
Vergütungsexperte Michael H. Kramarsch.
Hostettler, Kramarsch & Partner ist eine der führenden Vergütungsberatungen. Zuletzt hat die Firma unter anderem den Reisekonzern Tui bei der Neugestaltung der Aufsichtsratstantieme unterstützt.
Herr Kramarsch, haben Sie am Sonntag eine Sektflasche geleert?
Nein, das habe ich nicht.
Aber die Schweizer haben am Wochenende für eine Revolution der Vorstandsvergütung gesorgt. Da steigt der Beratungsbedarf – und das ist ihr Geschäft.
Eine gewisse Stimulanz für unser Geschäft wird das bedeuten, da gebe ich Ihnen Recht.
Was halten Sie dann davon, dass künftig in der Schweiz die Aktionäre über die Gesamtvergütung des Vorstands und Verwaltungsrats entscheiden sollen?
Durch die „Abzocker“-Initiative ist der Eindruck entstanden, dass die Schweiz ein Hort guter Unternehmensführung ist. Dem ist nicht so. Sie hinkt anderen Ländern weit hinterher – auch bei Aktionärsrechten. Jetzt wird erstmals daran etwas geändert und zwar abgesichert durch eine breite Mehrheit in der Bevölkerung. Bei Vorstandsgehältern holt die Schweiz auf, sie überholt nicht.
Zum Ende des Infineon-Geschäftsjahrs (30. September 2012) wechselte auch der Vorstandschef. Reinhard Ploss übernahm von Peter Bauer den Posten.
Bauer hatte 2011/12 insgesamt 2,9 Millionen Euro verdient und damit etwas deutlich weniger als 2011 (3,7 Millionen Euro).
Der Chef des Chemiekonzerns, Kurt Bock, verdiente mit 5,29 Millionen Euro im Jahr 2012 nahezu unverändert im Vergleich zum Vorjahr. Er hatte sein Amt im Mai 2011 angetreten.
Marijn Dekkers, Niederländer an der Spitze des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer, hat im Jahr 2012 insgesamt 5,06 Millionen Euro verdient, nach 4,49 Millionen Euro im Vorjahr.
Ende April hatte Stefan Heidenreich beim Kosmetikkonzern Beiersdorf das Amt des Vorstandschefs übernommen. Im Jahr 2012 verdiente er 2,6 Millionen Euro.
Das Adidas-Ergebnis fiel 2012 vor allem wegen eines schwachen Geschäfts der Marke Reebok nicht so rosig aus. Adidas-Chef Herbert Hainer verdiente 2012 insgesamt 4,18 Millionen Euro und damit 28 Prozent weniger als 2011 (5,14 Millionen Euro).
Bei Thyssen-Krupp kämpft Vorstandschef Heinrich Hiesinger mit der Aufarbeitung diverser Skandale und Fehlinvestitionen. Im Geschäftsjahr 2011/2012 (bis 30. September) verdiente er 3,85 Millionen Euro.
Der Vorstandschef des Pharmakonzern verdiente 2012 insgesamt 5,52 Millionen Euro und damit fast ein Drittel mehr als 2011 (4,2 Millionen Euro).
Der Österreicher verdiente im Geschäftsjahr 2011/2012 insgesamt 7,87 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 8,74 Millionen Euro.
Ende 2013 gibt René Obermann sein Amt an den jetzigen Finanzvorstand Timotheus Höttges weiter. Obermann verdiente 2012 insgesamt 3,78 Millionen Euro und damit nahezu unverändert so viel wie 2011 (3,85 Millionen Euro).
Der Linde-Chef hat gesagt, kein Interesse an einer Vertragsverlängerung zu haben. Im Jahr 2012 verdiente er bei dem Industriegase-Spezialisten 6,9 Millionen Euro, fast genau so viel wie ein Jahr zuvor.
Der dänische Chef des Konsumgüter- und Klebstoffkonzerns Henkel, Kasper Rorsted, hat im Jahr 2012 insgesamt 6,18 Millionen Euro verdient, ein sattes Plus von fast 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr (4,79 Millionen Euro).
