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Führungs-Know-how Mittelmanager brauchen mehr Mut und Widerspruchsgeist

Entscheidungen von oben umzusetzen – das ist der Job des Mittelmanagers. Drei Führungskräfte berichten, welche Herausforderungen sich ihnen dabei stellen.
25.03.2018 - 12:11 Uhr Kommentieren
Der Job von Team-, Abteilungs-, oder Bereichsleitern ist operativ äußerst anspruchsvoll, gleichzeitig aber unterschätzt. Quelle: Karsten Petrat für Handelsblatt
Eingequetscht

Der Job von Team-, Abteilungs-, oder Bereichsleitern ist operativ äußerst anspruchsvoll, gleichzeitig aber unterschätzt.

(Foto: Karsten Petrat für Handelsblatt)

Düsseldorf Es gibt wenige Jobs, die auf den ersten Blick unattraktiver erscheinen als der des Mittelmanagers – operativ äußerst anspruchsvoll, gleichzeitig aber unterschätzt. Arbeitet das mittlere Management effizient, ist es der Vorstandsvorsitzende, dem die Anerkennung gebührt. Geht etwas schief, ist der Mittelmanager der Erste, der gehen muss – als Bauernopfer.

Loyalität ist wichtig, die darf aber nicht auf Kosten der eigenen Kreativität gehen. Manchmal empfiehlt sich sogar ein gewisses Maß an konstruktivem Ungehorsam gegenüber dem Vorgesetzten, um wirklich erfolgreich zu sein.

Im Austausch mit anderen Führungskräften bis hinauf zum Vorstand ist Courage gefragt: „Ich finde diese Entscheidung nicht gut, möchte darüber noch mal diskutieren und bitte Sie daher, die Entscheidung noch mal zu überdenken.“ Wer eine solche Bitte vorträgt, signalisiert, dass er selbst bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, und wird sich nicht länger zerrissen fühlen zwischen Meinungsfreiheit und Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber.

Mehr Initiative und Mut bei schwierigen Entscheidungen fordert zum Beispiel Managementexperte Reinhard Sprenger. Ob Mitsprache oder Gestaltungsmöglichkeiten – „für Mittelmanager gibt es sehr viel mehr Spielraum, als mancher denkt“, sagt Sprenger. „Loyale Reparaturintelligenz von unten“ nennt er das auch. „Nicht auszudenken, wenn der ganze Blödsinn von oben immer eins zu eins umgesetzt würde“, sagt er.

Sein Tipp: „Sich vom mentalen Konzept des Entweder-oder verabschieden. Und stattdessen die Ansprüche beider Seiten gewissenhaft austarieren und beide Parteien nötigenfalls ein kleines bisschen betrügen.“

Wie das gemeint ist, erklärt er an einem Beispiel: „Ein deutscher Vertriebsleiter, dessen Mitarbeiter deutsche Kunden betreuen, wird von der Geschäftsleitung des französischen Mutterkonzerns aufgefordert, höhere Umsätze pro Kopf zu generieren, obwohl er weiß, dass seine Leute schon am Limit sind.“ Da sei Präsentationsgeschick gefragt. Der Vertriebsleiter müsse die Dinge so darstellen, dass die Franzosen beruhigt sind: „Also, mutig bestimmte betriebswirtschaftliche Kennzahlen betonen und andere vernachlässigen.“

Doch nicht immer reicht eine pfiffige Präsentation, um alle Parteien zufriedenzustellen. In welche Dilemmata Manager noch geraten können, schildern hier ein Abteilungsleiter im Finanzwesen eines internationalen Logistikkonzerns, eine Bereichsleiterin aus dem Transportwesen und ein Geschäftsführer in einem Konzern der deutschen Unterhaltungsbranche. Anonym, und durchaus selbstkritisch.

