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United-Internet-Chef Dommermuth „Die Internetrevolution betrifft nicht nur die Musikbranche“

1&1, GMX und web.de gehören zu seinem Imperium: Im Interview spricht United-Internet-Chef Ralph Dommermuth über seine neue Internetstiftung, schläfrige Politik und die Marktmacht von US-Konzernen wie Facebook und Google.
17.04.2016 - 16:51 Uhr
Unternehmer Dommermuth: „Die Macht marktbeherrschender Plattformen hat gerade in jüngster Zeit dramatisch zugenommen.“ Quelle:
Ralph Dommermuth

Unternehmer Dommermuth: „Die Macht marktbeherrschender Plattformen hat gerade in jüngster Zeit dramatisch zugenommen.“

(Foto:  )

Sein Imperium führt Ralph Dommermuth aus seiner Heimatstadt Montabaur heraus: United Internet. Dazu zählen 1&1, GMX und web.de. Neuerdings zieht es den 52-Jährigen aber immer häufiger nach Berlin. Der Grund: Er möchte auch politisch aktiver werden.

Herr Dommermuth, am Montag wollen Sie in Berlin gemeinsam mit anderen Unternehmern den Start einer neuen Internetstiftung verkünden. Welches Ziel verfolgt die Einrichtung?
Die deutsche Parteienlandschaft ist sich mittlerweile ja relativ einig: Wir machen hierzulande noch immer viel zu wenig aus den Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben. Unsere Politiker haben realisiert: Die Internetrevolution betrifft eben nicht nur Verlage oder die Musikbranche, sondern demnächst auch Maschinenbau und Autoindustrie, also das klassische Herz der hiesigen Wirtschaft. Da wollen wir Politik und Öffentlichkeit informieren, Ideen entwickeln und Sparringspartner sein. Wir dürfen nicht länger darauf warten, dass andere den Rahmen setzen. Wir müssen selbst aktiv werden.

Was kann Ihre Internet Economy Foundation, was andere Thinktanks nicht können?
Wir wollen die enormen Wandlungsprozesse positiv begleiten, indem wir unser Praxis-Know-how einbringen. Das unterscheidet unsere Beiträge von anderen, oft eher theoretisch geführten Debatten.

Ein Beispiel, bitte!
Nehmen Sie die Vertikalisierung von Geschäftsmodellen unter Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Vor einigen Jahren gab es das schon mal, als Microsoft seinen Internet-Explorer fest mit seinem Betriebssystem verknüpft hatte. Die EU schritt damals ein, Microsoft musste eine hohe Strafe zahlen. Der Marktanteil des Explorers rutschte daraufhin von über 90 auf heute noch rund 15 Prozent. Daran erkennt man, dass der Microsoft-Browser eben nicht der beste war, sondern nur das Produkt mit der größten Marktmacht. Solche Fehlentwicklungen sind bei marktbeherrschenden Internetplattformen heute gang und gäbe. Sie müssen korrigiert werden, damit alle Marktteilnehmer eine Chance haben.

Auf den Missbrauch solcher Marktdominanz gäbe es zwei Antworten: Man schränkt die Angreifer ein und erlässt neue Gesetze. Oder man befreit die hiesige Internetwirtschaft von deutschen und europäischen Regeln.
Die Forderung nach mehr Freiheiten für die Wirtschaft ist oft der richtige Weg, aber leider nicht mehr zielführend in einer Welt, in der wir gegenüber ausländischen Konzernen, vor allem aus den USA, schon so weit in Rückstand geraten sind. Die Idee hätten wir vor 20 Jahren haben müssen, bevor wir uns in Stellungskriegen um Datenschutz, Wegfall von Verlustvorträgen, Kartellrecht und anderes verzettelt haben. Das hiesige Recht muss aktualisiert werden. Vor allem aber muss es für alle Akteure gleichermaßen gelten, unabhängig vom Firmensitz.

Hat sich denn nichts verändert?
Einiges ist auf den Weg gebracht worden. Wir begrüßen Initiativen wie einen einheitlichen europäischen Datenschutz und die Schaffung eines Digital Single Markets. Leider wird über diese Themen schon seit Jahren beraten, und sie sind immer noch nicht abgeschlossen. In der Zwischenzeit werden Tag für Tag Fakten geschaffen. Ein gutes Beispiel ist Googles Android-Betriebssystem, das den weltweiten Smartphone-Markt dominiert. Wer es nutzen will, braucht Apps aus dem Google-App-Store. Ein normaler Nutzer muss sich dazu einen Google-Account anlegen, zu dem er zwingend eine Google-Mailadresse benötigt. Anschließend wird er anhand des Accounts bei der Nutzung aller Google-Dienste identifiziert. Die so entstehenden Daten werden zu einem dichten persönlichen Profil verknüpft.

Da konkurrieren Sie als Anbieter von web.de oder GMX ganz direkt mit den Amerikanern. Sie sind also Partei.
Wir alle in der Stiftung sind in erster Linie Unternehmer und Praktiker. Wir wissen, worüber wir sprechen.

Wen haben Sie noch mit im Boot?
Im Beirat sitzen neben mir Oliver Samwer von Rocket Internet, die Risikokapitalgeber Kolja Hebenstreit von Team Europe und Klaus Hommels von Lakestar, der Ex-Telekom-Chef und heutige Warburg-Pincus-Partner René Obermann sowie Zalando-Gründer Robert Gentz – alles Fachleute. Gemanagt wird die Stiftung von Friedbert Pflüger, der international vernetzt und mit digitalen Fragen bestens vertraut ist. Er ist auch Gesicht und Kopf der Stiftung.

