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Fintech Die Revolution der Finanzbranche bekommt neuen Schwung

Trotz zahlreicher Pleiten und Übernahmen steigt die Zahl der Finanztechnologie-Start-ups in Deutschland weiter an. Doch die Geschäftsmodelle wandeln sich.
13.11.2019 - 04:00 Uhr Kommentieren
Fintechs ziehen so viel Kapital an wie niemals zuvor. Quelle: Reuters
Teppich mit N26-Code

Fintechs ziehen so viel Kapital an wie niemals zuvor.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Hunderte sind bereits gescheitert, Dutzende wurden von anderen Firmen übernommen, und trotzdem steigt die Zahl der Finanztechnologiefirmen in Deutschland weiter. Und nicht nur das, die jungen Unternehmen ziehen auch so viel Kapital an wie niemals zuvor.

Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Direktbank Comdirect und des Analysehauses Barkow Consulting, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach wurden hierzulande allein im vergangenen Jahr 127 neue Fintechs gegründet und in diesem Jahr kamen schon mindestens 53 weitere hinzu – die Zahl dürfte sich noch erhöhen, denn viele junge Firmen agieren zunächst im Tarnmodus. Damit nimmt das Wachstum nach einem leichten Dämpfer in 2017 erneut Fahrt auf.

Insgesamt gibt es nun mindestens 898 deutsche Fintechs. Gezählt wurden Unternehmen, die maximal zehn Jahre alt sind, in Deutschland gegründet wurden, noch nicht von anderen Firmen übernommen wurden und sich einer von 13 – relativ breit gefassten – Finanzmarkt-Kategorien zuordnen lassen.

Zum Vergleich: Nach Schätzung des Bundesverbands Deutsche Startups gibt es in Deutschland insgesamt rund 9000 junge, innovative und zugleich wachstumsorientierte Unternehmen. Der Verband kommt wegen einer engeren Definition auf 400 Fintechs.

Die meisten Fintechs tummeln sich laut Comdirect-Studie in der Immobilienbranche (Proptech), im Bereich Finanzierung und in der Versicherungswirtschaft (Insurtech). Getrieben wird das Wachstum durch Investoren, die ihr Geld in die jungen Unternehmen stecken. Sie haben laut der Studie im vergangenen Jahr eine Rekordsumme in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro Risikokapital in Fintechs gepumpt.

In diesem Jahr saß das Geld noch lockerer: Bis September flossen bereits rund 1,3 Milliarden Euro in den Sektor – davon gingen allein 412 Millionen Euro an die Smartphonebank N26. Ein Ende des Fintech-Hypes ist nicht abzusehen, doch die Geschäftsmodelle wandeln sich.

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„Anfangs haben sich viele Anbieter rein auf die Nutzeroberfläche konzentriert, beispielsweise eine schicke App, die das Managen der persönlichen Finanzen erleichtern sollte“, sagt Chris Bartz, Vorsitzender des FinTechRats. „Inzwischen geht es in den Geschäftsmodellen von Fintechs immer mehr um neue Lösungen für die grundlegende technologische Infrastruktur.“ Das beobachtet auch Jana Koch, Innovationsexpertin der Comdirect. „Vor allem im Bereich Blockchain sehen wir ein starkes Wachstum, die Bewegung geht weg von reinen Kryptowährungen hin zu breiteren Anwendungsfällen mit Fokus auf Infrastruktur“, sagt sie.

Über die Blockchain als dezentrale Datenbank können neben digitalem Geld beispielsweise auch Inhaberrechte übertragen werden. Laut der Studie wurden in diesem Segment zuletzt 40 neue Firmen gegründet. Dazu zählen etwa Ride Capital und Finexity, die Immobilieninvestments über die Blockchain ermöglichen wollen, oder auch Plus D, das mithilfe der Blockchain eine Vertragsabwicklung und Versicherung von Logistikprozessen anbietet.

Fintechs drängen zudem immer tiefer in die Wertschöpfungskette der Banken vor, beobachtet Susanne Chishti, Geschäftsführerin des Business-Angel-Netzwerks Fintech Circle. Das zeige sich zum Beispiel im Bereich Finanzierung. Hatten sich die Start-ups zunächst auf einfache Kredite für Privatleute fokussiert, bieten sie inzwischen auch Technologien zum Vorfinanzieren von Rechnungen oder zur Lieferantenfinanzierung an. In diesem Bereich sind kürzlich etwa die Unternehmen Myos und Modifi gestartet.

Auch das komplexe Investmentbanking scheint kein Tabu mehr zu sein. „Es wird immer einen Teil des Marktes geben, der sein Geschäft über neue Fintechs betreibt – und ich denke, dass wir dadurch Druck auf die Margen sehen werden“, sagte UBS-Investmentbank-Managerin Beatriz Martin am Montag bei einem Pressegespräch in der Schweiz. „Ich denke, dass sie in die Wertschöpfungskette einsteigen könnten und ein Partner bei der Lösung spezieller Probleme sein könnten.“

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Ein weiterer Trend: Fintechs werden verstärkt zu Technologielieferanten. Viele neue Finanz-Start-ups richten sich nicht an Endkunden, sondern bieten ihre Technologie Finanzdienstleistern an. So will etwa Hawk:AI Finanzdienstleister per Künstlicher Intelligenz bei der Geldwäscheprävention unterstützen und Aazzur will Banken beim Aufbau datengestützter Bankservices helfen.

