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Werbung im Dschungelcamp Holt mich hier rein!

Was nervt mehr als Werbung? Noch mehr Werbung. Um die Kunden nicht zu verschrecken, wird sie inzwischen so getarnt, als wäre sie keine. Etwa im RTL-Dschungelcamp. Wie Firmen wie Bahlsen im TV neue Werbeformate testen.
20.01.2016 - 13:04 Uhr
Ein attraktives Werbeumfeld. Quelle: dpa
Dschungel-Moderatoren Hartwich und Zietlow

Ein attraktives Werbeumfeld.

(Foto: dpa)

Köln Kamran Wührmann sitzt angespannt vor dem kleinen Bildschirm. Die Stirn zerfurcht, der Blick konzentriert. Der Marketingdirektor der Keksfirma Bahlsen befindet sich in einem RTL-Fernsehstudio, das der Kölner Privatsender dem Werbekunden eingerichtet hat. So etwas gab es noch nie: Bahlsen hat als Werbepartner der TV-Sendung „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ eine außergewöhnliche Form der Werbung gebucht: Jeden zweiten Tag dreht RTL einen tagesaktuellen Werbespot für die Keksfirma, in denen das Werbegesicht der Bahlsen-Snackmarke Pick-up, Marian Meder, mit lockeren Sprüchen die Rempeleien im Dschungelcamp kommentiert.

Dass Werbung immer mehr in den redaktionellen Kontext reingrätscht, ist ein Phänomen der heutigen, werbeüberfluteten Zeit. Die Konsumenten haben wenig Lust auf noch mehr Reklame, also wird Werbung so getarnt, als wäre sie keine. Native Advertising nennen dies die Branchenexperten. Einige US-Medien setzen komplett auf native Werbung. Buzzfeed zum Beispiel.

Im Fernsehen experimentieren immer mehr Sender damit. Mit dem eigenen Bahlsen-Studio geht RTL einen großen Schritt voran in der geschickten Ummantelung von Werbung. Ob nun der Bahlsen-Mann den Blödsinn im Dschungel kommentiert oder die beiden rotzfrechen Moderatoren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich – wo ist da überhaupt noch der Unterschied?

Der Dschungel ist Chefsache

Es ist der Tag nach der allerersten Sendung der zehnten Dschungelcamp-Staffel. Die Erwartungen der Vermarkter sind hoch, bislang zu Recht. Die Quote der Pilotfolge ist mit durchschnittlich 7,68 Millionen Zuschauern so hoch wie bei keiner anderen Dschungelcamp-Auftaktsendung. Lars Mann, Verkaufsdirektor bei IP Deutschland, der Vermarktungstochter von RTL, ist zufrieden. In einer Mail steht, was die deutschen Zuschauer – wegen der neunstündigen Zeitverschiebung – noch nicht wissen: Die erste Dschungelprüfung zwischen der Bordellbetreiber-Gattin Sophia und der TV-Streitschlichterin Helena endete zugunsten der vollbusigen Sophia. Vier Sterne sind ihr Lohn. Sie musste mit Händen und Gesicht Tiere ertasten. Eine Kakerlake soll in Sophias wuchtigem Dekolleté gelandet sein. Die Fantasie der Werbetexter schlägt Purzelbäume.

Doch ihre Ideen kommen nicht an – der Bahlsen-Marketingchef wirft sie alle in den Papierkorb. Nicht frech genug. Er rutscht auf seinem Stuhl ungeduldig hin und her. Die Zeit läuft. „Das ist schon irre. Du musst jetzt eine Entscheidung fällen – und heute Abend sehen es acht Millionen Leute“, sagt Wührmann. Diese Schnelligkeit ist selbst im hektischen TV-Geschäft eher unüblich.

Mehr als 20-mal wird der 15-sekündige Spot gedreht. Wührmann sitzt hinter dem Regisseur und beobachtet die Spot-Variationen, die für ihn vor der quietschgelben Kulisse gedreht werden. So wird das noch die nächsten zwei Wochen gehen, so lange wie das diesjährige Dschungelcamp läuft. Denn der Dschungel ist Chefsache, das lässt sich Wührmann nicht nehmen.

„Mehr wert als jeder Werbespot“

Seit fünf Jahren wirbt der Mittelständler Bahlsen im TV-Umfeld des Dschungelcamps – und ist damit in Deutschland der Eisbrecher gewesen. Denn in den ersten Jahren ernteten die Vermarkter eher Nasenrümpfen als Buchungen, wenn sie für die Ekelsendung bei den Werbekunden warben. Das ist vorbei – heute ist die Auslastung der Werbeinseln „sehr gut, besser als im letzten Jahr“, wie IP Deutschland etwas nebulös sagt. Mit sieben Firmen hat das Dschungelcamp außerdem Sonderwerbeformen vereinbart: McDonald’s ist dabei, Müller Milch, die Kosmetikmarke Manhattan sowie die niederländische Bank Rabo Direkt und das Reiseportal Momondo. In letzter Minute ist auch noch Disney dazugekommen.

Sonderwerbeformen, das heißt, dass die Unternehmen während des laufenden Programms kleine Werbefilme abspielen lassen (sogenannte Cut-ins oder Screen-Splits) oder Produktplatzierungen vornehmen dürfen. Wenn die ausgehungerten Camper etwa nach einer Woche Reis, Bohnen und vielleicht noch Kamelhirn bei einer Schatzsuche die Truhe öffnen, darin Schokoriegel der Marke Pick-up finden und anschließend in ekstatische Begeisterung ausbrechen, dann ist das „mehr wert als jeder Werbespot“, sagt Bahlsen-Marketingchef Wührmann.

