Technologie-Sektor Deutsche Tech-Firmen sind bei Milliardenbewertungen auf dem Vormarsch

Ihr Unternehmen gehört zu den 50 wachstumsstärksten Tech-Unternehmen Europas. Outfittery ist erfolgreich mit personalisierten Kleiderpaketen.
Düsseldorf, Berlin Aaron Auld greift gern zu einem Bild, um zu erklären, was seine Firma Exasol macht. Die Datenströme in den Unternehmen seien so etwas wie deren Lebensadern – und die Datenbank, in der diese Informationen gespeichert und verarbeitet werden, sei das Herz.
Seit dem Jahr 2000 arbeiten die Entwickler bei Exasol in Nürnberg mit ihrem Datenbanksystem daran, die Herzen ihrer Kunden schneller schlagen zu lassen. Inzwischen zählen Namen wie Daimler, Adidas und Arvato dazu. Man kann die Software in der Cloud nutzen, muss es aber nicht – vielen deutschen Kunden sei es wichtig, dass die Daten auf den eigenen Servern blieben, erklärt Firmenchef Auld.
Zu den Konkurrenten zählt SAP mit der Datenbank Hana, aber auch Snowflake mit einem System in der Cloud. Das US-Unternehmen wird inzwischen zu den Einhörnern gezählt – als Start-up mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar also.
Auch Exasol befindet sich auf dem Weg in diese Richtung: Die Plattform Tech Tour, ein Zusammenschluss führender europäischer Kapitalgeber, hat die Firma gerade in die Liste der 50 am schnellsten wachsenden wagniskapitalfinanzierten Technologieunternehmen in Europa aufgenommen.
Den Herausgebern zufolge haben diese 50 das Potenzial, bald auf eine Bewertung von einer Milliarde US-Dollar zu kommen und damit zu den europäischen Einhörnern zu gehören – wie etwa die Berliner Onlinebank N26, die diesen Status kürzlich erreicht hat.
In die Liste, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, haben es 13 deutsche Unternehmen geschafft. Ihre Geschäftsmodelle sind höchst unterschiedlich, von Cloud&Heat, einem wachstumsstarken Anbieter von wassergekühlten Rechenzentren über die Buchungsplattform Get Your Guide bis zum Solarstromanbieter Sonnen.
Deutschland liegt damit vor der Schweiz und Frankreich mit neun und acht Firmen. Zurückgefallen ist Großbritannien, das dieses Mal mit nur vier statt 17 Start-ups präsent ist.
Großteil des Geldes fließt in Großbritannien
Galt Europa lange Zeit als abgeschlagen in Sachen Technologie-Start-ups, scheint der Kontinent nun aufzuholen. Das prognostizierte jüngst auch der Wagniskapitalfinanzierer Atomico in einer groß angelegten Studie. Demnach haben 61 europäische Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren eine Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar erreicht, davon allein 17 im vergangenen Jahr.
Für Investoren wird der Kontinent immer attraktiver: 2018 beliefen sich die Tech-Investitionen in Europa auf 23 Milliarden Dollar. 2013 waren es erst fünf Milliarden. Der Großteil des Geldes fließt immer noch nach Großbritannien. Deutschland liegt traditionell auf Platz zwei. Etwas mehr als vier Milliarden Dollar wurden 2018 in deutsche Tech-Unternehmen investiert – 35 Prozent mehr als noch 2017.
Allein die von Tech Tour ausgewählten 50 Unternehmen haben insgesamt mehr als 3,6 Milliarden Dollar Eigenkapital von 428 Investoren gesammelt. Der durchschnittliche Unternehmenswert erreichte dabei 456 Millionen Dollar.
Ohne fremdes Kapital ist es schwer, in die Einhorn-Liga aufzusteigen: „Wenn man wirklich wachsen will, reicht es nicht, die Überschüsse zu reinvestieren“, sagt Exasol-Chef Auld.
Seit 2016 wächst sein Unternehmen profitabel. Der Umsatz liegt bei rund 20 Millionen Euro. Jetzt soll das Unternehmen mit 140 Mitarbeitern den nächsten Wachstumsschritt machen – dafür sucht Auld gerade Investoren.
Große Finanzierungssummen sind selten
Große Summen von mehr als 50 Millionen Euro, die fürs Wachstum oft nötig sind, finden deutsche Gründer nach wie vor selten auf ihrem Heimatmarkt. Die deutsche Wagniskapital-Szene sei vor allem im Wachstumssegment überschaubar und steht „in keinem Verhältnis zur Größe unseres Bruttoinlandprodukts“, sagt der Investmentbanker Falk Müller-Veerse.
Er ist Partner der auf Wachstumsunternehmen spezialisierten Investmentbank Bryan Garnier & Co. und leitet die Auswahlkommission der Tech-Tour-Liste. 76 Prozent der 50 ausgewählten Firmen hätten mindestens einen US-Investor, so Müller-Veerse. Nur rund 13 Prozent des Geldes komme aus Deutschland, den größten Teil brächten internationale Technologieinvestoren mit.
Auch beim Energieversorger Sonnen aus dem Allgäu stammen von den acht Investoren nur zwei aus Deutschland. Das Unternehmen produziert Batterien für Photovoltaikanlagen. So können Haushalte mit Solarzellen auf dem Dach die Energie für Zeiten speichern, in denen die Sonne nicht scheint.
30.000 Haushalte sind inzwischen angeschlossen. Bis zu einer Umsatzmarke von zehn Millionen Euro ist Gründer Christoph Ostermann, der unter anderem bekannt wurde, weil er ehemalige Tesla-Manager angeheuert hat, ohne Kapital ausgekommen. Doch dann kam das Wachstum.
2017 hat das Unternehmen rund 65 Millionen Euro umgesetzt – und bislang insgesamt 160 Millionen Euro Wachstumskapital erhalten. Die größten Investoren sind Shell, GE Ventures und der chinesische Energieversorger Envision Energy. Geht es nach Ostermann, ist die Wachstumsgeschichte hier aber noch lange nicht zu Ende. Er strebt einen Börsengang an, wenn auch nicht kurzfristig: „Das ist auch wichtig, für den Reifeprozess“, ist der Gründer überzeugt.
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Hallo an die Autoren des Artikels. Mich würde brennend interessieren nach welchen die Medtech/Biotech-Unternehmen in die Liste aufgenommen wurden ? Gibt es dazu irgendeine Information.