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Redner-Ranking 2017 Über Champions und verpatzte Premieren

Die Chefs der größten deutschen Unternehmen hatten ihren Auftritt vor den Aktionären. Unser exklusives Redner-Ranking überrascht – mit einem bemerkenswerten Spitzenreiter und Newcomern, die ihren Start verpatzten.
15.06.2017 - 19:47 Uhr Kommentieren
Sieger im Redner-Wettstreit 2017. Quelle: picture alliance / Oliver Berg/d
Telekom-Chef Timotheus Höttges auf der Hauptversammlung

Sieger im Redner-Wettstreit 2017.

(Foto: picture alliance / Oliver Berg/d)

Düsseldorf Aldo Belloni ist Chemiker, kein Showtalent. Das allein wäre für die Linde-Aktionäre kein Problem, die sich zur Hauptversammlung auf dem Münchner Messegelände versammelt haben. Sind sie es doch aus den Zeiten von Wolfgang Reitzle, dem heutigen Aufsichtsratschef, gewohnt, dass der Vorstandsvorsitzende beim alljährlichen Aktionärstreffen das Zahlenwerk mit Blick auf die anwesenden Finanzprofis nüchtern referiert und mit praxisnahen Beispielen geizt.

Aber diesmal ist die Ausgangslage eine andere: Der Mann mit der prägnanten Brille, der dort zum ersten Mal vor ihnen auf der Bühne steht, ist ein Ex-Vorstand, der nach dem plötzlichen Abgang seines Vorgängers Wolfgang Büchele im Dezember 2016 aus dem Ruhestand zurückkehrte. Er soll als neuer Vorstandsvorsitzender die versammelten Eigentümer des deutschen Industriegas-Konzerns und die Finanzexperten für die umstrittene Fusion mit der amerikanischen Praxair begeistern – die bereits als beerdigt galt.

Diese Möglichkeit, alle mitzureißen, hat der 67-Jährige verpasst. Zwar wirkt Belloni am Rednerpult seriös, aber ein überzeugendes Plädoyer sieht anders aus. Statt klar die Chancen und Risiken des Zusammenschlusses zum Weltmarktführer bei Industriegasen zu schildern, überforderte Belloni sein Publikum mit Fachjargon und Schachtelsätzen: „Lassen Sie mich daher zunächst noch einmal in aller Deutlichkeit sagen: Es ist mir ein persönliches Anliegen, den Eindruck zu vermeiden, wir als Vorstand Ihres Unternehmens wollten Aktionärsrechte in irgendeiner Weise beschneiden oder uns der Diskussion mit Ihnen über das wichtige Thema des Zusammenschlusses und dessen Legitimation durch die Eigentümer des Unternehmens entziehen.“

53 Worte ohne Punkt. „Da steigen die Zuhörer aus“, weiß Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler von der Uni Hohenheim. Sätze, die aus mehr als sieben Worten bestehen, bleiben nicht hängen, wissen Vortragsprofis. Belloni überfrachtete seine Sätze zudem mit mehr als zwei Informationen und verwendete umständliche Passivkonstruktionen, die verschleiern, wer für Entscheidungen verantwortlich ist.

Obwohl sachlich korrekt, lässt sich mit solch einer Ansprache heute kaum mehr punkten. Eine Hauptversammlung bietet die größte Bühne, die ein Vorstandschef nutzen kann, um bei Anlegern Vertrauen zu erzeugen. Doch Vertrauen setzt Verständnis voraus. Viele zahlengeprägte Topmanager glauben, dass es bei ihrem Auftritt vor allem auf die richtigen Inhalte ankomme, dass man die Fakten ruhig für sich sprechen lassen könne. Doch Studien zeigen immer wieder, dass nur ein kleiner Teil des Eindrucks, den ein Redner hinterlässt, tatsächlich aus den vorgetragenen Inhalten resultiert. Viel wichtiger für Zuschreibungen wie Glaubwürdigkeit, Kompetenz oder Souveränität sind Sprache und Körpersprache.

Bellonis Auftritt markiert einen neuen Tiefpunkt. Nicht nur für die Teilnehmer an der Linde-Hauptversammlung, sondern auch im exklusiven Rhetorik-Ranking, das das Handelsblatt inzwischen zum sechsten Mal in Kooperation mit der Uni Hohenheim durchgeführt hat. Brettschneider: „Es ist bemerkenswert, wie schlecht Aldo Belloni abgeschnitten hat. Nur 5,9 Punkte in Sachen Verständlichkeit. Das ist weit unter dem Durchschnitt aller Dax-Chefs, die 2017 im Redner-Ring angetreten sind.“ Der Italiener unterbietet noch den Vorjahresletzten, Stefan Heidenreich, der damals mit 9,2 Punkten aus dem Redner-Wettstreit hervorging.

