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Carsten Maschmeyer beim Start-up-Camp „Fachidiot schlägt Kunden tot“

Carsten Maschmeyer hält einen Vortrag in Berlin und Hunderte junger Gründer hängen ihm an den Lippen. Seine Kalendersprüche treffen offenbar genau den Nerv des Publikums. Und Veronica Ferres ist auch ein bisschen dabei.
08.04.2016 - 20:30 Uhr
Seine Start-ups seien für ihn wie Kinder, sagt Maschmeyer. Quelle: dpa
Carsten Maschmeyer

Seine Start-ups seien für ihn wie Kinder, sagt Maschmeyer.

(Foto: dpa)

Carsten Maschmeyer wird gefeiert wie ein Popstar. Er spricht kurz vor der Mittagspause, als Redner Nummer acht, vor einem Publikum, dem es normalerweise schwer fällt, länger als zehn Minuten zuzuhören, ohne auf dem Smartphone etwas anderes zu machen. Bei Maschmeyer zücken sie die Smartphones nur, um zu fotografieren. Auf den Vortrag folgt frenetischer Applaus. Dann stehen sie Schlange für ein Selfie mit dem Unternehmer, Investor, TV-Juror und Autor von Büchern wie „Die Millionärsformel“.

Millionär, das würden hier viele gern werden. Hunderte junger Gründer und Studenten sind zum Start-up-Camp des Bundesverbands der deutschen Start-ups gekommen, an der Humboldt-Universität zu Berlin. Im Eingang erinnert eine Plakette daran, dass Albert Einstein hier früher Vorträge zur Relativitätstheorie gehalten hat. Jetzt steht Carsten Maschmeyer auf der Bühne und redet über das Geheimnis des Erfolgs.

Viele der Sätze, die er sagt, könnten auch in einem Kalender stehen. „Die Vergangenheit kann man nicht ändern, die Zukunft schon“, oder: „Ein Rückschlag ist ein Vorschlag für eine Verbesserung.“ Die Leute lieben es.

Vorher haben sie sich eine Reihe von Ermahnungen anhören müssen. Matthias Machnig, SPD-Mitglied und Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, polterte, dass Firmen wie der Taxivermittler Uber weder Arbeitsplätze noch Innovation schaffen würden. Der Berater Patrick Stähler forderte von der deutschen Start-up-Szene relevantere Geschäftsmodelle. Und Frank Thelen, Maschmeyers Jury-Kollege in der Casting-Show „Die Höhle der Löwen“, warnte davor, Technik-Trends wie Bots oder Virtual Reality nicht zu verschlafen. 

Maschmeyers Botschaft ist einfach: Jeder kann es schaffen. Er muss es nur wirklich, wirklich wollen. Seine Lebensgeschichte ist ein Beispiel dafür. Ein Schlüsselkind sei er gewesen, erzählt Maschmeyer, aufgewachsen in einfachsten Verhältnissen, den Wohnungsschlüssel immer um den Hals, weil die Mutter nie zu Hause war. Als Jugendlicher jobbte er im Supermarkt. Dann fing er an, Finanzprodukte zu verkaufen. Und erkannte, dass man als Vertreter nicht weit kommt, wenn man bloß einen Standard-Vortrag hält. „Die Frage muss nicht lauten: Willst du diesen Bausparvertrag? Sondern: Willst Du Dich finanziell verbessern?“, erklärt Maschmeyer.

Was dann folgte, ist bekannt: Ende der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gründete Maschmeyer den Finanzdienstleister AWD, stellte über die Jahre 10.000 Mitarbeiter ein, ging an die Börse und verkaufte seine Mehrheit später für fast zwei Milliarden Euro. Seit ein paar Jahren investiert er in Start-ups, über die Investmentfirma Alstin oder neuerdings über den  Frühphasenfinanzierer Seed & Speed. 

Seine Start-ups seien für ihn wie Kinder, sagt Maschmeyer. Er versorge sie nicht nur mit Geld, sondern auch mit Kontakten und Know-How. Tatsächlich hält er zuweilen höchstpersönlich Vertriebsschulungen bei den Firmen ab, in die er investiert.

Man müsse die Kunden emotional packen, erklärt Maschmeyer auf der Bühne. Seine Frau zum Beispiel, die könne das sehr gut. Die gucke im Restaurant immer auf das Namensschild der Kellnerin und spreche sie dann mit ihrem Vornamen an. „Der schönste Klang im Ohr seines Menschen ist sein eigener Name“, sagt Maschmeyer. Er ist mit der Schauspielerin Veronica Ferres verheiratet. Man kann sich gut vorstellen, wie sich ein Kellner fühlt, wenn Frau Ferres ihn lächelnd beim Namen nennt.

Der Trick mag ein wenig altbacken klingen, doch an der Erkenntnis, die ihm zu Grunde liegt, hat sich seit Maschmeyers eigener Gründerzeit nichts geändert: Die allermeisten Firmen verkaufen ein Produkt, das niemand dringend braucht. Wofür die Menschen bezahlen, ist weniger das technische Detail, als vielmehr ein Gefühl. „Fachidiot schlägt Kunden tot“, so sagt es Maschmeyer. 

Was er nicht sagt, ist, wie viele Kunden sein Unternehmen enttäuscht hat, die Verluste mit Produkten des AWD erlitten, den Kritiker beharrlich als „Strukturvertrieb“ bezeichnen.

Dabei sind Fehler und der Umgang damit eines seiner Lieblingsthemen. Er habe viele Fehler gemacht, die andere nicht mehr machen müssten, sagt Maschmeyer. Ganz falsch aber sei die Angst vor neuen Fehlern. Es gebe zum Beispiel viele Unternehmer, die Angst hätten, einen Kunden anzurufen, obwohl die härteste Konsequenz doch wäre, dass der Angerufene den Hörer auflegt. „Drei Prozent Chance sind mehr als null Prozent“, ruft Maschmeyer. An dieser Stelle lachen viele Zuhörer wie ertappt. „Der hat mir ins Herz gesprochen“, sagt eine junge Frau. Sie guckt, als habe Veronica Ferres sie gerade beim Vornamen genannt. 

Selbstbewusst sein heiße, sich bewusst zu sein, dass es an einem selbst liegt, sagt Maschmeyer und dass er kein Verständnis dafür habe, wenn ein Gründer meine, es sei cool, sich mitten in der Woche einen Tag im Homeoffice zu gönnen. Wenn er selbst am Montag mal ausschlafe, fühle er sich immer noch, als würde er die Schule schwänzen.

Er wolle Erfahrung weitergeben, er habe so ein Lehrergen, sagt Carsten Maschmeyer später. In seiner Jugend sei er ein guter Mittelstreckenläufer gewesen. Da seien die kleineren Jungs auf dem Sportplatz immer zu ihm gekommen und hätten gefragt, ob er ihnen beibringen könne, wie das geht. „Carsten! Carsten!“, hätten sie gerufen. Es scheint ihm gefallen zu haben. Vielleicht ist es gar nicht nur so, dass die Start-ups Carsten Maschmeyer brauchen. Vielleicht braucht er auch die Start-ups.

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