvorteile haben. Wir sehen unseren Mehrwert in zugeschnittenen Lösungen, zum Beispiel beim Application Management von SAP-Software. Diese laufen auf den großen Plattformen. Der Preiskampf hat für uns einen Vorteil: Je günstiger reine Infrastruktur wird, desto günstiger werden auch unsere Systeme für unsere Kunden.
An diesen Projekten arbeitet SAP
Für Systemadministratoren ist es eine leidige Routine. Sie müssen regelmäßig die Programme auf den Firmenrechnern aktualisieren, um Fehler auszubessern und Sicherheitslücken zu schließen. Diese Prozedur lässt sich jedoch abkürzen: mit Software aus der Cloud, die Mitarbeiter meist einfach im Browser öffnen. Dabei greifen sie automatisch auf die aktuelle Version zu, ganz ohne Updates.
Der Anbieter wie etwa Microsoft kümmert sich nicht nur um die Pflege, sondern auch um die komplette Administration und erleichtert der IT-Abteilung der Kunden so die Arbeit. Neue Produkte lassen sich schnell einführen. Und die Programme sind überall verfügbar, wo es eine Internetverbindung gibt. Experten sprechen von Software as a Service (SaaS).
Immer mehr Programme werden inzwischen als SaaS-Dienst angeboten, vom Office-Programm bis zur Kundendatenbank, auf die Vertriebler unterwegs mit dem Smartphone zugreifen können. Das Prinzip funktioniert dort, wo sich betriebswirtschaftliche Abläufe ähneln. Software as a Service setzt sich immer mehr durch. Der Markt wachse in diesem Jahr um 20 Prozent auf knapp 38 Milliarden Dollar, schätzt das IT-Analysehaus Gartner. Der Trend werde in den kommenden Jahren anhalten: Kaum ein Softwarehersteller ignoriert die Cloud.
Millionen von Zuschauern entspannen sich bei Serien und Filmen von Netflix. Die Online-Videothek verschickt riesige Datenmengen durch die Netze, hat aber kein eigenes Rechenzentrum – die Dateien liefert die Amazon-Sparte AWS aus. Das Beispiel zeigt: Unternehmen brauchen heute keine eigene IT-Infrastruktur mehr. Speicherplatz und Netzwerkkapazitäten können sie über die Cloud mieten. Auch Rechenleistung gibt es aus dem Netz. Infrastructure as a Service (IaaS) nennen das Experten.
Für die Kunden bedeutet das mehr Flexibilität. Wenn etwa ein Start-up schnell wächst, mietet es einfach Kapazitäten hinzu. Netflix konnte seinen Dienst von einem Tag auf den anderen in 130 neuen Ländern anbieten, den Speicher mietete das Unternehmen. Eine Armee von Rechensöldnern ist mit wenigen Mausklicks einsatzbereit. Unternehmen zahlen für genutzte Kapazitäten – abgerechnet wird auf die Minute genau. Durch den Wettbewerb sinken die Preise massiv.
Marktführer Amazon startete sein Cloud-Geschäft vor zehn Jahren. Im ersten Quartal lieferte die Sparte einen Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar und ein operatives Ergebnis von 600 Millionen Dollar – dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum. Für die Anbieter sind die Aussichten blendend: Der Markt wächst nach Einschätzung von Gartner dieses Jahr um 38 Prozent auf 22,4 Milliarden US-Dollar.
Von der Idee bis zur App in wenigen Wochen: Nie war es leichter, ein Start-up zu gründen. Eine große Hilfe ist das Cloud-Computing. Entwickler bekommen im Netz nicht nur Rechenleistung und Speicherplatz, sondern auch Programmierwerkzeuge, die die Arbeit wesentlich erleichtern. Fachleute sprechen von Platform as a Service (PaaS) – ein Konzept, das weiter gefasst ist als Infrastructure as a Service (IaaS).
Wer sich die Plattformen anschaut, fühlt sich an einen Baukasten erinnert. Entwickler können mit ein paar Mausklicks eine Datenbank einrichten, Daten auswerten oder Code auf Fehler prüfen. Und bei Bedarf schalten sie ohne großen Aufwand mehr Server hinzu. Für viele Anwendungen braucht es noch nicht einmal Programmierkenntnisse.
Zu den Vorreitern zählt der US-Konzern Salesforce, der seine Plattform 2006 für externe Entwickler eröffnete. Amazon und Microsoft rüsten ihre Plattformen immer weiter auf. Auch SAP will mit der Hana Cloud Platform den Entwicklern die Möglichkeit geben, an die eigenen Programme anzudocken.
Der Markt wächst nach Einschätzung von Gartner in diesem Jahr um 21 Prozent auf 4,6 Milliarden Dollar. Trotz des vergleichsweise geringen Umsatzes ist er für Amazon, Microsoft, Google, IBM und Salesforce enorm wichtig: Über ihre Plattformen locken sie Entwickler an, die die Infrastruktur mit Rechenleistung und Speicher nutzen – ein viel größeres Geschäft.
Allerdings konkurrieren Sie durchaus in einigen Bereichen mit IBM und Microsoft. Das ist in unserer Industrie nicht ungewöhnlich. IBM war schon immer in manchen Bereichen ein Partner, in anderen ein Wettbewerber. IBM und Microsoft könnten sich auch beschweren, dass wir mit Hana eine eigene Datenbank entwickeln. Aber wir alle können mit so was umgehen. Am Ende geht es um das, was die Kunden erwarten.
Sie bieten mit der Hana Cloud Platform Entwicklern die Möglichkeit, eigene Cloud-Anwendungen zu schreiben, die auf SAP-Systeme zugreifen. Das Projekt kommt allerdings langsam in die Gänge. Wir sehen von einer moderaten Basis aus großes Wachstum. Inzwischen setzen strategische Partner stark auf die Hana Cloud Platform, wie zum Beispiel Siemens mit einer Plattform fürs Internet der Dinge. Und Apple ermöglicht Entwicklern, Apps zu entwickeln, die an unsere Systeme angeschlossen werden können. Wir sind vielleicht später dran als andere, aber wir haben einen Vorteil: Wir haben mit unserer Datenbank Hana eine überlegene Technologie. Gerade im SAP-Umfeld können wir den Markt rasch für uns einnehmen.
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