JP-Morgan-Banker Dirk Albersmeier „Chinesische Investoren verfolgen sehr langfristige Ziele“

„Die Chinesen haben viel dazugelernt.“
Am 15. Juni startet wieder der JP Morgan Corporate Challenge. Dann ist aus Banken, Firmen und Behörden halb Frankfurt auf den Beinen, um die Strecke von 5,6 Kilometern zu absolvieren. Dirk Albersmeier liebt solche sportlichen Herausforderungen. Als Co-Chef für das europäische Geschäft mit Fusionen und Übernahmen weiß der 46-Jährige, wie wichtig Ausdauer, Disziplin und Teamgeist sind, um hochgesteckte Ziele zu erreichen. Nach einem Kundentermin kommt er verspätet in die Handelsblatt-Redaktion. Dann spricht er sprühend vor Energie über ein Thema, das ihm unter den Nägeln brennt: den Vormarsch der Chinesen bei Firmenkäufen.
Herr Albersmeier, chinesische Investoren sind extrem aktiv in Deutschland, zuletzt beim Roboterhersteller Kuka. Wird dieser Trend anhalten?
In der Tat sind bei sehr vielen Prozessen Chinesen dabei, auch wenn sie am Ende nicht immer zum Zug kommen. Wir dürften in den kommenden Monaten noch zahlreiche weitere Käufe von chinesischen Adressen sehen, darunter auch große Deals.
In diesem Jahr gab es in Europa sieben Deals mit chinesischer Beteiligung, die über einer Milliarde Euro lagen ...
... ich denke, es könnten bis Ende des Jahres mindestens noch einmal so viele werden. Nachdem man die Akquisition von Syngenta durch Chemchina gesehen hat, wird selbst die Übernahme eines Dax-Unternehmens theoretisch denkbar. Derzeit dürften rund 200 chinesische Unternehmen gezielt nach Akquisitionsmöglichkeiten in Europa und den USA die Augen offen halten.
Wer sind die Investoren aus dem Reich der Mitte? Meistens kennt man die Namen hier im Westen nicht.
Es gibt inzwischen vier Käufergruppen: die Staatsunternehmen, dann die Industriekonzerne und breit aufgestellte Konglomerate, die auch oftmals außerhalb ihres Kerngeschäfts akquirieren, und zudem vermehrt chinesische Private-Equity-Fonds, die sich immer häufiger auch mit Strategen zusammenschließen.
Früher galten die Konzerne aus China als schwierige Kandidaten für M&A, weil sie viel zu lange brauchten für ihre Entscheidungen.
Ja, aber das hat sich geändert. Die Chinesen haben viel dazugelernt, sie entscheiden deutlich schneller, und auch die Transaktionssicherheit ist gewachsen.
Und die Manager haben offenbar tiefe Taschen, sie zahlen hohe Preise. Was reizt denn die Investoren aus China besonders an Deutschland?
Sie zahlen tendenziell gute Preise, ja. Aber sie verfolgen auch sehr langfristige Ziele, es geht hier um strategische Weichenstellungen. Der Branchenfokus liegt ganz klar auf Informationstechnik, Automation und auf Medizin- und Umwelttechnik. Last, but not least steht auch der Konsumgüterbereich, insbesondere bekannte Marken, hoch im Kurs. Im Grunde ist alles interessant, was die Bedürfnisse der aufstrebenden neuen Mittelschicht bedient.
Aber noch einmal: Sind die Bewertungen heute nicht schon zu hoch?
Sektoren mit höheren Bewertungen bieten häufig auch größere Wachstumschancen, das wird oft vergessen.
Die Deals laufen aber in einer Einbahnstraße. Deutsche Unternehmen können in China nicht ohne weiteres zukaufen, auch wenn sie wollen. Die Politik ist alarmiert, wie der Fall des Augsburger Roboterherstellers Kuka zeigt.
Chinesische Konzerne werden an den dortigen Börsen sehr hoch bewertet. Das verhindert größere Engagements von Ausländern. Und es stimmt, dass die Politik in Europa kritischer wird. In den USA gab es im vergangenen Jahr Widerstand gegen einige Deals, die dann nicht zustande kamen. Man wird abwarten müssen, wie sich das bei uns entwickelt.
Und umgekehrt verhindert die Politik in Peking Mehrheitsübernahmen durch beispielsweise europäische Unternehmen …
Ja, aber Joint Ventures sind kein Problem, das ist oftmals eine gute Alternative. Der chinesische Markt ist nicht verschlossen, wenn Sie das meinen. China bleibt in jeder Hinsicht ein treibender Faktor für das M&A-Geschäft.
Viele Fusionen bringen am Ende nicht die erhofften Ergebnisse. Ist Wachstum aus Bordmitteln nicht sinnvoller?
Es gibt eine Reihe erfolgreicher großer Akquisitionen, wie man in den letzten Jahren beispielsweise bei SAP gesehen hat. In Industrien, die stark konsolidieren, kann das durchaus der richtige Schritt sein. Die Herausforderung liegt vor allem in der erfolgreichen Integration des übernommenen Unternehmens. Gleichzeitig muss das Managementteam des Käufers die Synergien am Ende auch erfolgreich heben.
Früher hatte man oft mit Problemen zu kämpfen, wenn zwei unterschiedliche Unternehmenskulturen und Managementstile zusammentreffen. Wie sieht es heute aus?
Mit der verstärkten internationalen Erfahrung deutscher Manager im Ausland spielt das Kulturthema bei Käufen deutscher Konzerne nicht mehr die Rolle, wie noch vor Jahren.
Werden wir auch feindliche Übernahmen sehen?
Nein, das glaube ich nicht. Das Thema ist zu sensibel.
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