Privatbankier Friedrich von Metzler Der alte Meister

Vor der Historischen Villa Metzler am Frankfurter Main-Ufer.
Frankfurt Friedrich von Metzler ruft, die Stadtgesellschaft kommt. An diesem Abend ist eine Ausstellungseröffnung in der Frankfurter Schirn der Anlass. Vom Museum bringen Chauffeure die Geladenen nach Hohenbuchen, wie die von prächtigen Bäumen umgebene Stadtvilla der von Metzlers genannt wird. Es gibt Fingerfood-Variationen und ein Flying Buffet, knusprige Feigen-Nuss-Röllchen mit Entenbrust und Ananas-Salsa oder Weiderind auf Brioche mit geröstetem Blumenkohl und Süßholzjus. 189 Gäste, darunter Fraport-Chef Stefan Schulte und Museumsdirektor Max Hollein – „eine Art Bürgersalon, die es in der Form eigentlich gar nicht mehr gibt“, sagt Ufa-Chef Nico Hofmann, der auch schon zu den Besuchern zählte.
Kaum einer schlägt eine Einladung der von Metzlers aus. Wer noch nicht geladen war, bemüht sich regelrecht darum. Ein ehemaliger Minister soll Briefe geschrieben und Themen vorgeschlagen haben, über die er reden könnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel war mehrfach zu Gast, sie bittet den Hausherrn im Gegenzug ins Kanzleramt. Gesprächspartner wie von Metzler liegen ihr: höflich im Ton, klar in der Sache, zurückhaltend im Auftreten.
Die gesellschaftliche Führungsrolle von Metzlers verblüfft, da das Bankhaus, dessen Namen er trägt, nach allen Maßstäben winzig ist. Ein Finanzinstitütchen, dessen einzige beeindruckende Kenngröße sein Alter ist: gegründet 1674, seither in Familienbesitz. Andere haben in deutlich kürzerer Zeit Imperien geschaffen. Als sich 1882 der deutsche Auswanderer Marcus Goldman mit seinem Schwiegersohn Samuel Sachs zusammentat, gab es das Bankhaus Metzler bereits länger als 100 Jahre.
Goldman Sachs ist heute… nun ja, Goldman Sachs eben. Das Bankhaus Metzler hingegen spielt mit etwa 800 Mitarbeitern und vier Milliarden Euro Bilanzsumme noch immer in der Liga der Kreis- und Stadtsparkasse Darmstadt. Von den Zwillingstürmen der Deutschen Bank aus betrachtet (1,6 Billionen Euro Bilanzsumme, mehr als 100.000 Mitarbeiter) müsste ein Friedrich von Metzler wie ein liebenswertes Faktotum wirken, zu unbedeutend, um es vom Markt zu fegen.
Tatsächlich könnte aber ausgerechnet er mit seinem lachfaltenübersäten Gesicht und seinem Faible für Frankfurter Mundartgedichte so etwas sein wie der Meister Yoda der Finanzbranche: der alte Weise, der die Formel kennt, nach der sich mit Bankgeschäften auch in Zukunft noch Geld verdienen lässt. Der aber viel zu klug und zu bescheiden ist, um sie jedem auf die Nase zu binden.
Nebenan bei der Deutschen Bank kann Metzler beobachten, wie mühsam Kreditinstitute seit der Finanzkrise nach neuen Geschäftsmodellen fahnden. Filialen? In Zeiten von Onlinebanking kaum rentabel. Eigenhandel? Risikoreich und durch strenge Eigenkapitalvorschriften weniger lukrativ als früher. Beratung von institutionellen Kunden wie Mittelständlern oder Kommunen? Schwierig, seit sich rumgesprochen hat, dass man selbst als Großkunde aufpassen muss, von seinem Bankberater nicht mit Spread Ladder Swaps oder ähnlichen Hexenpapieren über den Löffel balbiert zu werden.
Wenn Branchengrößen heute über das Banking der Zukunft nachdenken, dann geht es immer um die gleichen Geschäftsmodelle: die ganzheitliche Betreuung von reichen Privatleuten und anspruchsvollen Unternehmen. Dann fällt auch immer wieder ein Begriff, der bei solchen Geschäften ganz wichtig sei: das Vertrauen der Kunden. Genau darauf setzt auch das Bankhaus Metzler. Dort weiß man allerdings, dass man Vertrauensgewinn nicht als Quartalsziel verordnen kann, sondern es sich über Jahrzehnte erarbeiten muss.
„Unabhängigkeit, Unternehmergeist, Menschlichkeit“ – mit diesen Worten beschreibt das Haus seine Werte. Begriffe, mit denen jede Bank gern für sich werben würde. Doch ausgerechnet bei Metzler findet sich der Slogan nur versteckt auf der Internetseite. Auf Publikationen ist ein anderer Schriftzug zu lesen: „Unabhängig seit 1674“. Damit Besucher sehen, was die Bank ausmacht, liegen in den Besprechungsräumen auf Biedermeiertischen kleine, blaue Blöckchen. Darin findet sich ein „Compliance-Check – oder: Was würde Mutti ‧dazu sagen?“. Dazu zählt ein Betroffenheitstest: „Würde ich meine Entscheidung auch akzeptieren, wenn sie mich betrifft?“
„Intern weiß man schnell, was zählt“, berichten Mitarbeiter. Beispiel Unternehmergeist: Als er vor mehr als zehn Jahren von einer Großbank auf eine leitende Position in die Metzler-Bank gewechselt sei, erinnert sich ein Manager, habe er von „FM“, wie Friedrich von Metzler im Haus genannt wird, wissen wollen, bei wem er sich mit Rückfragen absichern könne. „Ich habe Sie nicht zum Fragen eingestellt“, habe die höfliche Antwort gelautet. Bei anderer Gelegenheit wurde FM noch deutlicher: „Bei uns werden die Entscheidungen nicht sozialisiert, es gibt auch keine Mails mit 80 Adressaten, damit man die Verantwortung wegschiebt.“
Und Wert Nummer drei, „Menschlichkeit“? Was wie Werbung klingt, gilt als Maßstab gegenüber Kunden und Mitarbeitern. Gegenüber Kunden, indem das Haus bewusst auf Geschäftsmöglichkeiten verzichtet. So gibt es in Luxemburg und der Schweiz „aus gutem Grund keine Zweigstellen, weil wir dann nicht überprüfen könnten, ob Kunden nur aus steuerlichen Gründen bei uns sind“, sagt von Metzler. Zudem gilt das „Metzler-Reinheitsgebot“ für die Vermögensverwaltung im Private Banking: Transparent, liquide und nachvollziehbar sollen Anlagen sein. Zertifikate und andere komplexe Finanzinnovationen scheiden grundsätzlich aus.