Eckes Granini Rechtsstreit: 60 Millionen Euro Schadensersatz und Pfändungen
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Lebensmittelindustrie Eckes-Granini erlebt herbe Rückschläge in Russland-Rechtsstreit
Fast 60 Millionen Euro Schadensersatz hat ein geprellter deutscher Geschäftsmann von Eckes-Granini erstritten. Jetzt erfolgten erste Pfändungen.
Berlin Beim Safthersteller Eckes-Granini hat es in mehreren europäischen Ländern Pfändungen gegeben. Der Konzern hatte vor dem Obersten Gerichtshof in Russland einen langen juristischen Kampf gegen den ehemaligen Geschäftspartner Axel Hartmann verloren.
2017 hat der deutsche Geschäftsmann die Eckes-Gruppe auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagt. Seitdem streiten die beiden Parteien vor Dutzenden Gerichten. Hartmann hatte von 2003 bis 2008 den Saftabfüller Gutta übernommen und hat dort für Eckes-Granini produziert. 2008 hieß es vom Konzern, dass „die Anteile an der russischen Eckes-Granini-Gesellschaft im vierten Quartal veräußert wurden“. Gutta wurde laut einem Moskauer Schiedsgericht in Unterweltmanier „beerdigt“.
In Ungarn wurde das Urteil aus Russland nun bestätigt – und Pfändungen veranlasst. Auch in Frankreich, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz, sogar bei einem Joint Venture mit dem börsennotierten Lebensmittelkonzern Nestlé wurden Vermögenswerte beschlagnahmt. In der Schweiz wurden die Rechte an bekannten Marken der Säfte sichergestellt.
Das Schiedsgericht hatte Hartmann im Jahr 2019 49 Millionen Euro Schadensersatz plus Anwalts- und Gerichtskosten zugesprochen. Am 25. Februar hat Russlands Oberstes Gericht alle Widersprüche von Eckes-Granini und früheren Managern der Gruppe zurückgewiesen. Eine Beschwerde beim Gerichtspräsidenten wurde am 7. Mai abgelehnt. Damit ist das gegen den Fruchtsaftkonzern erwirkte Schiedsurteil international gültig. Die Pfändungswelle rollt.
Vermögenswerte seien systematisch beiseitegeschafft, Firmensitze zur Verschleierung ständig gewechselt worden. Auch Strohmänner seien als Geschäftsführer eingesetzt worden, sogar ein Schwerverbrecher, der sich wegen organisierter Kriminalität seit Jahren in Lagerhaft befand. Hartmanns Firma Gutta sei „in rechtswidriger Weise“ in die Insolvenz getrieben worden.
Eckes-Granini
Eckes-Granini gilt als Europas führender Markenhersteller von Fruchtsaft. Seine Wurzeln hat das Familienunternehmen Eckes aus dem rheinland-pfälzischen Nieder-Olm in einer Brennerei für Weinrückstände. Die gründete Fuhrunternehmer und Landwirt Peter Eckes im Jahr 1857. Neben Spirituosen begann in den 1920er-Jahren die Produktion von Fruchtsaft. 1958 kam „Hohes C“ auf den Markt, der erste trinkfertige Orangensaft aus der Flasche. Die Saftmarke Granini wurde bis 2006 von Melitta vollständig übernommen. Die Spirituosensparte der Eckes AG (wie Nordhäuser Doppelkorn, Mariacron, Chantré) wurde bis 2007 endgültig abgestoßen, unter anderem an Rotkäppchen-Mumm.
Harald Eckes-Chantré ist heute mit seiner Familie Haupteigner der Eckes AG, die rund 70 Prozent der Anteile hält. Laut „Manager Magazin“ verfügt der Familienstamm, der auch die Mehrheit an Sekt- und Spirituosenhersteller Rotkäppchen-Mumm besitzt, über ein Vermögen von rund einer Milliarde Euro. Rund ein Drittel der Eckes AG gehört der Familie von Heidrun Eckes-Chantré, der Schwester von Harald. Deren Großcousins Peter Eugen Eckes sowie Michael Eckes hatten ihre Anteile vor einigen Jahren an Harald und Heidrun verkauft. Auch die Familienstiftungen der beiden Stämme, die Anteile der Eckes AG hielten, sind inzwischen aus dem Handelsregister gelöscht. Im Aufsichtsrat der Eckes AG sitzen heute zwei Mitglieder der sechsten Generation: Christine Oelbermann, Tochter von Harald Eckes-Chantré, sowie Kim Tabet, Tochter von Heidrun Eckes-Chantré.
Thomas Hinderer war von 2005 bis Juli 2020 Vorstandschef der Eckes AG und zugleich Vorsitzender der Geschäftsführung von Eckes-Granini Group, die unter der Finanzholding angesiedelt ist. Hinderer baute das internationale Geschäft stetig aus. Er übernahm Wettbewerber wie den österreichischen Safthersteller Pago sowie Rynkeby aus Dänemark. Am Smoothie-Start-up True Fruits ist Eckes mit 35 Prozent beteiligt. Die Menge an verkauften Fruchtsäften ging 2019 jedoch zurück, ebenso wie der Umsatz. Der sank um 6,5 Prozent auf 921 Millionen Euro. Hinderer verfehlte sein Ziel, einen Milliardenumsatz zu erreichen. Das Ergebnis konnte er nach einer Delle allerdings wieder auf 84 Millionen Euro steigern. Fast 70 Prozent des Geschäfts macht Eckes-Granini außerhalb des Heimatmarkts. Im August übernahm Ex-L’Oréal-Manager Tim Berger die Führung der Eckes AG und der Eckes-Granini Gruppe.
