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PTV-Chef Vincent Kobesen Ein Mobilitätsprophet für Porsche

Der Niederländer Vincent Kobesen optimiert mit seiner Firma PTV Verkehrsströme von Menschen und Gütern. Das ist wichtig, um autonome Fahrzeuge zu steuern. Nun hat die Porsche SE den Karlsruher Hidden Champion übernommen.
12.06.2017 - 12:13 Uhr Kommentieren
„Jede Minute im Stau ist verlorene Lebenszeit.“ Quelle: Pressefoto
Vincent Kobesen

„Jede Minute im Stau ist verlorene Lebenszeit.“

(Foto: Pressefoto)

Düsseldorf Mittwochnachmittag knallten bei PTV in Karlsruhe die Champagnerkorken. Eine Zwölf-Liter-Schampusflasche musste es schon sein, die Vincent Kobesen persönlich öffnete. Der Niederländer ist Chef des Spezialisten für intelligente Mobilitätsplanung. Kurz zuvor hatte er der 700-köpfigen Belegschaft, die aus der ganzen Welt live zugeschaltet war, verkündet: „Wir haben einen passenden Investor gefunden, der PTV übernimmt.“ Einem Schreckmoment folgte Erleichterung. „Es ist ein deutscher Käufer, und wir bleiben eigenständig.“

Schließlich waren auch finanzkräftige Chinesen und Russen interessiert. Es gab einen regelrechten Bieterwettstreit um die Firma, die vor fast 40 Jahren als Ausgründung der Universität Karlsruhe gestartet war.

Rund 30 PTVler der ersten Jahre, darunter auch Kobesen, wollten ihre Anteile abgeben. Sie suchten einen strategischen Investor, damit die Firma weltweit noch stärker wachsen kann. Im PTV-Campus brach Freude aus, als Kobesen den Namen des Investors verriet: Porsche SE. „Wir sind sehr stolz“, sagt der 55-Jährige, der den Deal mit seinen Leuten bis tief in die Nacht feierte.

Stolz können die Karlsruher durchaus sein. Immerhin ist die Beteiligungsholding des Fahrzeugherstellers Porsche äußerst wählerisch mit ihren Investments. Rund 1.200 Unternehmen hat Porsche SE Vorstand Philipp von Hagen intensiv prüfen lassen. PTV ist nach dem Verkehrsdaten-Dienstleister Inrix aus den USA, bei dem Porsche mit rund zehn Prozent für 42 Millionen Euro einstieg, erst die zweite Beteiligung der finanzstarken Stuttgarter. Für 300 Millionen Euro übernimmt Porsche nun 97 Prozent von PTV. Die restlichen drei Prozent an Mitarbeiteraktien will Porsche auch übernehmen.

Es begann mit Biertouren

Was macht den Hidden Champion PTV (kurz für Planen Transport Verkehr) für Porsche so interessant? „Als einer der wenigen bietet PTV Simulationen für den Verkehr von Personen und Fahrzeugen sowie Gütern. PTV ist hier Marktführer“, betont von Hagen, der zur Verkündung extra nach Karlsruhe reiste. Porsche sehe bei der Optimierung von Personen- und Warenströmen ein erhebliches Wachstumspotenzial, sagt er. In der „Stuttgarter Zeitung“ nennt er PTV gar eine „Perle“.

1979 gründete Informatiker Hans Hubschneider, Doktorand am Institut für Verkehrswesen der Uni Karlsruhe, die Firma mit Michael Sahling. Selbstfahrende Autos waren da noch Science Fiction. „Unser Prof ließ uns nachts an die Institutsrechner“, erinnert sich Hubschneider.

Sie rüsteten Autos mit Super-8-Kameras aus und erforschten: Wie fahren Menschen auf der Autobahn, wie bremsen sie an Ampeln ab, wechseln sie die Spur? Dies war die Grundlage für die ersten detaillierten Simulationsmodelle im Verkehrsverhalten.

Als erste Projekte plante PTV Biertouren für die Spatenbrauerei in München und das Liniennetz in Mannheim. „Wir waren Pioniere für digitale Karten, Touren- und Verkehrsplanung auf kleinen Prozessrechnern und den ersten PCs. Das war damals eine Sensation“, sagt Hubschneider, der 2011 die Führung an Vincent Kobesen übergab.

Der Betriebswirt Kobesen arbeitete kurz bei Fokker Aerospace, bevor er Ende der 1980er-Jahre eine Logistikberatung übernahm. Für einen Kunden sollte er den besten Tourenplaner ausfindig machen.