Manche Firmen fahren auch zweigleisig. „Früher haben sich Unternehmen klar auf einen Bereich fokussiert, heute laufen verschiedene Geschäftsmodelle parallel“, sagt Chishti. Ein Beispiel dafür sind digitale Vermögensverwalter. So betreibt Scalable Capital seinen sogenannten Robo-Advisor unter eigener Marke, steckt aber auch hinter der Geldanlageplattform Oskar und liefert seine Technologie unter anderem an die Targobank und die spanische Openbank.

Kooperationen haben nicht zuletzt finanzielle Gründe. Im Privatkundengeschäft ist die Kundenakquise meist teuer, denn die jungen Firmen müssen mit viel Marketing auf sich aufmerksam machen. Und selbst, wenn das gelingt, verdienen nicht alle mit jedem Kunden sofort Geld. Häufig nutzen Kunden zunächst gebührenfreie Produktvarianten und müssen erst vom kostenpflichtigen Angebot überzeugt werden. Nicht immer reicht die Finanzierung der jungen Firmen aus, um diese Phase zu überstehen.

Allein seit 2017 haben in Deutschland 170 Finanz-Start-ups ihr Geschäft eingestellt. Zu diesem Ergebnis kam im Sommer eine Studie der Unternehmensberatung PWC. Im Durchschnitt wurden die Fintechs knapp vier Jahre alt, die meisten scheiterten im dritten oder vierten Geschäftsjahr. Diese Schließungswelle könne also als Folge der Gründungseuphorie in den Jahren 2015 und 2016 interpretiert werden, sagte Sascha Demgensky, Leiter Fintech bei PwC in Deutschland.

Erfolgsgeschichten inspirieren

Auch Übernahmen und Fusionen haben bereits eine Konsolidierung am Markt vorangetrieben. Seit 2017 wurden laut PWC mindestes 53 Unternehmen übernommen – meist von anderen Fintechs, gelegentlich aber auch von einer Bank. Dem Gründergeist hat das offenbar keinen Abbruch getan. „Die Erfolgsgeschichten einiger Stars in der Branche wirken inspirierend auf neue Gründer“, sagt Friederike Stradtmann, Expertin für digitale Geschäftsmodelle bei Accenture Strategy. „Außerdem gibt es einen guten Zugang zu Investorenkapital und in etablierten Finanzinstituten werden Fintechs inzwischen häufig als Geschäftspartner anerkannt.“

So zählt etwa die Smartphonebank N26 nach fünf Jahren am Markt bereits mehr als 3,5 Millionen Kunden und wird von Investoren mit rund 3,1 Milliarden Euro bewertet, der Robo-Advisor Scalable Capital verwaltet Kundengelder in Höhe von mehr als 1,8 Milliarden Euro, die Video-Ident-Anbieter WebID Solutions und IDnow sind in die Kontoantragsstrecken Dutzender Banken integriert und Anbieter von Datenschnittstellen wie Fintecsystems und Finleap Connect werden inzwischen gemeinsam mit Bankverbänden zu Spitzentreffen bei der Finanzaufsicht Bafin eingeladen.

„Getrieben wird das Wachstum der Fintech-Branche zum Teil auch durch regulatorische Vorgaben“, sagt Jana Koch. Dazu zählt etwa die zweite EU-Zahlungsdiensterichtlinie PSD2, die Fintechs unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu den Kundendaten von Banken gewährt. Auch hierbei agieren einige Start-ups als Dienstleister für die Finanzbranche – so etwa Banksapi, das insbesondere Versicherern Multibanking-Dienste anbietet oder Bonify, das per Kontodaten die Bonität prüft.

Wie lange der Fintech-Boom noch anhalten wird, lässt sich schwer prognostizieren. „Einen Dämpfer werden einige Anbieter sicherlich bekommen, wenn sich die konjunkturelle Lage eintrübt“, sagt Stradtmann. Das dürfte insbesondere Anbieter von Finanzierungslösungen treffen. Bartz sieht insgesamt noch ein großes Potenzial. „Die Digitalisierung der Finanzbranche steht noch immer ganz am Anfang und die traditionellen Unternehmer brauchen agile Partner“, sagt er. „Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Anzahl der Fintechs konstant weiterwachsen wird, aber das Thema bleibt relevant.“

Mehr: „Fintech ist kein kurzfristiger Trend, der vorübergeht“, erklärt Susanne Chishti, Geschäftsführerin des Business-Angel-Netzwerks Fintech Circle, im Interview.

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