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Online-Tagebuch Teil 8 Vom Glück, drei Kinder zu haben

Chefreporterin Tanja Kewes berichtet aus ihrem Homeoffice – mit drei kleinen Kindern und Ehemann. Es ist der private Stresstest schlechthin mit lustigen und nachdenklichen Momenten.
25.03.2020 - 16:01 Uhr Kommentieren
Nicht nur die Kinder von Tanja Kewes müssen auf den Besuch derzeit verzichten. Quelle: Handelsblatt/Tanja Kewes
Spielplatz in Düsseldorf

Nicht nur die Kinder von Tanja Kewes müssen auf den Besuch derzeit verzichten.

(Foto: Handelsblatt/Tanja Kewes)

Düsseldorf Ein Picknick kostet hier in Düsseldorf gerade 250 Euro. Eine Grillparty ebenfalls. Pro Person versteht sich. Und damit ist nicht gemeint, dass es Kaviar und Champagner gibt oder Filet-Steak und Mouton Rothschild. Ein Gruppen-Picknick oder eine Grillparty in der Öffentlichkeit kosten 250 Euro Bußgeld – dem Kontaktverbot sei Dank.

Armin Laschet, seit drei Jahren amtierender NRW-Ministerpräsident, der eigentlich eher für seine rheinische Geselligkeit bekannt ist und dessen Innenminister sich bisher vor allem auf Clan-Kriminalität spezialisiert hatte, sagt dazu: „Wir müssen nicht die Vernünftigen überwachen, sondern die Unvernünftigen bestrafen. Und zwar konsequent und hart.“

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich fühle mich zunehmend wie eine Zuschauerin. Wie eine Zuschauerin in einer Aufführung, in die ich zufällig hineingestolpert bin und aus der ich nun nicht mehr herauskomme.

Kennen Sie das Lied „Hello“ von Adele? Sie singt in diesem Lied voller Sehnsucht in der Stimme: „Hello from the other side.“ Auf der anderen Seite fühle ich mich auch gerade den ganzen Tag. Auf der anderen Seite des Bürgersteigs etwa oder auf der anderen Seite am Telefon.

Jeder für sich, alle für alle. Das Kontaktverbot, das nun auch bei Zuwiderhandeln mit Geldbußen sanktioniert wird, macht es schrecklich schön konkret.

Nun, gut. Lassen Sie uns in unser Kleinklein, unsere derzeit so romantisierte und gepriesene Kleinfamilie zurückkehren… Dieses Kontaktverbot trifft uns nur noch theoretisch. Selbst die Kinder kommen gar nicht mehr auf die Idee, ins Schwimmbad oder in den Tierpark zu fahren, Freunde zu treffen, in den Urlaub zu fahren, Oma und Opa zu besuchen.

Auch die Spiel- und Fußballplatzverbote sind abgehakt. Die Stimmung in unsrem Homeoffice zu fünft ist trotz all dieser Einschränkungen bestens.

Mehr Selbstständigkeit

Die Jungs haben sich gegenseitig und ihr Zuhause und die engste Umgebung in den vergangenen zwei Wochen noch einmal ganz neu vermessen. Sie sind auch viel selbstständiger geworden.

Seit vorgestern rennen sie mit Malkreide bewaffnet allein um den Straßenblock, (Autos fahren eh nur noch sporadisch) und kritzeln Schatzkarten, Geheimbotschaften und Kunstwerke auf den Bürgersteig, die Straße, unsere Hauswand und die Gartenzäune der Nachbarn.

Der Mittlere sah gestern Abend aus wie ein Schornsteinfeger – nur das seine Asche blau war. Er hatte sich die blaue Kreide im ganzen Gesicht, auf Jacke und Hose verteilt. Er konnte sich direkt vor der Waschmaschine ausziehen. Ihn störte das nicht.

Er war so richtig zufrieden – mit sich und seiner Leistung. Als er endlich sauber, satt und „ein bisschen müde“ im Bett lag, erklärte er: „Mama, morgen geht es weiter!“

Wer hätte das gedacht? Der private Stresstest schlechthin läuft gar nicht so schlecht wie von mir und anderen befürchtet. Diese Halbzeitbilanz, wir haben heute hier in Nordrhein-Westfalen voraussichtlich Tag acht von 15, wenn es keine Verlängerung nach den Osterferien gibt, kann ich guten Gewissens ziehen.

Und die schönste Erkenntnis: Es läuft wegen unserer drei Kinder gut, und nicht trotz unserer drei Kinder.

Seit 2016 Chefreporterin des Handelsblatts und Autorin der Kolumne „Faktor Mensch“. Quelle: Frank Beer für Handelsblatt [M]
Tanja Kewes

Seit 2016 Chefreporterin des Handelsblatts und Autorin der Kolumne „Faktor Mensch“.

(Foto: Frank Beer für Handelsblatt [M])

„Drei Kinder?“ „Drei Jungen?“ „Wie alt? Erst sechs, vier und ein Jahre alt?“ „Und du und dein Mann ihr arbeitet jeder Vollzeit?“ „Ja, ja, ja, ja!“, ich komme schon in normalen Zeiten häufig gar nicht dazu so schnell zu antworten wie die Fragen auf mich einprasseln.

Die Reaktionen schwanken dann meist zwischen Bedauern und Bewundern. „Irre!“ „Wie schafft ihr das?“ „Das ist doch bestimmt total anstrengend.“ „Ja, ist es“, antworte ich dann für gewöhnlich, „aber es ist vor allem auch total schön. Die drei sind eine tolle Truppe.“

In der derzeitigen Krise, die bei uns zu Homeoffice zu fünft geführt hat, sind Bedauern und Bewundern noch ausgeprägter. „Bei euch geht es bestimmt besonders turbulent zu, oder?“ „Kommt ihr da überhaupt zum Arbeiten?“, sind da noch zwei der vorsichtigen Fragen.

