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Siemens-Chef Wie Joe Kaeser jetzt zu seinem „Kopftuch-Mädel“-Tweet steht

Der Topmanager hat mit seinem AfD-kritischen „Kopftuch-Mädel“-Tweet vor einem Jahr für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt spricht Joe Kaeser über die Folgen – und legt sogar noch nach.
04.06.2019 - 11:22 Uhr 1 Kommentar
Der Topmanager mischt sich immer wieder in aktuelle Debatten ein. Quelle: Reuters
Siemens-Chef Joe Kaeser

Der Topmanager mischt sich immer wieder in aktuelle Debatten ein.

(Foto: Reuters)

Frankfurt Er hat es wieder getan: Siemens-Chef Joe Kaeser wurde erneut persönlich – und sagte bei einer Veranstaltung in Frankfurt seine Meinung. Zum Beispiel zur hiesigen Industriepolitik: „Wenn Kohlekraft in Deutschland nicht mehr existiert, wird das Land nicht untergehen. Aber wenn die Autoindustrie ihre Wettbewerbsfähigkeit verliert, dann gehen in Deutschland die Lichter aus.“

Zum digitalen Wandel sagte er: „Wenn es uns nicht gelingt, mehr Gewinner als Verlierer zu schaffen, dann werden wir künftig keine selbstfahrenden, sondern brennende Autos in den Straßen erleben.“ Auch über den vielbeschworenen „Purpose“: „Wer heute ein Geschäft betreibt, das der Gesellschaft nicht dient, sollte sich was anderes suchen.“ Und was die notwendige Zivilcourage von Managern und Unternehmen angeht: „Wir dürfen nicht schweigen.“

Das passte sehr gut, denn darum drehte sich eine Veranstaltung am Montagabend im Schatten des Frankfurter Römers. Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel hatte Kaeser gemeinsam mit „Spiegel“ und „Zeit“ eingeladen, um über Vertrauen zu sprechen. „Gesellschaften ohne Vertrauen sind Pulverfässer“, sagte Jäkel.

Also müsse man mit Kaeser, dem „Außenminister der deutschen Wirtschaft“, auch über „die Bedeutung von Unternehmen für Demokratie und freie Gesellschaft“ sprechen. Und damit hat der Siemens-Chef schon sehr persönliche Erfahrungen gemacht.

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass er nur ein paar Kilometer entfernt in der Lounge des Frankfurter Flughafens saß und zufällig eine Bundestagsrede von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel verfolgte, die dort gerade über „Burkas, Kopftuch-Mädchen und alimentierte Messermänner“ wetterte.

Was sollen Menschen im Ausland angesichts der Bilder und Aussagen dieser Frau im Reichstag vor dem Bundesadler denken, sei ihm damals durch den Kopf geschossen. Kaesers Antwort via Twitter kam eher reflexartig: „Lieber ‚Kopftuch-Mädel‘ als ‚Bund Deutscher Mädel‘.“

Natürlich sei damals nichts abgesprochen gewesen. Seine Kommunikationsleute wären sonst „tot umgefallen oder hätten es mir verboten“, erinnert sich Kaeser an den Tweet wie an den nachfolgenden Shitstorm, der schon damals um die Frage kreiste: Wie politisch darf oder soll ein Konzernchef werden, der rund 400.000 Beschäftigte repräsentiert?

Unter den vielen Reaktionen, die er mit seiner Attacke Richtung Rechts provozierte, sei auch der Brief einer Frau gewesen. Sie klagte Kaeser an, ihre Mutter verunglimpft zu haben, die einst in den Bund Deutscher Mädel gezwungen worden sei. Kaeser erzählte, dass er sich bei der Frau entschuldigt, zugleich aber die Frage gestellt habe: „Wer war denn am Ende der Täter, wenn alle nur Opfer waren?“

Der Siemens-Chef wies in Frankfurt en passant darauf hin, dass sein eigener Onkel während der Nazi-Diktatur in Dachau ermordet worden sei, weil er nicht in die Hitlerjugend eintreten wollte. Insofern müsse man vielleicht doch auch darüber reden, wer damals alles geschwiegen hat, als Wiederstand noch möglich gewesen wäre: die Kirchen, Medien, Unternehmen?

„Unterm Strich“ sei seine Tweet-Debatte eine „beachtliche Erfahrung“ gewesen, wenngleich die positiven Rückmeldungen in der alten Deutschland AG „eher diskret“ ausgefallen seien, wie Kaeser schmunzelnd kundtat.

Aus dem Kreis der Dax-Konzerne gab es wenig Rückhalt, wofür er aber durchaus Verständnis zeigte. Wer anders als Siemens im direkten Geschäft mit dem Endkunden aktiv sei, müsse noch sensibler agieren. Der Chef eines Autokonzerns etwa habe ihm unumwunden erklärt, dass schließlich auch AfD-Wähler seine Fahrzeuge kauften.

„Das bedeutet mehr, als in 280 Zeichen die Welt zu regieren“

Generell fahre man als Konzernchef heute ohnehin „einen verdammt heißen Reifen“ zwischen den ökonomischen Notwendigkeiten, der Programmatik des allgegenwärtigen Strukturwandels und dem Anspruch gesellschaftlicher Verantwortung. „Das bedeutet mehr, als in 280 Zeichen die Welt zu regieren“, so Kaeser. Und da musste sich auch er immer wieder der Kritik stellen.

Etwa als es im Herbst darum ging, ob der Siemens-Chef nach dem Khashoggi-Mord einer Wirtschaftskonferenz in Riad beiwohnen dürfe. Eer sagte dann doch noch ab. Und jüngst, als er ankündigte, auch noch das klassische Siemens-Kraftwerksgeschäft aus seinem Konzern herauslösen zu wollen: „Diejenigen, die gern von Zerschlagung sprechen, sollten sich vor Augen führen, dass Zellteilung das Leben auf der Erde erst ermöglicht hat – und nicht Zell-Konsolidierung.“

Kaesers Credo: der tägliche Kampf um „einen ehrlichen, offenen Dialog“, respektvoll und auf Augenhöhe. Es gehe darum, sich einzumischen in die Debatten einer globalen Gesellschaft, die „am Scheideweg“ stehe: Rund einer Milliarde Menschen ginge es weltweit relativ gut, sechs bis sieben Milliarden aber wollten auch etwas abhaben vom Wohlstand.

„Dieses Spannungsverhältnis sollte uns mehr bewegen“, appellierte Kaeser, der für sein Frankfurter Publikum einen finalen Tipp parat hatte. „Sorgen Sie dafür, dass Sie besser sind als Ihre Wettbewerber!“ Das habe oberste Priorität. „Sprüche halten nicht lange.“ Auch das durfte man wohl persönlich nehmen.

Mehr: Mit ihrem gesellschaftlichen Nutzen wollen Konzerne Investoren und Talente anlocken. Lesen Sie hier, wie ein Unternehmen seinen „Purpose“ findet.

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1 Kommentar zu "Siemens-Chef: Wie Joe Kaeser jetzt zu seinem „Kopftuch-Mädel“-Tweet steht"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Mir stellt sich die Frage wie der liebe Jo sich äußert, wenn seine Familie ein "Einzefall" in den Schlagzeilen wird und wenn in seinen Unternehmen die Früchte der Prekär-Zuwanderung zum tragen kommen ? Aus Grünwald und Kitzbühel heraus, Transfer in der S-Klasse und im Privatjet, lässt es sich nett plaudern.

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