Valley Voice Das Recht, schlecht Auto zu fahren

Britta Weddeling, Korrespondentin des Handelsblatts im Silicon Valley, berichtet über neue Trends und den digitalen Zeitgeist im Tal der Nerds.
Ich war immer schon eine schlechte Autofahrerin. Und mit „schlecht“ meine ich: richtig, richtig schlecht. Die andere Sache, die ich nicht kann, ist, mit der einen Hand auf den Kopf zu klopfen während die andere Kreise vor dem Bauch beschreibt. Gymnastik in der Schule war grausam. Versuchen Sie’s mal.
Mit den selbstfahrenden Autos, an denen derzeit das ganze Silicon Valley schraubt, geht für mich ein Traum in Erfüllung. Google arbeitet an den Wagen der Zukunft schon eine Weile, genauso wie die Autohersteller. Doch seit der „Guardian“ Hinweise darauf gefunden hat, dass Apple sich still und leise nach einem Testgelände für autonome Fahrzeuge bei San Francisco umsieht, bin ich optimistischer denn je.
Roboter fahren offenbar sicherer. Zeigte doch jüngst ein Google-Bericht über alle Unfälle seit Start des Programms mit den autonomen Fahrzeugen 2009, dass die meisten Zusammenstöße von Menschen verursacht werden, nicht von Autos.
Maschinen können inzwischen viele Dinge besser als wir. Der IBM-Computer Watson diagnostiziert Lungenkrebs zuverlässiger als menschliche Doktoren. Das heißt nicht, dass er damit ein kundigerer Arzt wird, bleibt aber eindrucksvoll. Ein britischer Roboter schlug einen Sterne-Koch bei der Zubereitung von Krabbencremesuppe.
Roboter haben keine schlechten Tage, und sie beschweren sich nicht über dumme Aufträge des Chefs. Amazon steht derzeit am Pranger, die Vorwürfe lauten Ausbeutung und schlechtes Betriebsklima. Mit Robotern wäre das nicht passiert! Die Frage ist nur, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Sollen wir den Menschen künftig das Autofahren verbieten, ein Flugzeug zu fliegen oder Krebs-Diagnosen zu stellen?
Maschinen lösen inzwischen viele Probleme für uns. Die Amerikaner lieben es, Probleme zu lösen. Sie sind darin besonders gut. Und wenn sie ein Problem bislang noch nicht gelöst haben, erklärte mir unlängst ein amerikanischer Freund, dann liegt das nur daran, dass dieses Problem noch keine Priorität hatte. Amerikaner sind einfach goldig.
Mir gefällt die Idee, dass uns die Computer künftig die langweiligen, ätzenden Arbeiten abnehmen. Veränderung ist gut. Vor der industriellen Revolution mussten viele Leute in der Kohle und unter Tage arbeiten. Lungenkrebs war da eins der geringeren Probleme.
Aber seit kurzem bemerke ich in Silicon Valley einen Tech-Utopismus, der mir nicht gefällt. Es ist die Überzeugung, dass Menschen Fehler machen, dass sie in irgendeiner Weise defekt sind und durch Technologien ersetzt werden müssen, zumindest teilweise. Natürlich sind Menschen nicht perfekt, schauen Sie sich nur mich an, die schlechte Autofahrerin. I’m a loser baby.
Sind Menschen hinterm Steuer gefährlich? Ja. Werden wir ihnen auch in Zukunft noch erlauben, Auto zu fahren? Hoffentlich. Freiheit ist eine gefährlich wertvolle Sache.
Je besser die Maschinen werden, desto mehr muss Silicon Valley sich mit dem beschäftigen, das keine Probleme löst und nicht so perfekt ist. Vielleicht brauchen wir in dieser perfekten, technologisch optimierten Welt der Zukunft – nach dem Recht auf Vergessen – bald auch ein Recht darauf, defekt, kaputt und unzulänglich zu sein.
Aber vielleicht arbeitet Silicon Valley längst daran. Ich kann da falsch liegen. Sie wissen schon.
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Immer Dienstags schreibt Britta Weddeling, Korrespondentin für die Themen Internet und Netzwirtschaft des Handelsblatts im Silicon Valley, über die neusten Trends und kleinen Kuriositäten im Tal der Nerds.