Sie fürchten unangenehme Folgen, wenn ihr Name in der Zeitung steht. Denn wie sie mit der jeweiligen Anordnung von oben umgegangen sind, bei der es um Leistungsverdichtung und Arbeitsplatzabbau, aber auch um die Entmachtung eines Vorstands ging, war durchaus unorthodox.

Für alle gilt: Beim Versuch, den oft wiederstreitenden Interessen von Vorgesetzten und Mitarbeitern gerecht zu werden, hilft es, sich klarzumachen: Führung ist ein Mannschaftssport. So lautet denn auch für Team-, Abteilungs- oder Bereichsleiter, die Mitarbeitern unangenehme Neuigkeiten verkünden müssen, die oberste Maxime: Geschlossenheit demonstrieren. Das lässt sich prima mit dem Satz „Das haben wir im Führungskreis gemeinsam entschieden“ ausdrücken.

Arbeitszeit: Kreative Kompromiss-Sucherin

Als ich vom Wunsch der Geschäftsleitung erfuhr, war mir sofort klar: Das gibt Ärger bei meinen Mitarbeitern. Um den Kundenservice in der Hauptreisezeit zu verbessern, verlangte das Management eine tiefgreifende Änderung bei den Dienstplänen. Grundsätzlich sehen unsere Arbeitsverträge neben dem regulären Schichtdienst auch zwei sogenannte „Zusatzschichten“ pro Jahr vor, in denen die rund 250 Mitarbeiter meiner Abteilung bei Bedarf auch mal in ihrer freien Zeit einspringen, etwa bei Krankheitswellen.

Künftig aber sollten diese Extraschichten allesamt in die drei Sommermonate gelegt werden, um auf das erhöhte Aufkommen in der Reisezeit besser reagieren zu können. Doch meine Mannschaft hat größtenteils selbst Familie und plant ihren eigenen Sommerurlaub natürlich um ihre freien Tage nach ihrer Fünftagesschicht herum.

Als Mitglied des Führungskaders muss ich loyal sein. Was der Vorstand entscheidet, ist auch meine Entscheidung – darüber gibt es für mich keine Diskussion. Aber wie ich die Entscheidung von oben dann konkret umsetze, ist meine Sache. Nach zwei schlaflosen Nächten habe ich mir also Verstärkung geholt.

In einem Meeting habe ich erst mal meinen fünf Teamleitern diesen Wunsch der Geschäftsleitung unterbreitet und ihnen klar gesagt: „Ich brauch euch jetzt.“ Und sie gebeten, mir innerhalb der nächsten drei Tage Vorschläge zu machen, wie sich die Zusatzschichten im Sommer am mitarbeiterfreundlichsten organisieren ließen, sodass der Aufstand nicht allzu groß ausfällt. Diese haben wir dann bei einem weiteren Treffen mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert, und die besten Ideen habe ich schließlich aufgegriffen, um sie dann als Komplettpaket an alle betroffenen Mitarbeiter zu kommunizieren.

Mein spontanes Gefühl, was die Reaktion der Kollegen anging, hatte mich nicht getrogen. Die Ablehnung der Belegschaft, alle Zusatzschichten im Sommer einzuplanen, war groß. Im Bereitschaftsraum entfachten regelmäßige Diskussionen. Der Betriebsrat wurde eingeschaltet, sogar von Streik war die Rede. Daraufhin bin ich so manches Mal mit meinen Teamleitern gemeinsam in die Mitarbeitergespräche gegangen, um sie zu unterstützen. Meistens konnte ich im Hintergrund bleiben.

Auch der Geschäftsleitung habe ich die Bedenken signalisiert und Verständnis für die Beweggründe und familiären Belange meiner Mitarbeiter gezeigt. Beides sehe ich als meine Aufgabe im mittleren Management. So konnte ich dem Vorstand klarmachen, dass sein mit der Entscheidung verbundenes Ziel nur mit Abstrichen umzusetzen ist.

