Wal-Mart zieht sich aus Deutschland zurück, Thyssen-Krupp kehrt Brasilien den Rücken und MyParfum macht eine Bruchlandung in den USA. Woran Auslandsgeschäfte scheitern – und warum manchmal Bescheidenheit angebracht ist.
Gescheiterte Expansionsversuche: Häufig klappt es für deutsche Firmen in den USA nicht gut. Dann muss der Rückzug organisiert werden.
Berlin Irgendwie hatte der Konzern halt Pech. „Unsere Annahmen sind nicht eingetreten“, sagt Thyssen-Krupp-Sprecher Robin Zimmermann. Und außerdem war man eigentlich auch selbst schuld: „Vieles liegt daran, dass die eigenen Thyssen-Krupp-Mitarbeiter nicht miteinander kommuniziert haben.“ In Brasilien sollten große Blöcke aus gegossenem Stahl deutlich günstiger produziert werden als in Deutschland. Doch die Realität machte einen Strich durch diese Rechnung. Die Preise für den Rohstoff Eisenerz explodierten und wegen eklatanter Konstruktionsfehler konnte das Werk nie auf volle Last hochfahren.
Die Suche nach einem Käufer für das Werk schlug fehl, Thyssen-Krupp konnte nur die Schwesterfabrik in den USA losschlagen. Mittlerweile habe man sich mit der Situation arrangiert, erklärt Zimmermann. Man wolle sich jetzt jedoch auf den südamerikanischen Markt konzentrieren.
Die Risiken beim Export-Geschäft
Als politische Risiken werden alle außerordentlichen staatlichen Maßnahmen oder politischen Ereignisse im Ausland angesehen, zum Beispiel Kriege, Revolutionen, Annexion von Gebieten, Bürgerunruhen, Embargos, Verstaatlichungen usw. Solche Situationen können insbesondere dazu führen, dass dem Abnehmer die Bezahlung nicht möglich ist und dass die Ware beschlagnahmt wird, verloren geht oder beschädigt wird.
Die Transferrisiken betreffen devisenrechtliche Maßnahmen einer Regierung oder Zentralbank, die dem Abnehmer den Kauf von Devisen verunmöglichen, sodass er die Ware nicht bezahlen kann (z. B. Ent- oder Umschuldungsmaßnahmen).
Das Delkredererisiko (auch kommerzielles Risiko) bezieht sich auf die Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Abnehmers oder seines Garanten. Für das Exportunternehmen kann das zu einem Liquiditätsproblem führen, infolgedessen es keine neuen Aufträge annehmen kann, weil ihm die notwendigen Produktionsmittel fehlen.
Unter höherer Gewalt versteht man unvorhergesehene Ereignisse (Naturkatastrophen, Kriege usw.), die die Versendung der Ware unmöglich oder unzumutbar machen.
Das Wechselkursrisiko bezieht sich auf die Kursschwankungen des Schweizer Franken im Verhältnis zur Währung, in der die Exporte fakturiert werden. Je höher der Kurs des Franken, desto kleiner die Margen für Exporte in Fremdwährungen, und umgekehrt.
Es gibt noch viele andere Risiken, die im Zuge eines Exports eintreten können, beispielsweise Feuer- oder Transportrisiken usw.
Die möglichen Probleme im internationalen Geschäft sind extrem vielfältig: Fehlplanungen und Pech wie bei Thyssen-Krupp, Unruhen im Auslandsmarkt, Verständigungsprobleme, Korruption und so weiter. Wo es beim internationalen Geschäft grundsätzlich haken könnte, hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vor einigen Jahren rund 12.000 mittelgroße Unternehmen befragt. Jedes fünfte Unternehmen gab an, im Ausland „gesetzliche und bürokratische Hürden“ zu fürchten. Mangelnde Sprach- und Kulturkenntnisse erkannte immerhin ein Zehntel der Befragten als potentielles Problem.
Letzteren Punkt stuft der Ökonomie-Professor Andreas Knorr als deutlich bedeutender ein. „Wal-Mart etwa hat in Deutschland alles falsch gemacht, was sie falsch machen konnten“, sagt Knorr über die vor zehn Jahren vergurkte Expansion des US-Handelsriesen nach Deutschland. „Zu wenige Marktanalysen und der Versuch, Deutschland die amerikanische Verkaufskultur überzustülpen“ seien die Hauptknackpunkte gewesen. Wal-Mart-Märkte sind riesige, dunkelblaue Einkaufstempel. In den USA können Kunden dort von Cornflakes, über Möbel bis hin zu Medikamenten im Prinzip alles kaufen.
Als der Konzern 1997 versuchte, Deutschland zu erobern, waren besonders im Lebensmittelbereich Einzelhändler wie Metro, Aldi oder Marktführer Edeka längst flächendeckend vertreten. Knorr attestiert Wal-Mart „ein unglaubliches Maß an Ignoranz gegenüber den spezifischen Gegebenheiten des stark auf Wettbewerb ausgerichteten, deutschen Einzelhandelsmarkt“. Etwa sei die Konzernsprache auch in Deutschland Englisch gewesen. Viele Mitarbeiter und Kunden hätten sich durch die aufgezwungene Fröhlichkeitskultur bei Wal-Mart eher belästigt gefühlt.
Der Wirtschaftswissenschaftler betreut gerade eine Doktorarbeit, aus der hervorgehe, dass 90 Prozent aller untersuchten Joint Ventures von deutschen und russischen Mittelstandsunternehmen wieder auseinanderbrechen. Oft wegen kulturellem Unverständnis. Vor zu viel Hybris im Auslandsgeschäft sind auch kleinere Firmen wie das Berliner Startup MyParfum nicht gefeit. Die Geschichte von Aufstieg und Fall des Parfümherstellers lässt fast schwindlig werden. Zwischen der Eigenproduktion im elterlichen Kinderzimmer und dem Entschluss zur Auslandsexpansion lagen gerade einmal knapp zwei Jahre.