Zur Jahresmitte 2012 hatte Peter Terium den Spitzenposten beim Energiekonzern RWE angetreten. Er verdiente im Jahr 3,8 Millionen Euro, ein sinnvoller Vergleich zum Vorjahr ist nicht möglich.
Der VW-Chef erhält rund 14,5 Millionen Euro für das abgelaufene Jahr (2012) und damit 5,5 Millionen weniger, als ihm nach den zuletzt gültigen Kriterien zugestanden hätten.
Damit will VW verhindern, erneut ins Zentrum einer Diskussion um hohe Managementbezüge zu geraten wie 2011, als Winterkorn mehr als 17 Millionen Euro verdiente.
Der Daimler-Vorstandschef hat im vergangenen Jahr inklusive Aktienoptionen 8,15 Millionen Euro verdient. Das war etwas weniger als 2011 (8,65 Millionen Euro).
Geschäftsberichte / Hostettler, Kramarsch & Partner
Wie meinen Sie das?
In der Diskussion ist untergangenen, dass es in Deutschland und der Schweiz völlig unterschiedliche Herangehensweisen gibt. In Deutschland wird über die Vergütung des – per Gesetz unabhängigen – Aufsichtsrats von der Hauptversammlung entschieden. In der Schweiz ist das anders. Der Verwaltungsrat konstituiert sich selbst und entscheidet über seine eigene Vergütung. Die Transparenz und die Aktionärsmitsprache zu stärken, kann nur gut sein.
Hat Ex-Novartis-Verwaltungsratschef Daniel Vasella mit der 58 Millionen Euro Abfindung, auf die er schließlich verzichtete, einen Bärendienst erwiesen?
Es gibt immer Einzelfälle, an denen sich regulatorische Entwicklungen fest machen lassen. Sicherlich hat sein Auflösungsvertrage, der in Deutschland übrigens gesetzlich nicht möglich gewesen wäre, die Initiative befeuert.
17 Kommentare zu "„Abzocker“-Initiative: „Wer die Schweiz nachahmen will, macht Wahlkampf“"
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Wo die Basis stimmt, brauchts keine Revolution, Vandale.
"Manager versuchen, ihre Stellung in der Mitte der Gesellschaft zu festigen."
Mit 14 Mio Euro pro Jahr steht Winterkorn also in der Mitte der Gesellschaft. Dieser eine Satz sagt mehr über die wahre geistige Verfassung von Herrn Kramarsch aus als lange Litaneien zur Corporate Governance.
Irgendwie scheint die soziale Wirklichkeit bei diesem Interview/Artikel immer noch ausgeblendet zu werden:
1. Einen empirisch-kausalen Zusammenhang zwischen Entlöhung und Unternehmens bzw. Leistungserfolg auf Senior-Stufe gibt es auch in Deutschland nicht. Die Finanzkrise hat ihn widerlegt.
2. Daran hat in Deutschland auch die etwas andere Unternehmensverfassung nichts geändert.
2. Einen Arbeits-MARKT so wie er für Otto-Normalarbeitssuchenden gilt, gibt es für Hochbezahlte nicht. Oder glaubt irgendjemand, das es weltweit nicht andere Qualizierte gibt, die in der Lage wären, den überbezahlten Job für die Hälfte zu machen? Sind diese Hochbezahlten alles Jesus'e die übers Wasser laufen?
3. An den Corporate Governance-Regeln in Deutschland wird schon seit mehr als 10 Jahren rumgeschraubt, an den überrissenen Entlöhnungen hat sich nichts geändert, im Gegenteil.
4. Es fliessen mit gesundem Verstand nicht nachvollziehbare Entlöhnungen nicht nur an einzelne Banker, sondern zur Senior-Stufe darunter und in anderen Branchen.
5. Das was zunächst durch die Schweizer-Medien ging, war nur die Spitze des Eisberges, da kam im Verlauf des Diskurses immer mehr Unerhörtes zum Vorschein und es dürfte noch lange nicht alles sein.