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Elektroautos gab es auch schon vor 100 Jahren, das Thema wurde nicht weiter verfolgt, weil andere Techniken besser waren. Und die deutsche Autoindustrie ist gleichauf mit Japan immer noch Weltspitze. Die Firma Tesla hat noch nie Geld verdient, seit es sie gibt, das ist das Hobby von H, Musk.Mehr nicht. Aber natürlich darf der sein Geld raushauen, wie er mag. Nur ist das kein Vorbild.
Und wie schon gesagt, fremdgesteuertes fahren ist überflüssig. Wer nicht fahren kann, soll die Öffentlichen nutzen. Unsere Strassen sind voll genug. Dank denen, die nicht fahren können, es aber trotzdem tun.
Ja, mit dem Fahren ist es wie mit dem Kommentieren / Posten, nicht wahr ;-) - viele, die es lieber nicht tun sollten, machen es trotzdem, weil die Einschätzung des Könnens einem selbst überlassen wird.
Und dank Dunning & Kruger wissen wir auch, warum es dann so ausgeht, wie es immer ausgeht.
PS: Ehre, wem Ehre gebührt - seien Sie doch stolz auf Deutschland, wenn man es mal sein kann, die Idee und erste Konzepte des autonomen Fahrens kommt nicht aus den USA, sondern von "uns". Googlen Sie mal Prof. Ernst Dickmanns, Vita und Prometheus (nicht den Alien-Film). Leider haben wir, wie auch bei Elektro-Autos, da irgendwie die falschen Prioritäten gesetzt, Projekte nicht weiter verfolgt und plötzlich sind unsere Autobauer, teilweise seit fast 100 Jahren im Geschäft, im Nachteil gegenüber US-Firmen, die keine 10 Jahre alt sind.
Hmm. Schwierig. Automatisierung ist ein Thema, wo jede Situation, in der Menschen für immer durch Maschinen verdrängt werden, abgewogen werden muss.
Aber ich komme zu einer anderen Einschätzung, nicht nur beim Auto. Als Mann Anfang 30 bin ich selbstverständlich ein großartiger Autofahrer ;) und ärgere mich täglich darüber, dass auch unter der Woche so viele Sonntagsfahrer unterwegs sind. Schläfer auf der Mittelspur sind für mich, zumindest bisher, ein weit größeres Ärgernis als Schläfer-Zellen von Al Qaida.
Und da habe ich mir ja gerade ungeplant eine schöne Überleitung zum Thema Freiheit gebaut, Freiheit, die wir ja wegen der Angst vor Terror nur allzu gerne einschränken lassen. Wie viel Freiheit möchten wir denn? Es gibt vermutlich nicht wenige Menschen, die sich in ihrer Freiheit eingeschränkt sehen, weil sie in der Öffentlichkeit nicht nackt herumlaufen dürfen. Oder weil man Hauswände nicht mit Graffiti besprühen darf. Oder, zurück zum Thema Verkehr, weil man mit dem Fahrrad nicht auf die Autobahn darf.
Würde in einem voll automatisierten, vermutlich deutlich effizienteren und sichereren Verkehr das "Recht auf Freiheit" der Selbstfahrer schwerer wiegen als das Recht anderer Fahrer (bzw. dann ja de facto nur noch Passagiere), möglichst sicher und unbehelligt ans Ziel zu kommen?
Auch Raucher reden gerne von Freiheit und ihrem Recht. Sehe ich völlig anders. Wer egoistisch und schädlich für die Gesellschaft agiert und seine Freiheit über die Freiheit der anderen stellt, hat das Konzept des gemeinschaftlichen Zusammenlebens, den kategorischen Imperativ, nicht verstanden. Aber wenn man den Gedanken weiter spinnt, könnte man auch Alkohol und Schokolade verbieten. Und Bungee-Jumping.
Die Frage ist mMn also nicht, ob wir ein Recht haben, kaputt und unzulänglich zu sein - das sind wir ohnehin. Die Frage ist eher, in welchen Bereichen wir diese Unzulänglichen weiterhin ausleben und Schäden riskieren möchten - und welche "Freiheit" wir dafür gewinnen/erhalten.
Dann lassen Sie es, Britta Weddeling. Sie gefährden Andere und sich selbst. Und das gilt für alle anderen Nicht-Könner auch. NIEMAND MUSS Auto fahren!
Und das "fremdgesteuerte fahren" ist rundheraus abzulehnen. Wieder eine überflüssige Idee aus Amerika.