Daimler, Siemens und andere Wie sich Dax-Chefs an Fusionen in den USA verhoben

Die „Hochzeit im Himmel“ zwischen Daimler und Chrysler scheiterte.
New York/Düsseldorf Die Anleger sind skeptisch: Seitdem Bayer dem amerikanischen Saatguthersteller Monsanto ein Übernahmeangebot unterbreitet hat, ist der Wert des deutschen Pharmakonzerns an der Börse um fast zehn Milliarden Euro gesunken. Die Aktionäre sorgen sich, dass die gebotenen 55 Milliarden Euro zu viel Geld für diese Firma sind. Als Monsantos Verwaltungsrat am Donnerstag das Angebot ablehnte, erholte sich der Bayer-Kurs prompt. Anleger spekulieren darauf, dass der Deal platzt.
Nüchtern betrachtet reagieren die Börsianer keineswegs panisch, sondern logisch. Denn die Mehrheit aller deutsch-amerikanischen Übernahmen ging in der Vergangenheit schief. Oftmals sind die Kaufpreise zu hoch, so dass sich die Übernahmen nicht rechnen. Auch stellen sich erhoffte Synergien nicht ein. Vor allem aus logistischen, kulturellen und juristischen Gründen sind US-Akquisitionen nicht einfach. Schon vor 15 Jahren unterschätzten Konzerne wie Adidas, Daimler, Deutsche Telekom oder Lufthansa die Herausforderungen. Sie gaben Milliarden Dollar für Reebok, Chrysler, Voicestream und Sky Chef aus, um sie später abschreiben zu müssen.
So meinen deutsche Manager oft, das Land zu kennen, verwechseln aber Fernsehwissen mit Vor-Ort-Kenntnis. Die USA sind 27-mal so groß wie Deutschland. Das hört sich wie eine Banalität an, führt aber zu großen Herausforderungen. Beispiel Voicestream, das heutige T-Mobile US, das in Seattle sitzt und mit neun Stunden Zeitunterschied zu Bonn über die Jahre wie ein einsamer Satellit vor sich hin trudelte.
Bei Verhandlungen, wie einst zwischen Daimler und Chrysler, beginnen die Missverständnisse – sie rollen sich zu ernsthaften Problemen auf. Amerikaner sind erzogen, Kritik freundlich zu verpacken. Deutsche verwechseln das mit Zustimmung. Sie sind es gewöhnt, zu sagen, was sie denken – so wie Ex-Daimler-Chef Jürgen Schrempp. Das kommt bei Amerikanern als besserwisserisch oder arrogant an. „Nur oberflächlich betrachtet sind sich Deutsche und Amerikaner ähnlich“, sagt Rudolph Houck, ein auf transatlantische Übernahmen spezialisierter Anwalt in New York. Beispiele für transatlantische Fusionen:
Telekom / Voicestream: Hoher Kaufpreis – hohe Abschreibungen
Es ist bis heute die größte Übernahme eines US-Unternehmens durch einen deutschen Konzern: Im Jahr 2000 kaufte die Deutsche Telekom mit Ron Sommer an der Spitze den US-Telekommunikationsanbieter Voicestream für rund 50 Milliarden Dollar – umgerechnet knapp 40 Milliarden Euro. Dabei hatte der Mobilfunker ein Jahr zuvor nicht einmal 470 Millionen Dollar Umsatz erwirtschaftet. Die Bonner gingen jedoch davon aus, dass der Umsatz des US-Zukaufs 2001 bereits bei vier Milliarden Dollar liegen werde. Die Aktionäre teilten diese Hoffnung nicht, sie hielten den Preis für zu hoch. Der Wert der Aktie fiel um zwölf Prozent.
Ihre Einschätzung sollte sich als richtig erweisen: Die Deutsche Telekom korrigierte zwei Jahre später den Wert der neuen Tochter um fast 20 Milliarden Euro nach unten.
