Management Auswertung durch Start-up: Es gibt genügend Frauen für deutsche Aufsichtsräte

In deutschen Aufsichtsräten sind Frauen in der Unterzahl.
München Jung, weiblich, international erfahren und digital versiert: So stellt sich Robin Brohl die ideale Neubesetzung für einen Aufsichtsrat vor. Ein Wunschtraum? Keineswegs, meint der Gründer des Start-ups „Hire Digital Talent“.
Der Unternehmer hat mit seiner selbstentwickelten Software die großen Karriereportale im Internet durchforstet. Das Ergebnis: 6000 Frauen in Deutschland seien kompetent genug, um in die Kontrollgremien börsennotierter Gesellschaften hierzulande einzuziehen, 300 würden geradezu ideal passen.
Frauen sind in Aufsichtsräten unterrepräsentiert, sie nehmen nur ein Drittel der Sitze ein. Ein schwerer Fehler, meint Brohl: „Wie sollen Innovationen entstehen, wenn alle gleich denken?“
Das ist noch nicht alles: In den Fällen, in denen Männer Frauen als Kontrolleurinnen geholt hätten, seien es genau solche, die über dieselben Qualifikationen verfügten wie sie selbst. „Wir haben eine völlige Gleichschaltung der Aufsichtsräte in Deutschland“, klagt der Münchner Unternehmer.
Dabei gebe es keinen Mangel an Kandidatinnen, die das Zeug hätten, im Aufsichtsrat die Firmen im Land voranzubringen. Um das herauszufinden, hat Brohl seine Personalsuch-Software „Apollo“ mit den nötigen Anforderungen gefüttert, die an Aufseher gestellt werden.
Dazu benutzte er Algorithmen der Künstlichen Intelligenz, die Fachtexte zu Aufsichtsräten analysierten. Daraus entstand ein Anforderungsprofil, mit dem das Programm die Profile von Frauen auf Karriereportalen wie Xing und LinkedIn untersuchte.
Das Ergebnis ist eindeutig, meint der gebürtige Hamburger: Es gebe zahlreiche Frauen, die gerade als Digitalexpertinnen die Aufsichtsräte ergänzen könnten. Brohl: „Andersartigkeit ist ein Erfolgsfaktor.“
Frauenquote erfüllt
Seit 2016 gilt in Deutschland eine Frauenquote für die Aufsichtsräte. Plätze, die frei werden, müssen mit Frauen besetzt werden, bis deren Anteil bei 30 Prozent liegt. Dieses Ziel haben die Firmen inzwischen erreicht: Ende Oktober war im Schnitt fast jeder dritte Aufsichtsratsposten in den 186 größten börsennotierten deutschen Unternehmen mit einer Frau besetzt.
Im Vergleich zur letzten Auswertung durch die Organisation ,Frauen in die Aufsichtsräte' aus dem Juni ist der Anteil von 30,9 auf 31,8 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr lag er noch bei 28,1 Prozent. Vor der Einführung der Quote hatten viele Unternehmen behauptet, es gäbe nicht genügend passende Kandidatinnen.
So positiv die Entwicklung auch sei, die Schlüsselpositionen hätten aber noch immer die Männer inne, ermittelte die Allbright-Stiftung im Frühjahr in einer Studie. Sie würden fast alle Vorstandschefs stellen, mehr als 90 Prozent aller Aufsichtsratsvorsitzenden und gut 80 Prozent aller Mitglieder in den für die Besetzung neuer Vorstände zuständigen Ausschüssen. Die Männer aber würden vor allem Männer rekrutieren, die ihnen ähnlich seien.
Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland heißen nicht nur häufig Thomas, Stefan oder Michael. Sie haben auch zu über 80 Prozent in München oder Hamburg studiert. Zwei Drittel sind Juristen, Ingenieure oder Wirtschaftswissenschaftler. Knapp ein Viertel hat Erfahrung als CEO.
Den Kreislauf durchbrechen
Brohl glaubt, dass er mit seiner Software für Digitaltalente diesen Kreislauf durchbrechen kann. „Wir suchen ohne Vorurteile“, beteuert er. Algorithmen statt Bauchgefühl also.
Mit „Hire Digital Talent“ versucht Brohl, das Geschäft der Headhunter aufzumischen. Dabei setzt er auf stark automatisierte Abläufe. Für Firmen sei es einerseits günstiger, fachlich versierte Leute bei ihm zu finden. Der Fixpreis pro Stelle sei 8000 Euro netto.
Vor allem aber lasse sich mit seiner Software das exakt passende Personal ermitteln. Einzige Voraussetzung: Die Unternehmen müssten präzise formulieren, welche Qualifikationen sie suchten.
Dass sich Brohl für bunte Aufsichtsräte einsetzt, hängt nicht nur mit seiner im Frühjahr gegründeten Personalfirma zusammen. Es liegt auch an der eigenen Biografie.
Nach der neunten Klasse ging er von der Schule, um eine Maurer-Lehre zu beginnen. Später schloss er eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerwirtschaft ab, baute als junger Mann einige Call-Center auf, studierte Betriebswirtschaft und holte sich seinen MBA, war bei der Start-up-Schmiede Rocket Internet, bei Media-Saturn und Home 24.
Wenn alles läuft wie geplant, dann kann der Unternehmer in nächster Zeit nicht nur für seine Kunden neue Leute suchen. 100 Mitarbeiter will er in den nächsten zwei Jahren für sein Start-up einstellen. Sollte das Unternehmen eines Tages zur Aktiengesellschaft umfirmieren, wird er sich freilich an seinen eigenen Worten messen lassen und für einen mit weiblichen Fachleuten besetzten Aufsichtsrat sorgen müssen.
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