Snapchat-Gründer Evan Spiegel Evan, der Machtbewusste

Er will sich nicht von seinen Aktionären reinreden lassen.
San Francisco Evan Spiegel liebt es, wenn Silicon Valley ihn unterschätzt. Als die ersten Dandy-Bilder vom Chef der Foto-App Snapchat in der italienischen Ausgabe von „Vogue“ erschienen, da amüsierte sich die Tech-Szene über den Neuling aus Los Angeles. Zwischen San Francisco und Mountain View setzten alteingesessene Investoren und Gründer darauf, dass der Teenieschwarm im Pelzmantel von Burberry und mit Hündchen auf dem Arm ebenso schnell von selbst wieder verschwinden würde wie die Schnappschüsse in seiner App.
Heute glaubt das niemand mehr. Der Ex-Stanford-Student hat mit seiner Knipser-Idee revolutioniert, wie Menschen in sozialen Netzwerken kommunizieren. Statt Fotos auf ewig zu konservieren wie bei Facebook, Instagram oder Twitter, sind die „Snaps“ bei Snapchat nicht für die Ewigkeit bestimmt. Der Umgangston auf der Plattform mit dem Gespenst als Logo ist deshalb leicht, spielerisch und ein bisschen verrückt. Deshalb wächst die Reichweite von Snapchat rasant.
Vor dem Börsengang seines Start-ups stellt Spiegel nun erneut unter Beweis, dass er weit mehr ist als ein verwöhnter Millionärssohn, der zufällig berühmt wurde. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, will der 26-Jährige sicherstellen, dass er auch künftig den Einfluss in der Firma behält. Derzeit besitzen Spiegel und Co-Gründer Bobby Murphy 45 Prozent an Snap Inc. Beim Debüt an der Wall Street, das bereits im März stattfinden könnte, will das Management nun offenbar nur stimmrechtslose Vorzugsaktien an neue Investoren ausgeben und mit einem Anteil von 70 Prozent die Geschicke der Firma auch künftig selbst steuern.
Der selbstbewusste Schritt passt zu dem Jungunternehmer. Er hatte bereits 2013 ein lukratives Angebot von Mark Zuckerberg abgelehnt. Der Facebook-Chef wollte Snapchat für drei Milliarden Dollar kaufen, um den Konkurrenten vom Markt zu nehmen, so wie zuvor bereits WhatsApp und Instagram.
Kein Wunder, ist doch die Foto-App besonders begehrt bei den jungen Nutzern, die nicht befürchten müssen, dass peinliche Schnappschüsse sie später im Leben verfolgen. Nach den letzten offiziellen Angaben des Unternehmens rufen Snapchat bereits weit mehr als 150 Millionen Nutzer täglich auf, die App ist damit beliebter als Twitter.
Snapchat gilt längst als einer der wichtigsten Aufsteiger aus der Tech-Szene und als härtester Facebook-Konkurrent. An der Wall Street könnte das Unternehmen bis zu 25 Milliarden Dollar wert sein. Es wäre der größte Börsengang seit dem des chinesischen Onlineriesen Alibaba im September 2014.
Den Einfluss von Investoren und Aktionären zu beschneiden gehört im Valley inzwischen fast schon zum guten Ton. Snapchat-Konkurrent Mark Zuckerberg hatte seine Macht mit einem ähnlichen Schritt gesichert. 2016 teilte er bei Facebook den Aktionären anstelle einer Dividende pro Anteilsschein zwei neue, stimmrechtslose Aktien (Class C) zu.
So konnte der Facebook-Chef zwei Drittel seiner Aktien, die C-Scheine, schon einmal in die von ihm geplante Stiftung auslagern, ohne Macht zu verlieren. Das Ehepaar Zuckerberg hatte bei der Geburt von Tochter Max angekündigt, langfristig 99 Prozent der eigenen Aktien in die stiftungsähnliche Firma „Chan Zuckerberg Initiative“ auszulagern, die sich wohltätigen Zwecken widmen soll. Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin hatten ebenfalls zu einem Aktiensplit gegriffen, die Anzahl der Aktien zu erhöhen.
Ein Börsengang von Snap könnte auch andere Start-up-Unternehmen im Silicon Valley motivieren, an die Börse zu gehen. Dort waren Börsengänge im vergangenen Jahr rar gesät. 2016 gilt als das schlechteste Jahr seit 2008. Außer Twilio, einem IT-Anbieter aus San Francisco, wagte kaum eines der „Einhörner“, wie das Valley Start-ups mit einer Bewertung jenseits der Milliarde nennt, das Wall-Street-Debut. Als mögliche Kandidaten gelten der Fahrservice Uber, der inzwischen mit fast 70 Milliarden Dollar bewertet wird, Wohnvermittler Airbnb oder das Big Data-Start-up Palantir.
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