Die Skandale der Finanzwelt Robert Bosch statt Gordon Gekko

Die Filmfigur des skrupellosen Bankers Gordon Gekko, dargestellt von Michael Douglas (links).
Stuart Gulliver war sichtlich genervt. Wieder einmal stand die von ihm geleitete britische Bank HSBC wegen angeblichen Fehlverhaltens am Pranger – dieses Mal ging es um Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Und so verstieg er sich Anfang des Jahres zu der Aussage: „Es erscheint mir, dass wir große Unternehmen an höheren Standards messen als das Militär, die Kirche oder das Beamtentum.“
Der spontan formulierte Ausspruch beförderte eine Haltung ans Tageslicht, die leider in den oberen Etagen der großen Banken immer noch allzu häufig anzutreffen ist: Das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben, aber einfach nur von Politik und Medien ungerecht behandelt worden zu sein. Und eine an Arroganz schwer zu übertreffende Auffassung, dass der Rest der Gesellschaft das segensreiche Wirken der Banken einfach nicht verstehe.
Doch die Realität ist leider eine andere. Fast 200 Milliarden Dollar habe die großen Banken in den USA und Europa in den vergangenen fünf Jahren an Strafen für eine lange Liste an kriminellen Handlungen gezahlt, in die sie verwickelt waren und sind: Marktmanipulation, Hilfe zur Steuerhinterziehung, Kundenbetrug und weitere Schandtaten.
Immer noch einiges im Argen
Es ist ein Strafregister, dass so manchem Mafiaboss großen Respekt abringen würde. Und das auf frappierende Art zeigt, dass bei den Banken immer noch einiges im Argen liegt: Über Lippenbekenntnisse ist der von Topbankern viel beschworene Kulturwandel bislang nicht weit hinausgekommen.
Mutigere und radikalere Schritte, wie sie nun auch von der einflussreichen „Gruppe der G-30“ vorgeschlagen wurden, sind dringend notwendig.
Eine Grundvoraussetzung: Die Topbanker müssen den Kulturwandel endlich verinnerlichen, und nicht nur als imageträchtigen Banner vor sich hertragen. Der Begriff ist in den vergangenen Jahren derart strapaziert worden, dass er zum inhaltsleeren und unglaubwürdigen Schlagwort verkommen ist. Schuld daran haben Bankmanager wie der ehemalige Deutsche-Bank-Co-Chef Anshu Jain, der den Kulturwandel vollmundig propagierte, während die Bank gleichzeitig die Ermittlungen der Aufsicht im Libor-Skandal behinderte.
Kulturwandel nur ein kurzfristiger Trade?
Im Nachhinein drängt sich geradezu der Eindruck auf, dass der Kulturwandel für Jain und andere zu Topmanagern avancierte Händler lediglich ein weiterer kurzfristiger Trade war, eine Wette auf die Verbesserung des Images und sanftmütigere Aufsichtsbehörden. Dahinter steckt ein grundsätzliches Problem: Viel zu lange war den Mitarbeitern großer Banken, geprägt durch ihre wirtschaftliche Dominanz in der Zeit vor der Finanzkrise, jedes Mittel zum Erfolg recht.
Die Rendite und damit der persönliche Bonus verleitete zu unlauteren Methoden, der moralische Kompass ging verloren. Werte wie der Dienst am Kunden, gesellschaftliche Relevanz oder langfristiges Denken gingen in der wilden Rendite-Jagd unter.
Dabei geht es nicht um Einzelfälle. Zumindest für die großen (Investment-)Banken gilt die von Bankern gerne vertretene Einzeltätertheorie längst als überholt. Für Mark Carney, den aus Kanada stammenden Chef der englischen Zentralbank, handelt es sich nicht um einige schwarze Schafe, sondern um eine ganze Herde. Daher ist und bleibt der Kulturwandel in den Banken eine Mammutaufgabe, die Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird.
In Dekaden denken
Für einen derart fundamentalen Wertewandel ist ein Generationenwechsel an der Spitze notwendig. Die Welt braucht wieder „altmodische“ Topbanker, Dekaden statt Quartalen denken und das auch vorleben. Die den Kulturwandel auch nicht in sinkenden Rechtskosten oder weniger aufsichtsrechtlichen Ermittlungen zu messen. Sondern in einem langfristigen und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg, einer ehrbar erbrachten Leistung für den Kunden - und damit auch in einem Beitrag zur Gesamtgesellschaft.
Die Branche muss sich dazu an neuen Idolen orientieren. Statt der „Gier ist gut“-Mentalität des Klischeebankers Gorden Gekko aus dem Kinofilm Wall Street sollte sich die Branche lieber die langfristige und soziale Denkweise eines Robert Bosch zum Vorbild nehmen. Auf die Banken übertragen bedeutet das: Die ehrliche Beratung des Kunden steht zuvorderst, die Bezahlung der Mitarbeiter muss sich an ethischen Prinzipien und nachhaltigem Erfolg orientieren und Geschäfte werden nur dann getätigt, wenn sie nicht nur legal, sondern auch legitim sind.
Banker müssen ihr Tun an denselben Werten messen lassen wie jeder Teil der Gesellschaft - die Industrie, die Kirche, das Militär oder das Beamtentum. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Erst dann sind Kursmanipulationen, der Verkauf fauler Hypothekenpapiere oder exorbitante Boni-Zahlungen ausgeschlossen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.