Es gelang mir klarzumachen, dass eine Anordnung par ordre de mufti zu einem erhöhten Krankenstand führen würde. So habe ich also nach oben und nach unten die von mir und meinen Führungskollegen erarbeitete flexible Kompromisslösung inklusive Tauschmöglichkeit der Kollegen untereinander verkauft. Diese Schichten sind nun seit zwei Jahren eingeführt – und haben sich bewährt.

Leistungsverdichtung: Exekutor mit Zweifel

Als Führungskraft Entscheidungen zu exekutieren, obwohl man innerlich anderer Meinung ist, kann belastend sein. Auf jeden Fall kratzt es an der Glaubwürdigkeit. Mitarbeiter spüren, wenn ein Manager selbst nicht von den verkündeten Maßnahmen überzeugt ist.

Das habe ich als Abteilungsleiter in einem internationalen Konzern selbst erlebt. Vor einigen Jahren hat unsere Bereichsleitung eine große Veränderung angekündigt: Die Mitarbeiter im Rechnungswesen sollten effizienter arbeiten als bisher und mehr Verantwortung übernehmen. Zunächst klang alles positiv: bessere Abläufe, tägliche Zusammenfassungen der jüngsten Finanz-Kennzahlen in neu gebildeten Teams, bessere Messbarkeit der Leistungen.

Doch schon, wie mein Vorgesetzter diese Umstrukturierung ankündigte, wie er mit verkniffenem Mund, monotoner Stimme und hölzernen Gesten von „Process Improvement“ und „Performance-Steigerung“ sprach, ließ bei mir ein ungutes Gefühl aufkommen. 

Zwar wurde zumindest uns auf den niedrigeren Führungsrängen nicht konkret vorgegeben, aus 1.000 Mitarbeitern 800 zu machen. Aber allen war sofort klar, dass es dem Management um eine deutliche Leistungsverdichtung ging. Und dass wer da nicht mithalten konnte, auch aussortiert werden würde. Das schwang immer mit.

Ich hatte niemals schlaflose Nächte, wenn Personalabbau anstand, um Kosten zu sparen – weil ich das dann auch so klipp und klar sagen konnte und die Maßnahme für richtig hielt. Doch diesmal erlebte ich einen Dominoeffekt: So wie schon mein Vorgesetzter mich nicht überzeugen konnte, glaubten auch meine Mitarbeiter mir nicht. Obwohl ich mit den gleichen auswendig gelernten Worthülsen die Argumente für das neue System ebenso loyal wiedergab wie mein Chef. Wir erfüllten beide unsere Rolle.

Die Belegschaft jedenfalls war insgesamt stark verunsichert. Der Flurfunk blühte. Es wurde orakelt, was wohl die wahre Absicht der Geschäftsleitung sei und wie viele Mitarbeiter letztlich ihren Job verlieren würden.

Die Ansage von oben an uns Führungskräfte war klar: „Exekutieren, nicht diskutieren“. Daran hielt ich mich. Damals war das Unternehmen noch stark hierarchisch geprägt. Entscheidungen wurden von oben nach unten durchgedrückt. Widerspruch zwecklos. Es gab nur zwei Optionen für uns Führungskräfte: mitmachen oder gehen. Ich fühlte mich als Mittelmanager in einer schwierigen Lage.

Klar haben mir die Ansagen und der Druck von oben nicht gefallen. Sie widersprachen allem, wofür ich als Führungskraft einstehen möchte: Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit. Gleichzeitig fühlte ich auch die Loyalität zu meinem Arbeitgeber und sah es als Pflicht an, die Entscheidung durchzusetzen.

Damals kam mir mein eigener Workload zupass, denn ich musste mich um einige Sonderprojekte kümmern. So konnte ich das unangenehme Thema der Prozessoptimierung meinem Stellvertreter überlassen – bis es nach kurzer Zeit zu dem Jobwechsel in einen anderen Konzernbereich kam, den ich schon länger angestrebt hatte. Ehrlicherweise muss ich sagen, das war wohl meine Rettung damals. Denn viel länger hätte ich diesen inneren Zwiespalt auch nicht ausgehalten.

