Vincent Bolloré Vivendi-Großaktionär greift nach der Medienmacht in Frankreich

Der französische Milliardär will einen der größten Medienkonzerne der Welt schmieden.
Paris Das Schicksal der Lagardère-Gruppe zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab, als der französische Medienkonzern Vivendi zunächst mit zehn Prozent beim heimischen Konkurrenten einstieg und den Anteil auf etwa 27 Prozent ausbaute. Vivendis Großaktionär Vincent Bolloré ist als Investor dafür bekannt, sich mit kleinen Beteiligungen anzuschleichen und dann allmählich die Kontrolle an sich zu ziehen. Die Zeitung „Le Monde“ bezeichnete das Vorgehen des Milliardärs als „Strategie des langsamen Strangulierens“.
Bolloré achtete allerdings in den meisten Fällen darauf, unter der Schwelle von 30 Prozent der Anteile zu bleiben, ab der nach französischem Recht allen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreitet werden muss. Ihm genügte es, als Hauptaktionär faktisch über die Geschäftsführung und deren Kurs bestimmen zu können.
Bei Lagardère aber geht er aufs Ganze: Vergangene Woche teilte Vivendi mit, die knapp 18 Prozent der Fondsgesellschaft Amber Capital für 610 Millionen Euro zu übernehmen und den Anteil damit auf gut 45 Prozent zu steigern. Bis Dezember 2022, so der Plan, soll die komplette Übernahme des Konkurrenten abgeschlossen sein.
Der Deal würde einen der größten Medienkonzerne Europas entstehen lassen. Zu Vivendi gehören unter anderem das Bezahlfernsehen Canal+ und die zweitgrößte französische Verlagsgesellschaft Editis.
Von seiner Musiksparte Universal trennt sich der Konzern, der Börsengang des ertragsstarken Labels steht am Dienstag an. Mit dem Verkauf bekommt Vivendi finanzielle Feuerkraft für weitere Übernahmen. Der 69-jährige Bolloré, so spekuliert die Wirtschaftszeitung „Les Échos“, wolle vor seinem für Anfang des kommenden Jahres angekündigten Ruhestand einen Medienkonzern mit zwei großen Schwerpunkten hinterlassen: dem TV-Markt und dem Verlagswesen.
Vivendi erhofft sich Synergieeffekte
An der Lagardère-Gruppe, die 2020 einen Umsatz von rund 4,4 Milliarden Euro machte, dürfte Bolloré vor allem das führende französische Verlagshaus Hachette interessieren, das auch international gut positioniert ist. Zum Portfolio gehören außerdem der französische Radiosender Europe 1, Magazine wie „Paris Match“ und „Elle“ sowie die Zeitung „Le Journal du Dimanche“.
Vivendi erhofft sich offenbar Synergieeffekte. Zwischen Europe 1 und dem von Bolloré kontrollierten TV-Nachrichtensender CNews gibt es jedenfalls bereits eine inhaltliche Kooperation.
Bei der Redaktion von Europe 1 kam die Zusammenarbeit überhaupt nicht gut an, CNews gilt als stramm rechter Informationskanal. Manche sprechen gar vom „französischen Fox News“. Zu den Quotenkönigen des Senders gehört der Journalist Eric Zemmour, der mit einer Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr liebäugelt und dabei Marine Le Pen im Rechtsaußen-Lager Konkurrenz machen könnte.
Verfolgt Bolloré mit seinem Medienimperium auch eine politische Agenda? Der Milliardär ist schwer durchschaubar. Sympathien für das rechtspopulistische Lager sind nicht bekannt, Bolloré gilt aber als konservativ. Der traditionsbewusste Katholik soll Ex-Präsident Nicolas Sarkozy zu seinen Freunden zählen, den er einst zum Urlaub auf seine Yacht einlud.
Seine Karriere hat Bolloré bei der Investmentgesellschaft Edmond de Rothschild begonnen. Dort lernte er, wie man mit möglichst geringem Einsatz die eigene Macht maximiert.
Das väterliche Papier- und Transportunternehmen hat Bolloré im Laufe der Jahre in einen Mischkonzern umgewandelt. Er betreibt Häfen und andere Infrastrukturprojekte in Afrika, besitzt Palmölplantagen, ist stark im Transportgeschäft aktiv und hält diverse Finanzbeteiligungen. Seit 2014 hat er die große Beteiligung an Vivendi aufgebaut.
Rivalität in den obersten französischen Unternehmerfamilien
Die anvisierte Übernahme der Lagardère-Gruppe durch Vivendi ist auch ein Gemälde der Rivalität in den obersten französischen Unternehmerfamilien. Bolloré sorgte dafür, dass Arnaud Lagardère die uneingeschränkte Macht über das Familienunternehmen verlor, indem die Aktionäre auf der Hauptversammlung Ende Juni die Umwandlung der Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine klassische Aktiengesellschaft beschlossen.
Interesse an der Lagardère-Gruppe wurde auch dem Chef des Luxuskonzerns LVMH, Bernard Arnault, nachgesagt, der die Liste der reichsten Franzosen anführt. Arnault galt vorübergehend als Bollwerk gegen die Kontrollambitionen von Bolloré bei Lagardère, steckte am Ende aber hinter dem finanziell weniger schlagkräftigen Vivendi-Großaktionär zurück.
Noch ist der Megadeal in der französischen Medienbranche nicht in trockenen Tüchern. Sowohl in Brüssel als auch in Paris steht die Zustimmung der Aufsichtsbehörden aus, die sich mit der absehbaren Konzentration im Verlagswesen auseinandersetzen müssen. Vor allem die Aktivitäten von Hachette und Editis unter einem Dach würden ein Quasi-Monopol bedeuten.
Vor knapp 20 Jahren scheiterte ein Fusionsversuch der beiden Akteure bereits wegen kartellrechtlicher Bedenken. Um die Genehmigung zu erhalten, könnte Bolloré laut französischen Medien einige Aktivitäten im Verlagsbereich abstoßen.
Mehr: Vivendi-Aktionäre unterstützen möglichen Börsengang von Universal Music
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