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Schachgenie Garri Kasparow „Risiko ist etwas, vor dem die Leute Angst haben“

Wie Schachspieler müssen Manager oft blitzschnell Entscheidungen treffen. Im Interview spricht Ex-Weltmeister Garri Kasparow über den Kampf im Wirtschaftsleben, Führungskräfte, künstliche Intelligenz und Elon Musk.
19.06.2016 - 09:43 Uhr Kommentieren
„Die Formel der Entscheidungsfindung ist für jedes Individuum so einzigartig wie seine Fingerabdrücke.“ Quelle: Polaris/laif
Vielfacher Schachweltmeister Kasparow

„Die Formel der Entscheidungsfindung ist für jedes Individuum so einzigartig wie seine Fingerabdrücke.“

(Foto: Polaris/laif)

Der Mann ist blitzschnell – nicht nur im Denken, auch beim Sprechen. Nach dem Interview mit dem Handelsblatt warten 16 Hobbyspieler auf Garri Kasparow, die er allesamt innerhalb von zweieinhalb Stunden beim Simultan-Schach besiegen wird. Danach wird der langjährige Weltmeister auch noch eine Rede halten – vor dem Initiativkreis Mönchengladbach, einem Zusammenschluss regionaler Unternehmer, die ihn eingeladen hatten. Manchmal scheint es, als könnte der Tag gern 48 Stunden haben für den Russen, der mittlerweile in New York lebt.

Herr Kasparow, wie Schachspieler müssen auch Manager oft und schnell wichtige Entscheidungen treffen. Was können Führungskräfte von Schachspielern lernen?
Jeder Entscheidungsprozess hat ähnliche Bestandteile – ob man nun geschäftliche, politische, militärische oder ganz private Entscheidungen trifft. Natürlich haben Entscheidungen, die vom CEO eines multinationalen Konzerns, der deutschen Kanzlerin oder vom US-Präsidenten gefällt werden, eine viel größere Tragweite als jene, die eine Hausfrau für die Geburtstagsparty ihres Kindes trifft. Aber das sollte uns nicht täuschen. Was ich vom Schach gelernt habe: Die Formel der Entscheidungsfindung ist für jedes Individuum so einzigartig wie seine Fingerabdrücke.

Das heißt, es gibt kein Rezept?
Die einen agieren von Natur aus aggressiver, die anderen vorsichtiger. Manche sind viel stärker im Mikro-Management. Ich zum Beispiel sehe gern auf das große Ganze. Jeder ist anders und sollte sich dessen auch bewusst sein. Der größte Fehler ist, den Rat eines Experten umzusetzen, ohne die eigene Veranlagung zu verstehen. Das kann schnell kontraproduktiv werden.

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen Schachspielern und Managern?
Schach folgt strikten Regeln …

… die Sie dem Geschäftsleben offenbar absprechen.
Dort gibt es zwar Regeln, aber gerade das wirtschaftliche Umfeld ist doch ziemlich verschwommen. Schach ist ein mathematisch zwar unendliches Spiel, vollzieht sich aber trotzdem innerhalb klar definierter Grenzen. Dagegen hat man im Geschäftsleben mit vielen Faktoren zu tun, die Entscheidungen direkt oder indirekt beeinflussen können. Im Wirtschaftsleben ist es sehr unwahrscheinlich, dass diese Entscheidungen nur zwischen zwei Akteuren getroffen werden wie beim Schach.

Anders als von Schachspielern wird von Managern heute erwartet, dass sie Teamplayer sind. Können Teams wirklich bessere Entscheidungen treffen?
Ich glaube fest an die Weisheit der vielen ...

… was uns überrascht, denn Schachspieler sind doch Solisten.
Aber ich bin überzeugt, dass bestimmte Dinge vom gesunden Menschenverstand gelöst werden können. Ich glaube an statistisch große Zahlen. Und wenn man genügend Leute in einen Prozess einbezieht, wird dies zugleich das System stabilisieren.

Der Einzelne trifft also schlechtere Entscheidungen als die Masse?
In ganz bestimmten Momenten hängt alles am Individuum, die richtige Wahl zu treffen. In der Geschichte ist die Rolle des Anführers oder Staatsmanns nicht zu unterschätzen. Es ist nur sehr wichtig, dass Führungskräfte sich nicht für unfehlbar oder unbesiegbar halten. Nach wie vor gehen die meisten bedeutenden Entscheidungen in der Geschichte, Politik oder bei technischen Durchbrüchen auf eine Einzelperson oder kleine Gruppe zurück. Das Individuum ist meiner Ansicht nach überragend bei revolutionären Veränderungen.

Strategischer Weitblick ist nicht nur am Schachbrett wichtig, sondern auch für Manager. Wie lässt sich diese Fähigkeit verbessern?
Zwei Dinge sind wichtig: Man muss seine aktuelle Lage objektiv einschätzen. Dann muss man sein künftiges Ziel begreifen: Was genau will man? Viele sind in beidem sehr ausweichend. Strategischer Weitblick ist leider eine aussterbende Spezies in den atemlosen Zeiten von Twitter und Facebook.

Weil wir zu hektisch zu viele Informationen verarbeiten müssen?
Wenn man wie bei Twitter mit 140 Zeichen arbeitet, ist es einfacher, jemanden schlechtzumachen, als positiv zu reden. Konstruktives Vorgehen erfordert tiefer gehende Erklärungen. Mir scheinen viele Führer in Wirtschaft und Politik Geiseln dieser Kurzfrist-Denke zu sein. Das ist ein ganz großes Problem.

Warum lassen sich Manager so von Aktualitäten hetzen?
Für einen Wirtschaftslenker ist es stets eine Versuchung, nach sehr kurzfristigen Gewinnen zu trachten. Sie schauen auf die Quartalsergebnisse. Wie aber kann man strategische Zukunftsplanung betreiben für etwas ganz Neues, wenn man komplett beherrscht wird von Quartalsergebnissen, der Unterstützung von Shareholdern und der Reaktion auf Twitter oder in anderen sozialen Medien?

„Wir leben in einer risikoscheuen Gesellschaft“
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