Umstrukturierung: Der gescheiterte Preuße

Ich bin preußisch geprägt: Einer Anordnung von oben wird Folge geleistet. Das hätte mich einmal jedoch fast aufgerieben. Ich war vor einiger Zeit Geschäftsführer einer operativen Einheit in einem mittelständischen Konzern der Unterhaltungsindustrie mit rund 400 Mitarbeitern. Und damit eigentlich schon relativ hoch in der Firmenhierarchie angesiedelt.

Trotzdem habe auch ich noch die Tücken eines Managers in Sandwichposition zu spüren bekommen. Und zwar, als der Vorsitzende des zweiköpfigen Konzernvorstands und Hauptaktionär eine Verschlankung des Unternehmens plante.

Er wollte das Personal der Firmenzentrale sehr reduzieren und die bislang von den rund dreißig Mitarbeitern erledigten Aufgaben wie Buchhaltung oder Controlling auf die insgesamt vier Gesellschaften übertragen. Ich fand das plausibel. Und ich fühlte mich sehr geschmeichelt, als einziger der Geschäftsführer frühzeitig ins Vertrauen zu so wichtigen strategischen Entscheidungen gezogen worden zu sein.

Und natürlich gefiel mir der Gedanke ausgesprochen gut, vielleicht am Ende selbst von dieser Konsolidierung zu profitieren und an Einfluss zu gewinnen. Umso größer war meine Ernüchterung, als ich feststellte, dass dieser Plan mit dem zweiten Vorstand weder besprochen noch offiziell beschlossen worden war. Und dass dieser Vorstand, der für Finanzen und den Geschäftsbetrieb zuständig war, sich im Gegenteil entschieden dagegenstellte, als er davon erfuhr.

Und so sah ich mich plötzlich mit harscher Gegenwehr von mehreren Seiten konfrontiert: Der Ton der Kollegen in der Zentrale wurde schlagartig rauer. Ihre Kooperationsbereitschaft sank sofort rapide, als der zweite Vorstand durchsickern ließ, dass sie aufgrund der Umstrukturierungen, die ich leiten sollte, ihren Job verlieren könnten.

Außerdem wurde ich von Vorstand Nummer zwei permanent in meiner Kernaufgabe – der Geschäftsführung einer wichtigen operativen Einheit – ausgebremst: Erst kam die dringende Bitte während des wichtigen Saisongeschäfts, einen aufwendigen Workshop für die Führungsriege zu organisieren. Dann die Aufforderung, umfangreiche Marktanalysen für eine europäische Expansion durchzuführen, deren Ergebnisse jedoch sofort in der Schublade verschwanden. 

Und so litt mein eigenes Geschäft, was mir meine Mitarbeiter klar spiegelten. Nicht nur im Jahresgespräch beschwerten sich meine Leute, dass ich für ihre Belange und Herausforderungen zu wenig Zeit und Interesse aufbrächte. Auch an den schlechten Umsatzzahlen meines Bereichs war meine mangelnde Führung klar abzulesen.

Mit diesem mächtigen Gegenspieler an der Spitze, den ich unabsichtlich schwer düpiert hatte, schien mir die Chance, wieder erfolgreich zu sein, verschwindend. Also zog ich die Notbremse und kündigte. Ich musste dringend Abstand zu diesen Machtspielen des Vorstandsduos gewinnen. 

Heute bin ich erfolgreich selbstständig. Es war der einzig vernünftige Schritt, um wieder meine persönlichen Stärken in den Vordergrund zu stellen. Und trotzdem fühlte es sich noch lange wie eine Niederlage an. Gleichwohl habe ich eine wichtige Lehre daraus gezogen: Die Versuchung, das eigene Ego und die eigene Agenda vor die fachlichen Ziele zu stellen, ist hoch. Gewinnbringend ist es für niemanden.

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