Bilanz-Analyse Deutschlands Konzerne sind liquide, aber wenig profitabel

Der Autobauer hat mit 30,7 Milliarden Euro den höchsten Cashflow angehäuft.
Düsseldorf Die Umsätze und Gewinne brechen ein, doch auf eines immerhin können sich Deutschlands Top-Konzerne in der aktuellen Krise verlassen: ihre eigene Liquidität. Zum Ende des Jahres 2019 verfügten die Dax-Konzerne über liquide Mittel in Höhe von 99,4 Milliarden Euro. Der operative Cashflow, also die mit ihrer Geschäftstätigkeit erwirtschafteten liquiden Mittel, stieg binnen eines Jahres um gut elf Prozent auf 142,8 Milliarden Euro.
Darin sind Banken und Versicherungen nicht enthalten, weil ihre Kennzahlen nicht mit den übrigen Unternehmen vergleichbar sind. Am meisten Cashflow hat Volkswagen mit 30,7 Milliarden Euro angehäuft, gefolgt von der Deutschen Telekom mit 23 und Daimler mit 13 Milliarden Euro.
Das zeigt eine aktuelle Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY auf der Basis der Geschäfts- beziehungsweise Quartalsberichte der im Deutschen Aktienindex (Dax) gelisteten Unternehmen. „Die Dax-Unternehmen verfügen mehrheitlich über hohe, wenngleich natürlich nicht unbegrenzte Barreserven“, stellt Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland, fest.
Vor allem die jetzt in der Krise besonders betroffenen Unternehmen aus der Automobilindustrie halten erhebliche liquide Summen in Reserve. Volkswagen, BMW, Daimler und Continental weisen in ihrem Finanzvermögen Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente in Höhe von zusammen 46,7 Milliarden Euro aus.
Die Konzerne dürften jetzt alles daransetzen, die Mittelabflüsse zu minimieren. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten, darunter das neue Kurzarbeitergeld, staatliche Bürgschaften, aber auch die Dividendenzahlungen für das abgeschlossene Geschäftsjahr. So plant die Lufthansa, keine Dividende für ihr abgelaufenes Geschäftsjahr auszuschütten. BMW und Daimler haben sie gegenüber dem Vorjahr gekürzt.
In der Krise hilfreich ist das Eigenkapital. Es stieg bei den Dax-Konzernen im Laufe des vergangenen Geschäftsjahres um knapp vier Prozent auf 656 Milliarden Euro. Da die Unternehmen ihre Bilanzsummen noch etwas stärker erhöhten, sank die Eigenkapitalquote leicht von 35,5 auf 34,5 Prozent. Das ist aber immer noch ein guter Wert. Allerdings sind die Schwankungen groß: Beiersdorf und Infineon haben eine Eigenkapitalquote von mehr als 60 Prozent, bei Eon liegt sie nur bei 13 Prozent.
Insgesamt steigerten die Dax-Konzerne im abgelaufenen Geschäftsjahr ihre Umsätze um sechs Prozent auf 1,4 Billionen Euro. Allerdings verdienten sie vor Steuern und Zinsen mit 105,6 Milliarden Euro 15 Prozent weniger als im Jahr 2018. Verantwortlich dafür waren vor allem starke Einbußen bei SAP (minus 22 Prozent), BASF (minus 32 Prozent), Daimler (minus 61 Prozent), Eon (minus 66 Prozent) und Covestro (minus 67 Prozent).
Zwei Unternehmen bilanzierten rote Zahlen: Continental mit minus 268 Millionen Euro und die Deutsche Bank mit minus 2,6 Milliarden Euro. Am meisten verdiente Volkswagen mit knapp 17 Milliarden Euro. Dahinter folgt der Versicherer Allianz mit 11,9 Milliarden Euro.
Viele Prognosen unter Vorbehalt
Mehr Umsatz und deutlich weniger Gewinn – das zehrte erheblich an der Profitabilität. Mit jedem Euro Umsatz verblieb bei den Unternehmen nach Handelsblatt-Berechnungen vor Steuern und Zinsen durchschnittlich nur 7,5 Cent Gewinn. 2018 waren es noch 9,4 Cent.
Mehr als die Hälfte ihrer Umsätze, 52 Prozent, erwirtschafteten die Dax-Konzerne im Ausland. In Nordamerika lag der Anteil bei 27 Prozent, in Asien bei 19 Prozent. Am besten entwickelte sich das Amerika-Geschäft mit einem Umsatzplus von elf Prozent.
Mit Blick auf 2020 haben die meisten Konzerne ihre Prognosen unter Vorbehalt gestellt, da sich die Situation angesichts der Corona-Pandemie sehr dynamisch entwickelt. Mit BMW, Munich Re und Fresenius haben bislang nur drei Unternehmen konkretere Angaben zu den erwarteten Auswirkungen gemacht: Munich Re erwartet derzeit „insgesamt keine materiellen Auswirkungen auf das Jahresergebnis“, im schlimmsten Fall könne die Pandemie zu einer Belastung von 1,4 Milliarden Euro führen.
Fresenius sieht „keine signifikant negativen finanziellen Auswirkungen“, BMW rechnet nunmehr nur noch mit einer Profitabilität vor Steuern und Zinsen (Ebit-Marge) im Segment Automobile zwischen zwei und vier Prozent. Die Lufthansa teilt in ihrem Prognosebericht lediglich mit, dass ein „deutlicher Umsatz- und Ergebnisrückgang“ erwartet werde.
Angesichts der schwächeren Konjunkturentwicklung haben viele Unternehmen bereits im vergangenen Jahr Kostensenkungsprogramme aufgelegt. Dies hat teils zu hohen Restrukturierungskosten, aber auch zu einem geringeren Beschäftigungswachstum geführt hat als im Vorjahr: Die Zahl der weltweit Beschäftigten stieg nur noch um gut 60.000, nachdem sie 2018 noch um 110.000 gewachsen war – also fast doppelt so stark.
Mehr: Der Corona-Schock: Wie gut gerüstet sind Deutschlands Konzerne?
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