Studie Was Frauen auszeichnet, die es zum Dax-Vorstand gebracht haben

Insgesamt betrug der Frauenanteil an Vorstandspositionen in Dax-Unternehmen zum Stichtag Ende Januar elf Prozent: Den 78 Frauen stehen 614 männlichen Kollegen gegenüber.
Berlin Die Regierung will den Frauenanteil in den Vorständen großer deutscher Konzerne erhöhen. Gerade wurde die Novelle des Führungspositionen-Gesetzes im Bundestag beraten. Nach den Plänen müssen börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen künftig mindestens eine Frau in den Vorstand berufen, wenn ihr Vorstand aus mehr als drei Personen besteht. Damit würde ein „Mindestbeteiligungsgebot“ gelten.
„Das wird einen Kulturwandel bewirken, der weit in die gesamte Wirtschaft ausstrahlen wird“, sagte die zuständige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und forderte zum Internationalen Frauentag, das neue Gesetz „sehr zügig“ zu beschließen. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (beide SPD) bezeichnete jüngst im Interview mit dem Handelsblatt die Vorstandsquote als „eine Form von Wirtschaftsförderung“. Es gehe um eine gesellschaftliche Entwicklung von großer Tragweite.
Ohne Unterstützung durch den Gesetzgeber haben es derzeit 78 Frauen in die Chefetagen von 65 Dax-Unternehmen geschafft. Das zeigt eine Sonderauswertung der Managementberatung Horváth & Partners für das Handelsblatt. Wer sind diese Frauen, und was macht sie aus?
Größerer Zeiteinsatz für die Familienbildung
Für die Analyse untersuchten die Berater die Führungsetagen der 160 im Dax, MDax, SDax und TecDax gelisteten Unternehmen zum Stichtag 30. Januar 2021. Dabei nahmen sie Durchschnittsalter bei Erstbestellung, Qualifikation, Nationalität und Verweildauer seit Erstbestellung in den Blick.
Fazit: Wer den Altersdurchschnitt der Vorstände betrachtet, dem fällt eine Abweichung zum Zeitpunkt der Erstbestellung auf: Bei männlichen Vorständen liegt das durchschnittliche Alter bei gut 47 Jahren, bei Frauen bei knapp 49 Jahren. „Auch wenn der Lebenslauf jedes Vorstandes individuell unterschiedlich ist, scheint sich im Durchschnitt bei Frauen ein größerer Zeiteinsatz für die Familienbildung in einem höheren Besetzungsalter widerzuspiegeln“, erklärte Studienleiter Oliver Greiner, Partner für Strategie und Transformation bei Horváth & Partners.
Dieser Effekt zeigt sich demnach auch bei der Promotionsquote. So weisen männliche Vorstandsmitglieder mit fast 50 Prozent deutlich öfter einen Doktortitel oder einen vergleichbaren akademischen Grad auf als weibliche mit 13 Prozent.
Auch hier vermuten die Berater, dass Frauen mit hohen Karriereambitionen auf eine langjährige Promotion verzichten, um in der Praxis zügiger voranzukommen – vor allem dann, wenn sie einige Monate oder Jahre für die Familie investieren. Zudem sei die Auswahl an geeigneten Topmanagerinnen eingeschränkter als bei männlichen Kollegen, sodass eine Promotion nicht als Pflichtkriterium zugrunde gelegt werden könne.
Im Schnitt sind die Vorständinnen 52,2 Jahre alt, die Vorstände 53,7 Jahre. Doch natürlich gibt es die ganze Bandbreite. Da ist etwa die 32-jährige Lea Corzilius vom Automobilzulieferer Hella. Die promovierte Juristin ist seit vergangenem Jahr im Amt. Anders die 56-jährige Susanne Jäger. Die gelernte Bürokauffrau mit mittlerer Reife ist mit 15 Jahren Verweildauer im Vorstand von Hornbach Baumarkt die dienstälteste Vorständin in einem Dax-Unternehmen.
Rekrutierung über die Landesgrenzen hinaus
Die Analyse zeigt zudem, dass im Zuge der stärkeren Globalisierung auch die Zahl internationaler Vorstände zunimmt. Dies trifft bei den weiblichen Vorständen noch stärker zu als bei ihren männlichen Kollegen. Gut jede vierte Vorständin kommt nicht aus einem deutschsprachigen Land. Bei den Männern ist es nur jeder fünfter.
Für Studienleiter Greiner zeigt sich hierbei zweierlei: Die Aussage, dass Frauen mit Führungsverantwortung weniger mobil seien als Männer, treffe auf dieser Führungsebene nicht zu. Und: Der hohe Anteil an weiblichen Vorständen mit ausländischen Wurzeln zeige, dass im deutschsprachigen Raum noch zu wenig Frauen bis auf die höchste Ebene gefördert würden, sodass eine Rekrutierung über die Landesgrenzen hinaus notwendig sei.