„Der Aufwand ist enorm“, fügt er hinzu. Der ganze Januar, so sagt er, steht bei Bahlsen im Zeichen des Dschungels. Im vergangenen Jahr hat sich das auch im Absatz niedergeschlagen: Der Marktanteil, der bei 4,8 Prozent liegt, habe im Januar um 20 Prozent höher gelegen.

Experimentierfreude in der Werbebranche steigt

Gar als „richtungsweisend“ lobt Frank Behrendt, Vorstand der Agentur Fischer-Appelt, Bahlsens Werbeansatz. Er ist begeistert von der Idee eines eigenen Studios bei RTL. „Da stört später der Spot gar nicht.“ Für Behrendt ist das Dschungelcamp als Werbeumfeld hochattraktiv. „Das Format ist erwachsen geworden“, meint der bekennende Dschungelcamp-Fan. Egal, ob man die Sendung guckt oder nicht: „Sie werden an dem Thema nicht vorbeikommen.“

Nicht nur Bahlsen experimentiert jenseits der ausgetretenen Werbepfade. Und die Experimentierfreude der Werbetreibenden steigt. Werben in Echtzeit oder zumindest so gut wie, das sind die neuen Wünsche der Werbekunden.

Zehn beeindruckende Werbekampagnen
Hai-WWF
1 von 10

„Horrifiying vs. More Horrifying“

Mit diesem Plakat wirbt der WWF (World Wildlife Fund) gegen die Verschmutzung der Meere. Die Botschaft: Ein Hai mag zwar angsteinflößend sein - aber noch angsteinflößender ist die Vorstellung, dass alle Haie eines Tages verschwunden sind.

(Foto: WWF)
Speed-limit-Cramer-Krasselt
2 von 10

„Slower is better“

Die US-Werbeagentur Cramer-Krasselt verzichtet auf ein gewöhnliches Plakat, um Autofahrer vom Rasen abzuhalten. Für die Polizei des US-Städtchens Elm Grove hat sie eine Anzeigetafel entwickelt, die die Geschwindigkeit der Autos misst - und diese in Krankenhaustagen nach einem möglichen Unfall umrechnet.

(Foto: Cramer-Krasselt)
Gewalt-Havas-Prague
3 von 10

„The Prevention Beer Mug“

Wer den Griff dieses besonderen Bierkrugs ergreift, der schlägt einer Frau symbolisch ins Gesicht: So macht die tschechische Niederlassung der französischen Werbeagentur Havas auf häusliche Gewalt nach Alkoholkonsum aufmerksam.

(Foto: Havas Prague)
Papier-WWF
4 von 10

„Save Paper. Save the Planet.“

Was Papierverbrauch genau für die Abholzung des Regenwalds bedeutet, verdeutlicht der WWF mit diesem Plakat. Ein Loch in der Form Südamerikas gibt den Blick auf den Stapel im Trockentuchspender frei. Je mehr Trockentücher man sich nimmt, desto niedriger wird der Stapel - und desto leerer letztlich der Regenwald in Südamerika.

(Foto: WWF)
Opfer-Advico-Y&R
5 von 10

„Victims are like you and me“

Jeder kann zum Opfer werden: Das drückt die Kampagne der Zürcher Werbeagentur Advico Y&R für die christiliche Menschenrechtsorganisation ACAT (Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter) aus. Dafür hat sie die Rückseiten von Straßenbahn- und Kinostühlen beklebt - mit Bildern gefesselter Hände sowie dem Satz „Victims are like you and me“ („Opfer sind wie du und ich“). Wer sich auf die Stühle setzt, nimmt sinnbildlich die Rolle eines Folteropfers ein.

(Foto: Advico Y&R)
Liking-Publics-Singapore
6 von 10

„Liking isn't helping“

Facebook-Nutzer klicken unter einer Schreckensmeldung gerne auf „Gefällt mir“, um ihre Anteilnahme auszudrücken. Das allein reicht jedoch nicht, findet die Hilfsorganisation „Crisis Relief Singapore“. Daher hat sie die französische Werbeagentur Publicis mit der Kampagne „Liking isn't helping“ beauftragt.

(Foto: Publicis Singapore)
Liking2-Publics-Singapore
7 von 10

„Liking isn't helping“

Die Plakate der „Crisis Relief“-Kampagne übertragen das „Liking“-Verhalten auf Facebook auf die Offline-Welt. Die Bilder zeigen anonyme Menschen, die sich um Kinder in Not horten und ihren Daumen recken.

(Foto: Publicis Singapore)

So drehte die Deutsche Telekom Live-Spots auf dem Kölner Karneval 2015 und verschaffte sich damit in Marketingkreisen Anerkennung. Wer weiß schließlich schon vorher, wie sich die TV-Familie Heins zwischen all den angesäuselten Narren so schlägt. Ähnlich unberechenbar wie Karnevalisten sind Kaninchen, mit denen der Händler Media-Markt vor einem Jahr warb: Das „Osterhasen-Rasen“ wurde live gesendet – und musste darauf vertrauen, dass die Tiere mitspielen. Es glückte, und die Werber kassierten anschließend viele Kreativpreise.

IP-Manager Mann weiß: „Es gibt viele mutige Werbekonzepte. Aber die meisten werden dann doch nicht umgesetzt.“ Das sei schade. Denn: „Der Mut in der Werbung wird in der Regel belohnt.“

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