Der politische Diskurs in der Schweiz läuft anders als in Deutschland. Dies führte dazu, dass es dem Schweizer Stimmbürger dann doch einmal dämmerte: Hier bedienen sich die Akteure einer postaristokratischen Klasse. Es geht also nicht um die rechten und linken Kategorien des politischen Spektrums oder um Sozialneid oder um Wahlkampf oder um Populismus, sondern um ein urdemokratisches Anliegen, welches wir schon spätestens seit dem 18. Jahrhundert kennen: WIR WOLLEN KEINEN (GELD)-ADEL, DER DIE GELD- UND VERMÖGENSVERTEILUNGSREGELN NACH EIGENEM GUTDÜNKEN FÜR SICH SELBER DEFINIERT !
Brauchen wir in Deutschland wieder mehr als 100 Jahre, bis das in unserem politischen System ankommt und eine Änderung zu empirisch nachvollziehbaren Resultaten führt?
So sehr ich den Ausgang des Volksentscheids in der Schweiz begrüße, so sehr frage ich mich, ob das nun wirklich ein Durchbruch ist. Die Mehrheit der Aktionnärs-Stimmrechte liegen i.d.R. bei institutionellen Anlegern (Fonds). Ich bezweifle, dass diese im Sinne ihrer Anleger abstimmen, sind doch die Fondsmanager Teil des Systems.
„Wer die Schweiz nachahmen will, hat anscheinend keine eigene Demokratie“
Der Aktionär ist mit seinen Aktien der Souverän einer AG.
Also hat er die Höhe der Vorstandsbezüge maßgeblich mit zu bestimmen.
Nur weil in der BRD seit Jahren die Selbstbedienungsmentalität innerhalb der AG`s zwischen Vorständen und Aufsichtsräte, unter Ausschluß der Aktionäre, tadellos funktuinierte heißt das nicht, daß dies unbedingt in Ordnung geht.
Man kann auch die sehr hohen Rückstellungen innerhalb der AG`s beanstanden, denn damit sollen Fehler der Vorstände in einen laufenden Geschäftsjahr kaschiert werden!
Auch hier sollte es so sein wie im Mittelmanagment, wer ncht gut genug ist, muß gehen.
Was hat diese Betrachtungsweise mit Wahlkampf zu tun? oder bin ich gar ein verkappter Kommunist oder noch schlimmer!
Cogito ergo sum.
Ich denke, also bin ich.
Auch wenn es nur bewirken sollte,dass die Manager,die miserable Leistungen abliefern bestraft werden,sind wir schon einen guten Schritt weiter.Wenn der Aktionär sieht,dass seine Dividende gestrichen wird und die Vorstandsgehälter erhöht werden,dann gibt´s demnächst eine Schelle,die sich gewaschen hat.Hoffe ich jedenfalls schwer!
Noch nirgendwo habe ich in dieser Debatte einen Aufschrei, oder wenigstens einen Widerspruch zu dem Begriff "Abzocker" gehört oder gelesen.
Da muss also doch etwas dran sein.
Die Managergehälter sollten immer eine relative Größe, z.B. das 30fache der Durchnittsgehälter in der Firma, betragen. Wenn sich der Vorstand dann einen Schluck aus der Pulle nehmen will, braucht er nur die Gehälter der Mitarbeiter zu erhöhen :-)
Bisher mussten wir hier ja auch jedes noch so simple Thema komplett neu erfinden. Vorgänge die in Nachbarländern seit Jahrzehnten einwandfrei liefen, mussten wir von vorn neu aufbauen. Das ist Eins der vielen Dinge, die mich hier in diesem Land so nervt.
Der Typ mit dem schwarzen Kapuzenpulli passt überhaupt nicht zum Artikel, denn er stellt wohl kaum den typischen Aktionär dar, der nun ein Mitspracherecht bei der Vorstandsvergütung erhält. Aus meiner Sicht ist diese Entscheidung evolutionär und zwar in die richtige Richtung. Sie ist weder spektakulär noch revolutionär.
Ein biederer, sich freuender "Normalo" hätte wohl nichts hergemacht, da muß man schon so einen autonomen Krawallbruder abbilden, der im Prinzip nichts damit zu tun hat?!