Für 60 Vorständinnen liegen Daten zur Qualifikation vor. Mehr als die Hälfte, nämlich 33 Frauen, hat ein wirtschaftswissenschaftliches Studium absolviert. Neun Frauen können ein rechtswissenschaftliches Studium vorweisen. Jeweils vier der Chefinnen studierten Maschinenbau oder Mathematik, drei Physik, eine Pharmazie.
Etwas „exotischer“ fiel die Studienwahl von Kerstin Reden von Washtec, einem Hersteller von Fahrzeugwaschanlagen, aus. Sie studierte „Modern & Classical Chinese Studies“ in Trier und Taipei. Die 43-jährige Christiana Riley von der Deutschen Bank befasste sich zunächst in Princeton mit romanischen Sprachen, Literatur und Linguistik, bevor sie an die London Business School wechselte. Und Amanda Rajkumar von Adidas studierte Psychologie in England.
Neben Jäger von Hornbach gibt es noch zwei weitere Vorständinnen, die kein Studium absolvierten. So machte Ingrid Jägering eine Stammhauslehre bei Siemens und ist nun Vorständin beim Autozulieferer Leoni. Dagmar Knopek ist gelernte Bankkauffrau und jetzt im Vorstand der Aareal Bank Group.
Kaum direkte Geschäftsverantwortung
Die Horváth-Analyse zeigt, dass die Besetzung mit weiblichen Vorständen vergleichsweise häufig im Finanz- oder Personalressort zu finden ist. Im letzteren Fall erfolgte sogar jede zweite Besetzung auf Vorstandsebene mit einer Frau. In anderen Funktionen, beispielsweise Vertrieb und Marketing, ist der Frauenanteil drastisch geringer.
„Besonders eklatant ist die Abweichung bei Vorstandsfunktionen mit direkter Geschäftsverantwortung, also CEO, Bereichsvorstand oder Leiter einer Regionaleinheit“, erklärte Studienleiter Greiner. Demnach stehen hier 15 Frauen knapp 300 Männern gegenüber. Das ist ein Anteil von gerade mal fünf Prozent. Hier offenbart sich dem Experten zufolge der große Handlungsbedarf für die Unternehmen und ganz konkret für die Aufsichtsräte.
„Um den Frauenanteil auch auf höchster Ebene zu erhöhen, reichen sukzessive Nach- und Neubesetzungen nicht aus“, sagte Greiner. „Aufsichtsräte sollten auch Vorstandserweiterungen und Neustrukturierungen ins Auge fassen, um ausreichend Managerinnen auf die nächsten Stufen befördern zu können – und zwar funktionsübergreifend.“
Insgesamt betrug der Frauenanteil an Vorstandspositionen in Dax-Unternehmen zum Stichtag elf Prozent: Den 78 Frauen stehen 614 männliche Kollegen gegenüber. Noch immer haben 95 der 160 untersuchten Unternehmen keine einzige Frau in ihren Vorstandsreihen.
Nur sieben weibliche CEO
CEO, also Geschäftsführerin oder geschäftsführende Vorständin, sind derzeit nur sieben Frauen: Angela Titzrath von der Hamburger Hafen und Logistik Aktiengesellschaft (HHLA), Antje Leminsky von der Leasingfirma Grenke, Britta Giesen vom Vakuumpumpen-Hersteller Pfeiffer Vacuum, Martina Merz vom Industriekonzern Thyssen-Krupp, Petra von Strombeck von New Work, der Betreiberin des Karrierenetzwerks Xing, Sonja Wärntges vom Gewerbeimmobilienkonzern Dic Asset sowie Christina Johansson, die Anfang 2021 beim Baukonzern Bilfinger zum „Interims-CEO“ ernannt wurde. Dazu kommt Mitte des Jahres Belén Garijo, die den CEO-Posten beim Pharmakonzern Merck übernehmen wird.
Wie die Horváth-Analyse zeigt, verbesserte sich der Frauenanteil in den Vorständen erst in jüngster Zeit. 80 Prozent der amtierenden weiblichen Vorstände wurden erst seit 2016 ernannt. Zum Vergleich: Bei den Männern sind es nur 67 Prozent, die in diesem Zeitraum in den aktuellen Vorstand berufen wurden.
Die übrigen wurden zum Teil schon 2012 oder früher ernannt. Das spiegelt sich auch in der durchschnittlichen Amtszeit der amtierenden Vorstände. Die liegt bei den Frauen bei 3,5 Jahren, bei den Männern bei 6,5 Jahren.
Im Jahr 2020 waren immerhin 21 der 101 neu bestellten Vorstände Frauen. Das ist ein Anteil von 21 Prozent. „Die Verbesserung der Anteile von Frauen in Dax-Vorständen darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufholbedarf noch gewaltig ist“, sagte Studienleiter Greiner.
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Und mit Quote können sie dann auch dumm sein wie die Nacht, oder unfähig, und es spielt auch keine Rolle - wie im Kommunismus. Und 100 fähige Männer, die vielleicht eine Familie zu versorgen haben, stehen daneben und können zusehen. Toll !