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Firmenpleiten Insolvenzexperte Lucas Flöther: „Die Unternehmen erliegen der Verlockung des billigen Geldes“

Der renommierte Sanierungsexperte Lucas Flöther warnt vor einer verschleppten Pleitewelle. Gegenüber der Regelinsolvenz bevorzugt er das mildere Schutzschirmverfahren.
20.01.2021 - 12:31 Uhr Kommentieren
Der Sanierungsexperte ist Sprecher des Gravenbrucher Kreises, in dem Deutschlands führende Insolvenzverwalter zusammengeschlossen sind. Quelle: dpa
Lucas Flöther

Der Sanierungsexperte ist Sprecher des Gravenbrucher Kreises, in dem Deutschlands führende Insolvenzverwalter zusammengeschlossen sind.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Neue Ausnahmen von den eigentlich geltenden Insolvenzregeln verhindern bisher trotz Corona-Lockdown einen massiven Anstieg der Pleiten in Deutschland. Zwar müssen Unternehmen seit Januar wieder Insolvenz anmelden, wenn sie zahlungsunfähig oder überschuldet sind. Aber Firmen, die staatliche November- und Dezemberhilfen beantragt, diese aber noch nicht ausgezahlt bekommen haben, bleiben verschont.

Lucas Flöther, einer der bekanntesten Insolvenzverwalter Deutschlands, warnt trotzdem vor einer Pleitewelle. Diese dürfte kommen, falls die Zinsen steigen. Aber: „Auch ohne höhere Zinsen müssen viele notleidende Unternehmen jetzt höhere Zinslasten zahlen, als sie an Marge erwirtschaften. Das kann nicht gutgehen“, sagt Flöther im Interview mit dem Handelsblatt.

Zudem seien die sich ständig ändernden Regel auch für Fachleute verwirrend, sagt der 47-jährige Jurist, der unter anderem als Sachwalter von Condor und als Insolvenzverwalter von Air Berlin bekannt wurde. „Selbst Sanierungsexperten fragen sich derzeit gegenseitig um Rat, unter welchen Voraussetzungen Unternehmen wann Insolvenz anmelden müssen.“

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Professor Flöther, in den vergangenen Jahren gab es immer weniger Insolvenzen. Wurden sie durch die extrem niedrigen Zinsen verschleppt?
Ja, denn dadurch erliegen viele Unternehmen der Verlockung, das billige Geld zu nehmen und damit Verluste zu finanzieren, anstatt harte Sanierungsmaßnahmen anzugehen. Insolvenzen zögern sich dadurch immer weiter heraus.

Wann platzt die Bombe?
Wenn die Zinsen steigen.

Aber sie steigen nicht.
Auch ohne höhere Zinsen müssen viele notleidende Unternehmen jetzt höhere Zinslasten zahlen, als sie an Marge erwirtschaften. Das kann nicht gutgehen.

Was machen Sie als Erstes, nachdem Sie als Sachwalter bestellt wurden?
Wir sprechen viel: mit dem Management, den Beratern und Mitarbeitern. Wir lassen uns Zusammenhänge erklären: Woran liegt es, dass die Firma in die Situation gekommen ist? Der Blick richtet sich nach vorn: Was ist euer Plan? Gibt es ein Konzept, mit dem die Ursachen für die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nachhaltig beseitigt werden können?

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Wie entsteht aus der Schieflage und den unterschiedlichen Interessen ein Konzept?
Am wichtigsten ist es, einen Konsens herzustellen, denn ein Restrukturierungsplan ist mehrheitsgetrieben. Die Mehrheit der Gläubiger muss dem Plan zustimmen, den das Unternehmen in Abstimmung mit dem unabhängigen, neutralen Sachwalter entwickelt hat. Im Gläubigerausschuss verfolgen Banken, Arbeitnehmervertreter, Lieferanten, Träger der Altersvorsorge und sonstige Gläubiger ganz unterschiedliche Interessen. Wenn am Ende keiner mit dem Kompromiss zufrieden ist, dann war es eher ein guter als ein schlechter.

Was erhöht den Erfolg?
Vertrauen.

Immer mehr Unternehmen bevorzugen das Schutzschirm- oder das Eigenverwaltungsverfahren als mildere Form gegenüber der Regelinsolvenz, warum?
Durch viele prominente Fälle wie Condor, Galeria Karstadt Kaufhof und jetzt Adler Modemärkte hat das Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren einen kleinen Boom erfahren. Es ist vielleicht das beste Instrument, um ein Unternehmen zu sanieren. Es umfasst fast den kompletten Werkzeugkoffer des Insolvenzrechts und hat auf der anderen Seite ein viel besseres Image als das Regelinsolvenzverfahren.

Favorisieren auch Sie das Schutzschirm- bzw. das Eigenverwaltungsverfahren?
Ja, denn es ermöglicht den Unternehmen, ihre Sanierung unter der Schutzglocke des Insolvenzrechts in Eigenregie zu gestalten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sie frühzeitig diese Sanierungsschritte einleiten. Das ist wie beim Zahnarzt: Ist der Zahn erst einmal schwarz, kann auch der beste Zahnarzt nichts mehr machen.

Lehnen Sie Anfragen ab, weil die Verfahren aussichtslos erscheinen?
Ich würde alles ablehnen, wo ich merke, ich werde nicht mit offenen Armen und vor allem nicht mit voller Transparenz empfangen. Oder wenn ich merke, dass es auf einen Missbrauch des Insolvenzrechts hinausläuft.

Wie oft passiert so etwas?
Mir noch nie.

Herr Professor Flöther, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Was bedrohte Firmen tun können, um ihre Sanierungschancen zu verbessern.

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