Insgesamt erzielten die CEO-Reden in diesem Jahr im Schnitt 14,4 Punkte auf dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex, der von null (schwer verständlich) bis zwanzig (leicht verständlich) reicht. Damit bewegen sich die Redner auf Vorjahresniveau. Zum Vergleich: Die Reden des Spitzenpersonals der deutschen Wirtschaft sind im Schnitt ähnlich verständlich wie ein Bericht im Handelsblatt.

Kurze Sätze, knackige Inhalte: Der Gewinner der Saison 2017 ist erneut Telekom-Chef Timotheus Höttges. Der studierte Betriebswirt lieferte eine Ansprache an seine Aktionäre, in der es um das Thema „Haltung“ ging. Ob als Begründung für gute Geschäftszahlen inklusive der dritten Dividendenerhöhung in Folge („Dividenden-Dreisprung“), als Grundlage für neue Kundenservices („Wir wollen Kunden begeistern“) oder für das klare Bekenntnis zu Europa – immer wieder kam der 54-Jährige darauf zurück. Auch mit seiner persönlichen Verärgerung „über schlechte Zahlen der T-Systems“ hält Höttges nicht hinter dem Berg. So erzielte der Manager exzellente 19,8 Punkte. Brettschneider: „Es ist der höchste Wert, den wir je für eine CEO-Rede gemessen haben.“

Der Telekom-Chef, der noch selbst an seinem Manuskript „für den wichtigsten Kundentermin des Jahres“ feilt, hält sich dazu konsequent an die Vorgabe „ein Gedanke pro Satz“. Branchenjargon und Fachbegriffe sind tabu oder werden erklärt. Höttges: „Klarheit ist mir immens wichtig. Darauf haben Kunden und Aktionäre Anspruch. Wer für Verständnis – zum Beispiel seiner Strategie – wirbt, muss auch verstanden werden.“

Shooting-Star der Saison

Auf den zweiten Platz katapultierte sich Stephan Sturm. Der neue Chef des Medizintechnikherstellers Fresenius SE schließt mit seinen 19,1 Punkten an die Erfolge seines Vorgängers Ulf Schneider an. Auch Ex-Investmentbanker Sturm spricht so, dass seine Zuhörer in der Messe Frankfurt bestens mitkommen.

Um Missverständnissen vorzubeugen, erklärt er Begriffe, die für sein Publikum, das nicht vom Fach ist, schwierig zu verstehen sein könnten. So sagt er über die für das Unternehmenswachstum wichtige Produktsparte der „Biologika“: „Das sind biotechnologisch hergestellte Arzneimittel. Biotechnologisch bedeutet: Diese Arzneimittel entstehen nicht durch chemische Synthese. Das wäre der übliche Weg. Stattdessen nutzt man lebende Zellen. Diese Zellen produzieren die benötigten Wirkstoffe.“

„Unser Geschäft dreht sich um die Gesundheit von Menschen“, sagt Sturm über seinen Redestil, für den er nicht mal ein Training absolviert hat. „Viele unserer Produkte und Dienstleistungen, aber auch die Zusammenhänge im Gesundheitssystem sind hochkomplex. Deshalb ist mir Klartext sehr wichtig.“

Platz drei belegt Frank Appel von der Deutschen Post mit 18,9 Punkten, dicht gefolgt von BMW-Chef Harald Krüger (18,8 Punkte).

Was in diesem Jahr besonders auffällt: Mit der Ausnahme Sturm von Fresenius erreichen die Dax-Neulinge bei ihrem Premierenauftritt meist nicht die Leistungen ihrer Vorgänger. Wer wie Commerzbank-Chef Martin Zielke, RWE-Lenker Rolf Martin Schmitz, Bayer-Vormann Werner Baumann oder Stefan Oschmann von Merck 2017 zum ersten Mal als Vorstandschef auf der HV-Bühne steht, schafft es in der Regel nur ins Mittelfeld – oder drückt gar den Schnitt wie Aldo Belloni und auch der neue Henkel-Chef Hans van Bylen. Beim CEO-Wechsel hat sich die Verständlichkeit um durchschnittlich 2,6 Punkte verschlechtert. Bei den Chefs mit mehr Bühnenerfahrung dagegen lässt sich eine Verbesserung um durchschnittlich 1,2 Punkte zum Vorjahr beobachten.

Die höchste Steigerung im Vergleich zur Vorjahresplatzierung auf Rang 25 konnte übrigens Vonovia-Chef Rolf Buch erzielen. Für den Newcomer des Jahres 2016 ging es diesmal um 5,8 Punkte oder beachtliche 16 Plätze in der Tabelle nach oben. Ein schöner Beleg, dass es sich lohnt, an der eigenen Rhetorik zu arbeiten. Man darf gespannt sein, ob da noch mehr drin ist.

Eine solche Entwicklung werden die Linde-Aktionäre kaum beobachten können. Aus zwei Gründen: Aldo Bellonis Auftritt war ein einmaliges Gastspiel. Denn mit der Fusion übernimmt Praxair-Chef Steve Angel den Vorstandsvorsitz beim künftigen Weltmarktführer in Sachen Industriegase – der dann zudem nicht mehr im Dax gelistet sein dürfte.

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