Dabei stieß er auf PTV. Er war so begeistert, dass er Hubschneider anbot, den Vertrieb in den Niederlanden aufzubauen. Heute hat PTV Kunden in 120 Ländern. Die Projekte sind vielfältig: Eine Trucker Parking-App etwa zeigt Fernfahrern freie Parkplätze. Für die Ausrichterstädte der Olympischen Spiele, London und Peking, oder die Fußball-WM in Brasilien entwickelte PTV Szenarien, um die Verkehrsströme effektiv zu lenken. Für das Verkehrsmodell der EU wird Software von PTV eingesetzt.
Inzwischen nutzen über 2 500 Städte weltweit das Know-how von PTV. Für neue Flughäfen, Fußballstadien wie in Dortmund und Mainz oder Großveranstaltungen wie die Formel 1 in Abu Dhabi ermitteln die Karlsruher, wie Besucher reibungslos an- und abreisen. „Jede Minute, die man im Stau verbringt, ist verlorene Lebenszeit“, findet Kobesen.

Das Einzigartige an PTV: „Wir simulieren nicht nur den Verkehr von Personen, sondern auch von Gütern. Das kann kein Wettbewerber“, meint Kobesen. Anbieter wie Citilabs, Inro-Emme, Paragon und Ortec seien deutlich kleiner und bieten nur Teilbereiche an.
Transporte mit über einer Million Fahrzeugen werden heute mit PTV-Software geplant.

Alle großen europäischen Paketzusteller sind Kunden – so wie Hermes. „Smarte Software für die Tourenplanung wird für uns immer wichtiger“, heißt es beim Hamburger Logistiker. Im harten Wettbewerb könne nur bestehen, wer seine Touren möglichst effizient plane. „Mit der Software von PTV können wir Strecken bis auf die letzte Meile optimieren. Das spart nicht nur Sprit, Zeit und Geld, sondern schont auch die Umwelt“, betonte man bei Hermes.

Carpool-Karaoke mit Perücke

Auch die großen Automobilhersteller von VW bis Nissan sind laut Hubschneider Kunden. Heute nutze die Autoindustrie PTV-Software unter anderem, um autonomes Fahren zu entwickeln. „Unsere Welt hat sich in den vergangenen fünf Jahren gigantisch verändert, weil es so viele Echtzeitdaten gibt“, sagt Kobesen. Von Anbietern wie Here, Inrix oder TomTom, Mobilfunkfirmen oder Städten kauft PTV Daten, die zeigen, wie sich Personen und Fahrzeuge im Verkehr bewegen. Daraus errechnen die Karlsruher Szenarien für ganze Städte.

Daten sind der Treibstoff für den Verkehr der Zukunft – etwa das autonome Fahren. „Unternehmen, die diesen neuen Treibstoff destillieren können und ihn für intelligente Mobilität nutzbar machen, haben einen absoluten Zukunftsmarkt für sich“, meint Martin Kloth vom International Transport Forum der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). „Wir schätzen PTV als besonders aktiven und ideenreichen Partner.“

Kobesen hat die Geschäfte von PTV massiv internationalisiert. Für Gründer Hubschneider ist er ein „holländischer Kaufmann“ durch und durch. Die Umsätze wachsen zweistellig und sollen bald 100 Millionen Euro übersteigen. Der operative Gewinn lag zuletzt bei 14 Millionen Euro. „Von einem strategischen Investor wie Porsche haben wir geträumt“, sagt Hobbysegler Kobesen, der gern Worte wie „wow“ und „super“ einstreut. „Porsche ist für uns ein Wachstumsturbo. Der bekannte Name wird uns weltweit noch viel mehr Türen öffnen – sei es in China, Indien oder den USA.“

Mit den Mitarbeitern ist der 55-Jährige per Du. Die schätzen laut Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu das offene und motivierende Betriebsklima, die Innovationsfreude und Begeisterungsfähigkeit an der Firmenspitze. Kobesens Motto: „Die Leute sollen Spaß an der Arbeit haben, nur so entsteht Kreativität.“ Auf dem modernen PTV-Campus mit Fitnessstudio will er „ein bisschen Apple-Feeling ins Silicon Rhine Valley“ bringen. Seine Videos für die Weihnachtsfeiern sind legendär. Dort spielt er mit Kollegen schon mal „Carpool-Karaoke“ nach – singt mit Perücke im Auto. Wie es der Zufall will, fährt er privat einen Porsche 911.

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