Eckes-Granini spricht von „Willkürentscheidung“
Eckes-Granini hatte die Vorwürfe als „ausnahmslos unbegründet und frei erfunden“ zurückgewiesen. Der Konzern wollte vor der obersten Instanz in Moskau das Verfahren gewinnen. Doch alle Einsprüche halfen nicht und wurden Ende Dezember vollständig abgeschmettert.
Allerdings scheint das Unternehmen selbst nicht an seinen Erfolg geglaubt zu haben. Genau eine Woche vor dem Urteil des Obersten Gerichts verschob Eckes-Granini seine auch für Russland geltenden Markenrechte von der eigenen Firma auf einen Frankfurter Anwalt. Auch nach dem Urteil des ungarischen Gerichts verschob das Unternehmen Vermögenswerte.
Ist das nicht eine strafbare Vollstreckungsvereitelung? Ein Unternehmenssprecher antwortete darauf: „Vorstand und Aufsichtsrat von Eckes-Granini sind dazu verpflichtet, die Interessen des Unternehmens mit kaufmännischer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen.“ Man gehe damit „gegen eine Willkürentscheidung vor“.
Auch der eigenen Erklärung, dass der Schiedsspruch „in keinem Land mit rechtstaatlich verfasster Justiz einer Überprüfung standhält“, scheint das Unternehmen selbst nicht vollständig zu glauben. In dem am 11. Januar im Bundesanzeiger veröffentlichten Geschäftsbericht heißt es: Es seien „Rückstellungen für mögliche Schadenersatzansprüche gebildet worden. Um die Vorgehensweise vor Gericht nicht zu beeinflussen, wird von einer Quantifizierung der Risiken und der gebildeten Rückstellungen abgesehen.“
Derweil haben das Betreibungsamt Bern-Mittelland und das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum in der Schweiz bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum registrierte Eckes-Granini-Marken arrestiert. Dazu kommen noch Geschäftsanteile des dortigen Gemeinschaftsunternehmens mit Nestlé. Der Nahrungsmittelgigant, der 49 Prozent am gemeinsamen Schweizer Joint Venture hält, wollte sich dazu nicht äußern.
Auch in Belgien, Frankreich und Holland wurden Geld, Unternehmensanteile und andere Vermögenswerte gepfändet. Eckes-Granini gehe gegen „die vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen vor, die Axel Hartmann aufgrund des Schiedsspruchs in mehreren europäischen Ländern eingeleitet hat“, sagte ein Unternehmenssprecher. Dabei blicke das Unternehmen „mit großer Zuversicht“ auf den Ausgang. Denn in einigen Ländern werde erst nach Pfändung die Rechtmäßigkeit von Schiedssprüchen überprüft.
Axel Hartmann
Der deutsche Geschäftsmann hatte seit 1994 Lkw-Ladungen voll mit Nescafé, Schokolade, Fünf-Minuten-Terrinen und Joghurt nach Russland geschafft.
Vorstand und Aufsichtsrat „haben sich in Abstimmung mit den Aktionären entschlossen, dem russischen Schiedsspruch nicht nachzukommen“, sagte der Sprecher. Ob sie dem Schiedsspruch in Deutschland folgen müssen, entscheidet das Oberlandesgericht in Koblenz im September – bei einer mündlichen Verhandlung im Beisein der Kontrahenten.
Harald Eckes-Chantré ist heute mit seiner Familie Haupteigner der Eckes AG, die rund 70 Prozent der Anteile bei Eckes-Granini hält. Laut „Manager Magazin“ verfügt der Familienstamm über ein Vermögen von rund einer Milliarde Euro. Der besitzt auch die Mehrheit am Sekt- und Spirituosenhersteller Rotkäppchen-Mumm.
Rund ein Drittel der Eckes AG gehört der Familie von Heidrun Eckes-Chantré. Sie ist die Schwester von Harald. Im Aufsichtsrat der Eckes AG sitzen heute zwei Mitglieder der sechsten Generation: Christine Oelbermann, Tochter von Harald, sowie Kim Tabet, Tochter von Heidrun Eckes-Chantré.
Der operative Gewinn (Ebit) des Unternehmens sank von 77 auf 71 Millionen Euro, ein Minus von 7,8 Prozent. Vor allem geschlossene Restaurants und Bars hätten im Coronajahr laut Unternehmensangaben zu drastischen Rückgängen geführt.
Hartmann indes hofft auf schnelle Entscheidungen. Denn er wirft seinen Kontrahenten vor: „In Ländern, in denen der Schiedsspruch schon rechtskräftig für vollstreckbar erklärt ist, hat das Eckes-Granini-Management die dort gelegenen Vermögenswerte durch rechtlich zweifelhafte Transaktionen auf Dritte übertragen.“
So werde versucht, sich rechtsstaatlich ergangenen Gerichtsentscheidungen zu entziehen, meint Hartmann. Am Ende aber werde er „vollumfänglich auf einem sauberen juristischen Weg in den internationalen Rechtsprechungen obsiegen“, hofft er. Das müssen jetzt nach über 70 Gerichtsverfahren weitere Richter und Vollstreckungsbeamte entscheiden.
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