Oerlikon-Chef Michael Süß Neue Drucksache

Schwung durch einen Deal mit General Electric.
München Sein frühes Vorbild war Franz Josef Strauß. Wegen des CSU-Übervaters ist Michael Süß mit 16 Jahren sogar in die Partei eingetreten. Inzwischen sieht sich der Manager und frühere Energie-Vorstand von Siemens in der Rolle eines Pioniers – ähnlich wie der 1988 verstorbene Politiker.
Er will ein neues Geschäft erschließen: den Markt des 3D-Drucks in der Produktion („additive manufacturing“). Dabei entstehen computergesteuert aus pulverisierten Rohmaterialien und dank der Genauigkeit von Lasern neue Produkte. Das sei vor 15 Jahren noch eine Vision gewesen, jetzt sei es eine „solide Entwicklung“, sagt Süß: „Nötig ist ein funktionierendes Eco-System.“
Daran arbeitet er als Spitzenmann des börsennotierten Schweizer Industriekonzerns OC Oerlikon aus dem Reich des russischen Multimilliardärs Viktor Vekselberg. Süß, 53, ist dort Verwaltungsratspräsident, als solcher knüpft er ein Netz von Partnerschaften. Das soll den 3D-Druck massentauglich machen – und seinen Minianteil von 4,5 Promille am Oerlikon-Umsatz von 2,3 Milliarden Schweizer Franken rasch steigern. 2020 soll eine eigene Division damit 300 Millionen erwirtschaften. Als Mittelständler sei man von den Kapitalströmen her limitiert, bekennt Süß, „deshalb müssen wir uns genau überlegen, wie wir unser Geld einsetzen und welche Verbündeten wir wollen.“ Man konzentriert sich auf Metall, wo Oerlikon mit „Oberflächenbeschichtung“ schon aktiv ist.
Derzeit rede Süß mit Siemens über eine Allianz für Software, ist im Markt zu hören. Sein Ex-Arbeitgeber oder aber der Softwarehersteller Dassault Systèmes soll den Zuschlag bekommen. Mit dem Maschinenbauer Trumpf spricht Oerlikon offenbar über Laser-Fragen. Süß mag das alles nicht kommentieren. Sicher ist nur: Durch einen Deal mit dem US-Konzern General Electric (GE) ist Schwung in die Aufbauarbeit gekommen. Die beiden wollen „bevorzugte Partner“ füreinander sein, und auch gemeinsam forschen.
Seine Gesprächslust lässt Freundschaften über Grenzen entstehen
Vor drei Wochen war Süß eigentlich mit GE-Chef Jeff Immelt in Berlin zum großen Feldherrngespräch verabredet, aber der Amerikaner kam nicht – ausgebootet von einem aktivistischen Investor. Das lässt Süß in seinem Münchener Büro die Vorzüge eines Ankeraktionärs wie Vekselberg preisen, der 43 Prozent hält. Ein Oligarch? Pah. Ein Visionär.
Hier, im dritten Stock eines Hauses am Max-Joseph-Platz, hat der 3D-Druck-Apostel noch eine eigene Firma. Unten die Geschäfte von Bogner, daneben „Spatenhaus“ und Herrenausstatter Max Dietl, gegenüber die Oper – münchnerischer geht es nicht mehr. Süß hat in der Millionenstadt Karriere gemacht: Maschinenbaustudium an der Technischen Universität (TUM), Berufsstart bei BMW, später Leitung einer Gießerei, dann Vorstand bei MTU Aero Engines und 2006 zu Siemens. Heute ist er auch Aufsichtsrat für Martin Herrenknecht und die Georgsmarienhütte. Seine Gesprächslust lässt Freundschaften über Grenzen entstehen, etwa zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD). Süß betont das Soziale: „Bei aller Härte sollte man zumindest ein schlechtes Gewissen haben.“ Ansonsten gibt sich der vierfache Vater als Familienmensch, der im Heim am Starnberger See gerne faul ist.
Das Traditionshaus Oerlikon, 1906 gegründet, lässt er kräftig umbauen. Das Geschäft mit Getrieben steht – anders als die Textilmaschinen für Kunstfasern – zum Verkauf. Als Süß 2015 ins Eidgenössische kam, fand er im 3D-Druck nur Berge von Papier vor. Jetzt könne man schon Antennenhalterungen für Satelliten herstellen. „Nun sind wir ein weltweit aktiver Mitspieler“, jubelt er. Seine Leute überlegen sogar, ob sie in die Medizintechnik einsteigen. Die Vision: die Hüfte aus dem Drucker. Auch will man sich nicht länger mit Mini-Zukäufen bescheiden. Nach Informationen aus Börsenkreisen schaut Oerlikon, was bei der Industriegase-Fusion von Linde mit Praxair verkauft werden muss: Die Amerikaner haben eine wertvolle Firma für Oberflächentechnik und 3D-Druck. „Wir müssen den Horizont breiter machen“, treibt Süß an: „Ab und an hilft ein schöner Sahneklops auf dem Kuchen.“
München soll zum Mittelpunkt der modernen Produktion werden. Ein Institut – liiert mit der TUM, dem russischen Skolkovo-Zentrum und der ETH Zürich – ist gegründet. Es herrscht Aufbruchstimmung, was gut fürs Geschäft und fürs Ego ist. Süß sagt: „Mich motiviert, neue Dinge zu schaffen. Wenn man einmal von der Welt geht, soll sie ein bisschen besser geworden sein. Und Geld hat man auch verdient.“
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