Redner-Ranking: Das sind die besten Rhetoriker unter den Dax-Chefs
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Redner-RankingDas sind die besten Rhetoriker unter den Dax-Chefs
Dax-Chefs reden viel, wenn die Hauptversammlung lang ist. Doch wer konnte rhetorisch am meisten überzeugen? Und wer ist eher kein guter Redenschwinger? Unser jährliches Ranking hat einen neuen Sieger – und Shootingstar.
Düsseldorf Sein ehrgeiziges Versprechen an die Aktionäre „Wir legen die Latte jedes Jahr höher“ nimmt Telekom-Chef Timotheus Höttges ernst – und persönlich: Er meint damit nicht nur Umsatz und Dividende. Nein, auch für seine Darbietung auf der Hauptversammlungsbühne in der Kölner Lanxess Arena gilt dieser Anspruch. Und so überrascht es Beobachter kaum, dass der 53-Jährige, der sich 2015 den Spitzenplatz als bester Redner noch mit zwei anderen Dax-Chefs teilen musste, dieses Jahr der unangefochtene Champion mit einem neuen Rekordwert in Sachen Verständlichkeit im Redner-Ring ist.
Keine Wortungetüme, keine komplizierten Schachtelsätze, kein Kauderwelsch aus Deutsch und Englisch, Höttges spricht auf dem Aktionärstreffen Klartext. Der studierte Betriebswirt, der sich 2015 wegen Punktegleichstand die Siegerkrone noch mit Ex-BMW-Chef Norbert Reithofer und Fresenius SE-Chef Ulf Schneider teilte, konnte sich diesmal selbst übertreffen und gleichzeitig die Konkurrenz abschütteln: 19,5 von möglichen 20 Punkten erzielte der Telekom-Chef beim inzwischen fünften Redner-Wettstreit. Das ist das beste Ergebnis, seitdem das Handelsblatt und die Uni Hohenheim 2012 begonnen haben, alljährlich die Reden von Deutschlands Spitzenmanagern zu vergleichen.
Aber nicht nur die beste Einzelleistung ist zum fünfjährigen Bestehen des Rhetorik-Rankings zu verzeichnen, auch die verbesserte Verständlichkeit aller Redner erfreut Publikum und Experten gleichermaßen. Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider, der die exklusive Analyse jedes Jahr durchführt, sagt: „Insgesamt hat sich das Verständlichkeitsniveau zum vierten Mal in Folge verbessert. Von anfänglich 9,8 auf inzwischen 14,3 Punkte.“ Oder anders ausgedrückt: Die Reden des Spitzenpersonals der deutschen Wirtschaft sind inzwischen so verständlich wie ein Handelsblatt-Artikel.
Knackige Botschaften, kurze Sätze. Darauf kommt es an. Erst recht beim „wichtigsten Kundentermin des Jahres“, weiß Spitzenreiter Höttges. Denn nicht Investmentprofis wie Analysten oder Medienexperten, sondern die Eigentümer seines Unternehmens betrachtet er als Hauptadressaten seines Vortrags. „Und das sind häufig weder Technik- noch Finanzexperten, aber es sind Menschen, die dem Konzern schon lange die Treue halten.“
Damit sie auch weiterhin bei ihrem Investment bleiben, sei Klarheit in der Ansprache immens wichtig. Ob Strategie, Konzernumbau oder neue Produkte — „ich versuche Technik-Jargon und Fachbegriffe zu vermeiden. Und da, wo es nicht geht, sie zu erklären“, sagt der Telekom-Chef. Höttges feilt selbst an jedem Satz seiner Vorlage. „Meine Rede entsteht im Team. Ich bespreche sie mit dem gesamten Vorstand“, verrät der Manager. Und er holt sich Hilfe von Kollegen, wenn er mal nicht weiter weiß. Denn, „wer für Verständnis - zum Beispiel seiner Strategie - wirbt, muss auch verstanden werden“, sagt der Telekom-Chef.
Soviel Mühe zahlt sich aus, denn so kam das Publikum in der Kölner Mehrzweckhalle bei Höttges‘ Vortrag bestens mit und hat verstanden, warum der Telekom-Chef den rosa Riesen weiter auf Wachstumskurs sieht und wie die Digitalisierung dabei zum Wegbereiter werden soll. Ein Gedanke pro Satz - diesen Profi-Tipp befolgt Höttges vorbildlich. „Das macht es Zuhörern einfach zu folgen“, lobt Rhetorik-Experte Brettschneider.