Lange versuchte die Telekom, die Tochter loszuwerden. Doch ein Verkauf an den Wettbewerber AT&T scheiterte 2011 an der Kartellbehörde. AT&T zahlte daraufhin drei Milliarden Dollar Ausfallgebühr und überschrieb T-Mobile US einen Teil ihrer Mobilfunkfrequenzen. Dies investierte das Unternehmen unter anderem in den Ausbau der Infrastruktur. 2012 fusionierte der Mobilfunkanbieter mit MetroPCS. 2013 ging das Unternehmen an die Börse. Erst seit rund zwei Jahren entwickelt sich T-Mobile US erfolgreich. 2015 erreichte sie 30 Milliarden Euro Umsatz.
Daimler / Chrysler: Teure Jahre in der Ehehölle
Als „Hochzeit im Himmel“ feierten Daimler und Chrysler im Mai 1998 ihre Fusion. Größe war ihre Logik, nur große Unternehmen überleben im Autogeschäft, predigte Daimler-Chef Jürgen Schrempp. Und mit 234 Milliarden Mark Umsatz war das Konglomerat plötzlich doppelt so groß wie Volkswagen. Doch dem Höhenrausch folgte schnell die Ernüchterung, denn es fehlte von Beginn an ein Plan für die Zusammenführung. Schnell stellte sich heraus: Die erwarteten Synergien zwischen den Herstellern amerikanischer Massenware und deutschen Luxusprodukten gab es nicht, weder auf der technischen Ebene noch im Vertrieb.
Schlimmer noch: Die Firmenkulturen passten nicht zusammen, Amerikaner und Schwaben trauten sich nicht über den Weg. Als Chrysler im Jahr 2000 mit 5,4 Milliarden Euro in die Verluste rauschte und sich bei Mercedes die Qualitätsprobleme häuften, war es zu spät. Daimler musste Chrysler sanieren. Der heutige Konzernchef Dieter Zetsche strich in den USA 26.000 Jobs und schloss mehrere Werke.
Die Rosskur gelang, Zetsche löste Jürgen Schrempp als Unternehmenschef ab. Daimler verkaufte Chrysler im Jahr 2007, kurz vor der Finanzkrise. Daimler bezahlte das Abenteuer mit dem Verlust der Marktführerschaft, BMW zog im Absatz vorbei. Die Rechnung für die Aktionäre: rund 50 Milliarden Euro an verlorenem Aktienkapital.
Deutsche Bank / Bankers Trust: Der Ausbau des Investmentbankings war fatal
Mit dem Kauf der Investmentbank Bankers Trust wollte die Deutsche Bank in den Olymp der globalen Investmentbanken aufsteigen: Ende 1998 legte der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer, 9,7 Milliarden Dollar für die angeschlagene Nummer acht der USA auf den Tisch. Die Deutsche Bank stieg damit zum größten Geldhaus der Welt auf. Kritiker bezeichneten den Deal aber als zu teuer und überstürzt. Und im vergangenen Herbst schrieb die Deutsche Bank nun auch 2,2 Milliarden Euro im Investmentbanking ab – der Großteil davon ging auf das Konto von Bankers Trust.
Dabei ging die Strategie zunächst auf: „Die Deutsche Bank benötigte für ihre Strategie einen relevanten Marktanteil in den USA, um ein Global Player zu werden“, sagt Dieter Hein, Analyst von Fairesearch. Das gelang. Dem Zukauf verdankt die Bank ihren Status als größte Auslandsbank der USA.
Doch das Institut zahlte einen hohen Preis dafür: Fortan prägten die Investmentbanker die Unternehmenskultur. Viele der Skandale der Bank gehen auf ihr Konto. „Im Rückblick hätte die Bank besser die Finger davon gelassen“, sagt Hein deshalb. Die Regulierung ist mittlerweile so streng, dass sich das Investmentbanking vielfach gar nicht mehr lohnt. Außerdem versagte das Risikocontrolling im Investmentbanking, wie die hohen Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten bis heute zeigen.
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