Diversity-Managerin Barbara Thiel Mehr Farbe für Thyssen-Krupp

Weiter Weg zur Vielfalt im Konzern.
Düsseldorf Wenn Thyssen-Krupp an diesem Dienstag im schicken Essener Headquarter erstmals einen „Diversity-Tag“ begeht und die unterschiedlichen Talente seiner 150.000 Mitarbeiter feiert, dann darf sich auch Barbara Thiel feiern. Die 44-Jährige ist seit gut zwei Jahren bei dem Industriekonzern für Vielfalt und Inklusion zuständig, der Diversity-Tag sichtbarer Erfolg ihrer Arbeit.
Wer Thiel kurz nach ihrer Berufung auf die neue Aufgabe ansprach, der hörte: Thyssen-Krupp sei wie ein Tanker – und hier den Kurs zu ändern eine enorme Herausforderung. Doch die begeisterungsfähige Juristin, die gern und fröhlich lacht, lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass sie der Typ ist für große Herausforderungen. Und, um im Bild zu bleiben: Offenbar sitzt Thiel in der Nähe des Steuermanns, denn der Tanker bewegt sich.
Nun mögen Diversity-Tage mit Workshops über unbewusste Vorurteile oder Diskussionsrunden mit dem Personalvorstand bei vielen Dax-Konzernen gang und gäbe sein. Aber Thyssen-Krupp schien sich doch lange abzukoppeln von einer Personalpolitik, die auf Chancengleichheit und Vielfalt in der Belegschaft zielte. Man denke nur an den früheren Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der noch 2007 das Thema Frauenquote und Aufsichtsrätinnen unter dem Stichwort „Kaffeekränzchen“ abhakte.
Offenheit und Chuzpe
Aber das ist vorbei – auch dank der Arbeit von Barbara Thiel, die sich damals, als ihr Posten neu geschaffen wurde, einfach per E-Mail an den Personalvorstand bewarb. Das zeugte von ihrer Offenheit und Chuzpe, denn in der Zeit vor dem von Konzernchef Heinrich Hiesinger ausgerufenen Kulturwandel war das in der Thyssen-Krupp-Welt fast schon frech.
Thiel wechselte 2008 vom Versicherer Arag zu Thyssen-Krupp in die Rechtsabteilung und war schon dort international unterwegs. Auch auf ihrem neuen Posten reiste sie erst mal, begleitete etwa den Vorstand bei seiner Welttournee und stellte klar: Es geht ihr weder um Gutmenschentum noch um Farbkleckse in der Imagebroschüre, sondern um erfolgreiche Geschäfte.
Längst ist es in der Zentrale etwa kein Tabu mehr zu sagen, dass das Brasilien-Desaster ein Diversity-Problem war: Die entsandten Manager erkannten die örtlichen Probleme erst nicht, und dann traute sich keiner, vor den Folgen zu warnen.
Knackpunkt Familie und Beruf
Trotzdem ist auch Thiel klar: Der Weg zu Vielfalt auf allen Ebenen ist noch weit. Mitarbeiter aus 140 Ländern produzieren für den Konzern Stahl, Rolltreppen und U-Boote. 15 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, so hoch soll 2020 auch der Anteil weiblicher Führungskräfte sein. Doch den Konzernvorstand und die Chefposten der Business-Einheiten dominieren deutsche Industriemanager der 1960er-Jahrgänge. Eine, die die homogene Truppe aufbricht, ist Gabriele Sons, Personalvorständin im Bereich Elevators. Sie sagt unumwunden, dass sie es wohl nicht auf den Posten geschafft hätte, wenn sie Kinder bekommen hätte, anstatt sich mit Anfang 30 voll in die Arbeit zu stürzen.
Diversity-Managerin Thiel sieht in Deutschland denn auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Knackpunkt. Immerhin, Thyssen-Manager segnen den Bau einer Betriebskita mittlerweile in Minuten ab. Und die quirlige Managerin selbst kann zeigen, dass heute auch Mütter in Essen Karriere machen: Sie habe nun die nötige „street credibility“, attestierte ihr der Personalvorstand, als sie im vorigen Jahr ein Kind bekam – und bald in Teilzeit wieder einstieg.