Prägnant und lebendig in der Wortwahl schilderte Höttges außerdem, warum es zu radikalen Umbrüchen bei der Sparte T-Systems kommt und warum er sich über die Konkurrenten im Glasfasergeschäft ärgert: „Entweder die Wettbewerber jammern über die Miete, die sie uns bezahlen müssen. Oder über den angeblich zu langsamen Netzausbau.“ Doch diese beiden Vorwürfe weiß der gewandte Telekom-Manager gekonnt zu kontern: „Jammern baut kein Netz. Besser investieren als kritisieren“, lautet seine eingängige Parole. Zur hohen Schule gehört auch, wie Höttges abschließend ein starkes Wir-Gefühl im Publikum erzeugte, als er zum Beispiel forderte: „Lassen Sie uns mehr Optimismus beim Umgang mit der Digitalisierung wagen“.
Wie sehr sich das Verständlichkeitsniveau der Hauptversammlungsreden erneut gesteigert hat, verdeutlicht auch Platz zwei. Den teilt sich 2016 mit jeweils 18,4 Punkten nämlich ein Chef-Trio: Ulf Schneider, Vorstandsvorsitzender des Medizintechnik-Herstellers Fresenius SE, konnte sich auf Platz zwei souverän behaupten. Dazu stößt Post-Manager Frank Appel, der sich im Vergleich zum Vorjahr in puncto Verständlichkeit um zwei Plätze aufs Treppchen vorarbeitete. Der sich aber gleichzeitig einen Ausrutscher in der B-Note leistete: Sein Vortrag wirkte in weiten Teilen lustlos und distanziert, bisweilen fahrig.
Rhetorik-Ranking – So wurde bewertet
Im Redner-Ring geht es darum, welcher Dax-Chef die verständlichste Rede der Hauptversammlungssaison hält. Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim prüft dazu per Computer Satzbau, Fremdwortanteil, Abstraktheitsgrad, Wort- und Satzlängen und bewertet jede Rede auf einer Verständlichkeitsskala. Sie reicht von null bis zwanzig. Zum Vergleich: Wirtschaftsberichte überregionaler Tageszeitungen erreichen 13 bis 16 Punkte. Die sich daraus ergebende „A-Note“ bewertet sozusagen die Pflicht- und ist ausschlaggebend für die Gesamtplatzierung.
Ergänzend hat Brettschneider eine Checkliste entwickelt, mit der der Vortragsstil bewertet wird. In der Kür können die Vorstandschefs in zwei Teilbereichen, „Relevanz und Aufbau“ sowie „Präsentationsform“, insgesamt 100 Punkte für ihre B-Note holen.
Als Dritter katapultierte sich ein Newcomer aus dem Stand auf Platz zwei: Harald Krüger von BMW. Der Automobilmanager aus Bayern ist damit der Shooting-Star der Saison. Ihm gelang es, nahtlos an den bisherigen Bestwert seines Vorgängers Norbert Reithofer anzuknüpfen. Auch er lieferte eine sehr persönlich gehaltene Rede mit starkem Vorwärtscharakter ab.
Auffallend im Vergleich zu Appel, der sich inhaltlich stark rückwärts orientierte und es an Visionen fehlen ließ: Im Jubiläumsjahr mit neuen Rekordergebnissen setzte Krüger darauf, ausführlich und anschaulich die Zukunftsperspektiven und seine Strategie zu erklären. „Mir ist es wichtig, gerade jetzt nach vorn zu schauen. Und ich möchte meine Begeisterung für unsere Kunden, Produkte, Menschen und Services weitergeben“, hat Krüger für seinen ersten Auftritt vor den Aktionären vorgegeben. Anschaulich begleitet von flammneuen Hybrid-Modellen rechts von der Bühne und Studien der automobilen Zukunft, die auf den Großleinwänden zu sehen waren, gelang das dem Newcomer dann in der Olympiahalle vor rund 5500 Zuhörern soweit tadellos, wäre da nur nicht der hausinterne Anglizismus „Strategy Number One Next“ gewesen.
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