Ihre Branche hielt sich auffallend lange mit politischen Statements zurück. Warum eigentlich?
Wir hatten rund um die Uhr mit dem Aufbau unserer Firmen zu tun und haben uns mit hohem Kraftaufwand durchgekämpft. Ich selbst zum Beispiel bräuchte heute kein Wagniskapital mehr. Aber ich sehe immer wieder die Notwendigkeit, dass für Start-ups bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, insbesondere wenn es um die Anschluss- und Wachstumsfinanzierung nach der Startphase geht. Zudem hat die Macht marktbeherrschender Plattformen gerade in jüngster Zeit dramatisch zugenommen.

Ist der Kampf gegen US-Riesen wie Google, Amazon, Facebook, Apple und Co. nicht längst verloren?
Alles ist veränderbar. Wie schnell das bei digitalen Geschäftsmodellen gehen kann, zeigen ja Firmen wie Netflix, Airbnb oder Uber. Aber dazu müssen wir uns eben auch selbst bewegen.

Gefordert werden in einem ersten Positionspapier Ihrer Stiftung unter anderem Netzneutralität, ein schnellerer Ausbau der digitalen Infrastruktur und ein zeitgemäßes Kartellrecht. Warum ist die Politik da so behäbig?
Gerade auf europäischer Ebene dauert die Abstimmung leider sehr lange. Das scheint mir das Hauptproblem zu sein. Dazu kommt, dass jedes Mitgliedsland anschließend das in langwierigen Abstimmungsprozessen Beschlossene in nationales Recht umsetzen muss und es dabei Interpretationsspielräume gibt. Dabei wäre dieser europäische Markt mit seinen 500 Millionen Bürgern so spannend – wenn er nicht zugleich derart zersplittert wäre.

Müsste die Stiftung dann nicht eher in Brüssel aktiv werden?
Natürlich sind wir auch auf EU-Ebene aktiv. Aber je stärker wir Europa adressieren, umso größer ist die Gefahr, dass deutsche Politiker auf Brüssel warten. Deswegen ist der Dialog mit Berlin ebenso wichtig, auch wenn die Zuständigkeiten dort zerfasert sind. Alexander Dobrindt kümmert sich um die Netze, Sigmar Gabriel um die Regulierung, Johanna Wanka um Bildung und Forschung, Innenminister Thomas de Maizière treibt der Datenschutz um, Justizminister Heiko Maas ein generelles Sicherheitskonzept. Selbst Kanzleramtsminister Peter Altmaier ist mitunter aktiv.

Bräuchte es ein Ministerium für Digitales?
Ich finde schon. Ein Internetminister könnte die verschiedenen Themenbereiche sinnvoll bündeln und klare Ziele verfolgen. Wir haben in Deutschland auch andere wichtige Themen wie etwa „Umwelt“ mit eigenen Ressorts besetzt. Es gab sogar schon mal ein Atom-Ministerium. Nichts verändert die Welt derzeit mehr als das Internet – warum also nicht ein Digitalministerium gründen?

Hat Europa eigentlich auch Vorteile gegenüber den USA?
Heute leider nicht. Außer vielleicht einen besseren und demnächst hoffentlich auch einheitlichen Datenschutz, mehr fällt mir auf Anhieb nicht ein. Ihnen?

Hierzulande wird an Neuem zwar länger, aber auch präziser getüftelt.
Das mag für klassische Industrien wie den Maschinenbau sinnvoll sein. Im Internet ist Schnelligkeit alles. Von Start-ups konnten wir lernen, dass es mehr bringt, mit nicht ganz ausgereiften Produkten schon mal den Markt zu testen, als zuzuschauen, wie dieser Markt in kürzester Zeit von anderen erobert und aufgeteilt wird.

Auch Sie sind heute politisch präsenter als früher. Wie kommt’s?
Ich hatte in den letzten Jahren gelegentlich Treffen mit deutschen und europäischen Spitzenpolitikern. Irgendwann merkte ich, dass andere Unternehmen politisch viel aktiver sind. Auch von hiesigen Parteienvertretern hörte ich: „Die Einzigen, die schnell etwas liefern, wenn man mal nach einem Papier fragt, sind die Leute von Google.“ Also müssen Unternehmer wie ich wohl auch mehr tun.

Zuletzt initiierten Sie die Kampagne „Wir zusammen“ für mehr Integration von Flüchtlingen in Wirtschaft und Gesellschaft. Wie sieht dort Ihre Zwischenbilanz aus?
Die Kampagne wird öffentlich gut wahrgenommen. Und fast täglich kommen neue Unternehmen hinzu, mittlerweile sind es über 60. Zumeist sind es große Firmen. Kleine und mittlere Unternehmen fragen häufig an, wie sie helfen können, tun sich mit der Präsentation auf unserer Plattform aber oft noch schwer.

Sie wollen mit der Initiative „Haltung zeigen“. Wie beurteilen Sie die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung, was die Flüchtlingsfrage angeht?
Das Thema tritt derzeit ein bisschen in den Hintergrund, weil die Zahl der Neuankömmlinge zurückgeht. Deutschland kann wirklich stolz darauf sein, was es in kurzer Zeit gestemmt hat und was es auf internationaler Bühne politisch erreicht hat – das hätte kein anderes europäisches Land in diesem Umfang geschafft. Aber die Integrationsarbeit geht jetzt erst los.

Herr Dommermuth, vielen Dank für das Interview.

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