Und, ja, wahrscheinlich geht es bei uns derzeit besonders turbulent zu. Turbulenter bestimmt als bei Familien im Homeoffice mit „nur“ einem oder zwei Kindern. Die Lautstärke ist oft enorm.

Dagegen sind jeder Newsroom einer Zeitungsredaktion oder jede Großbaustelle stille Orte. Und es gibt auch mal Streit und Schreierei. Aber auch nicht mehr, als wenn es beruflich mal kontrovers wird.

Aber, und das ist das Gute: Langeweile kommt mit oder bei den Kindern nicht auf. Ich bin deshalb gerade auch in dieser Coronakrise dankbarer und glücklicher denn je, drei Kinder zu haben. Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, wir kommen einfacher durch diesen privaten Stresstest als manche Familie mit weniger Kindern.

Erstens: Spielzeug wird überbewertet

Meine Freundin Lara hat – als die Schulen und Kitas schlossen – gleich einen Großeinkauf bei Amazon gestartet. Spielzeug für drinnen und draußen, jede Menge.

Ihr Problem: Ihre beiden Töchter sind sechs und eins und damit fünf Jahre auseinander. Die Große kann mal nach der Kleinen gucken oder ihr was zeigen, aber richtig zusammen spielen können sie natürlich noch nicht. Meine Freundin muss also für Entertainment sorgen. Denn Verabreden und Ausflüge sind ja leider verboten.

Auch ich habe, als diese Corona-Ferien ausgerufen wurden, darüber nachgedacht, neues Spielzeug zu ordern, um die Jungs zu beschäftigen und bei Laune zu halten. Es ist bisher bei zwei Spielen geblieben, die das Zahlenverständnis verbessern und von der Klassenlehrerin empfohlen wurden: Qwixx und Kniffel.

Und mehr wird es aus meiner Sicht auch nicht mehr werden. Die Jungs spielen bis dato ausgiebig und glücklich mit ihrem schon vorhandenen Zeug.

Denn mal ehrlich: Im normalen Alltag ist ja selbst schon für Kita- und Grundschulkinder wenig Zeit zum freien Spielen zu Hause. Sie sind meist bis 16 Uhr in ihren Einrichtungen, und danach lockt häufig noch ein besonderes Angebot wie Musikschule, Fußball beziehungsweise Ballett oder Schwimmen, das ab einem gewissen Alter angeboten und gemacht werden muss – sonst kommt man sich als Raben-Eltern vor.

Zweitens: Brüder und Freunde

Was gibt es Schöneres als Geschwisterliebe? Unsere beiden Großen antworten regelmäßig auf die Frage, wer ihr bester Freund sei, mit dem Namen ihres Bruders.

Sie sind zwar von der Art und auch vom Typ her relativ unterschiedlich. Der Große ist blond und blauäugig, und eher zurückhaltend, der Mittlere ist braunhaarig und -äugig, und eher krawallig. Doch sie harmonieren (meist) prima. Ich hoffe sehr, das hält noch lange an, und dass bald auch der Kleinste richtig mitmischt.

Drittens: Kinder lieben Kinder

„Kinder spielen am liebsten mit Kindern.“ Dieser Spruch stimmt meines Erachtens absolut. Unsere beiden großen Jungs wollen und brauchen eigentlich keine Bespaßung. Manchmal möchte ich mehr mit ihnen etwas spielen als sie mit mir. Und so wie wir in den Ferien keinen Cluburlaub mit Kinderbetreuung buchen brauchen – die Jungs würden sowieso nicht hingehen –so verlangen unsere Jungs auch in diesen Corona-Ferien keine Bespaßung.

Ich bin mir deshalb inzwischen ziemlich sicher: Für unsere Jungs werden die Corona-Ferien mal mit die tollsten fünf Wochen ihrer Kindheit gewesen sein. Keine Termine, freies Spiel, super Wetter, lecker Essen, alle zuhause, alles vertraut.

Oder wie sagte gestern unserer Großer zu seinem vierjährigen Bruder: „Wir können erst in den Garten und nachher weiter mit der Ritterburg spielen. Keiner klaut uns die Zeit!“

Und apropos lecker Essen. Nach einem kurzen Ausflug in die gesunde Küche – es gab einen Tag eine Gemüsesuppe mit Kartoffeln, Möhren, Pastinaken und Kohlrabi – sind wir zurück bei der Kinderküche. Am Wochenende gab es am Samstag das ultimative „Räuber-Hotzenplotz-Menü“ (Bratwurst und Sauerkraut), bei uns nur leider vom Papa und nicht von der Großmutter zubereitet, und am Sonntag das schon erwähnte Hähnchen, das erst seziert und dann gegessen wurde.

Wichtig im Übrigen auch – für den sozialen Frieden bei uns zuhause – die Bettlektüre: Gestern Abend gab es mal keinen Räuber Hotzenplotz, sondern zu Ehren von Albert Uderzo – Gott hab ihn selig – einen anderen Klassiker: Asterix und Obelix.

Unsere großen Jungs lieben die Comics mit „dem dicken Starken und dem kleinen Schlauen“. Vor allem lieben sie natürlich die Kloppereien. Und jetzt hoffe ich, dass ich demnächst nicht noch Wildschwein servieren muss… „Wildschweinbraten, beim Teutates!“

Mehr: Die 20er-Jahre des 21. Jahrhunderts beginnen durch die Coronakrise mit einem Fanal. Viele trifft die Entschleunigung völlig unvorbereitet.

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