TV-Konzern Pro Sieben Sat 1 wirft Vorstandschef Max Conze raus

Der Vorstandsvorsitzende von Pro Sieben Sat 1 verlässt mit sofortiger Wirkung den Konzern.
München Pro Sieben Sat 1 war schon immer für eine Überraschung gut: im Programm, vor allem aber in der Chefetage. So auch an diesem Donnerstagabend. Da teilte die TV-Gruppe mit, der Vorstandsvorsitzende Max Conze verlasse den im MDax notierten Konzern mit sofortiger Wirkung. Neuer Sprecher des Vorstands werde der bisherige Finanzchef Rainer Beaujean.
Über Conzes Abgang wurde in der Medienbranche zwar schon länger spekuliert. Aber der Zeitpunkt seiner Abberufung mitten in der größten Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte ist überraschend.
Denn erst am Montagabend hatte das Unternehmen noch einen neuen Geschäftsverteilungsplan für den Vorstand bekannt gegeben. Demnach hätte Conze, 50, zusätzliche Verantwortungsbereiche von Conrad Albert übernehmen sollen, seinem bisherigen Stellvertreter. Der Manager hatte sich mit Conze überworfen und scheidet demnächst aus.
Mit dem Personalwechsel geht auch eine Neuausrichtung einher. Das Unternehmen soll sich unter Beaujean wieder stärker auf sein Kerngeschäft konzentrieren, die Unterhaltung. Zur Gruppe gehören unter anderem die Sender Pro Sieben, Sat 1 und Kabel 1 sowie die Streamingplattform Joyn. Die E-Commerce-Sparte NuCom bleibe zwar eine wichtige Säule des Konzerns, heißt es in der Mitteilung. Die Portfolio-Unternehmen sollten aber „zu gegebener Zeit veräußert werden“.
Zu NuCom zählt etwa das Vergleichsportal Verivox, der Parfumversand Flaconi und Jochen Schweizer, ein Anbieter von Erlebnisgutscheinen. Erst vor wenigen Wochen hat Conze noch einen mehrere Hundert Millionen Euro schweren Zukauf von NuCom in den USA verkündet. Damit soll Parship verstärkt werden, die konzerneigene Partnervermittlung.
Viele Führungskräfte vergrault
Conze ist erst im Frühjahr 2018 angetreten. Er stand allerdings schnell in der Kritik, weil er in kürzester Zeit praktisch die gesamte Führungsmannschaft vergrault hat – bis auf seinen Vize Conrad Albert. Zuletzt hielt aber auch der es nicht mehr aus unter Conze. Die momentane Situation mache es schwierig, seine Arbeit zu erledigen, kritisierte Albert jüngst in einem Interview.
Zuvor hatten sich sogar Führungskräfte bereits wieder verabschiedet, die Conze selbst an Bord geholt hatte. Allen voran Michaela Tod, die Co-Chefin der TV-Sparte, eine ehemalige Weggefährtin beim Staubsaugerhersteller Dyson.
Das Vertrauen der Investoren hat Conze ohnehin nie gewonnen. Schon vor der Coronakrise hatte das Unternehmen an der Börse während seiner Amtszeit rund zwei Drittel an Wert verloren. Angesichts der Turbulenzen stand Aufsichtsratschef Werner Brandt selbst seit Monaten unter Beschuss. Nun zog er am Donnerstag die Reißleine.
Dabei hatte er Conze vor zwei Jahren selbst angeheuert, nachdem er schon bei dessen Vorgänger Thomas Ebeling eine schlechte Figur gemacht hat. Den ließ er nach Ansicht vieler Branchenbeobachter viel zu lange gewähren. Ebeling musste erst gehen, als er die Zuschauer in einer Analystenkonferenz verunglimpft hatte.
Mit Rainer Beaujean habe er nun einen qualifizierten Kandidaten ausgewählt, betonte Brandt: „Seine 20 Jahre Vorstandserfahrung werden dem Unternehmen gerade in dieser kritischen Zeit sehr zugute kommen.“ Der 51-Jährige war zuvor Chef des Verpackungsherstellers Gerresheimer und kam vergangenes Jahr zu Pro Sieben Sat 1. Medienerfahrung sammelte er als Chef von T-Online.
Fokus auf Entertainment
Zwei weitere Top-Manager rücken gleichzeitig in den Vorstand auf: Der bisherige Co-Chef der Fernsehsparte, Wolfgang Link, soll das Kerngeschäft Unterhaltung führen. Der 52-Jährige erfahrene TV-Macher stieß vor elf Jahren zu der Gruppe. Die bisherige Personalchefin Christine Scheffler, 51, behält ihre Zuständigkeit, allerdings nun im Vorstand. Sie kam letztes Jahr in die Zentrale nach Unterföhring.
„Wir werden uns jetzt unter Führung des neuen Vorstandsteams wieder stärker auf unser Kernsegment Entertainment und auf nachhaltig profitables Geschäft konzentrieren“, sagte Beaujean am Donnerstagabend. Denn Conze hatte zuletzt eher schwache Zahlen vorgelegt. Vor allem das angestammte Geschäft mit der TV-Werbung ist geschrumpft. So sind die Erlöse der Fernsehsparte des Konzerns vergangenes Jahr um vier Prozent zurückgegangen. Es ist die mit Abstand größte Division, die auch den größten Gewinnbeitrag erbringt.
Die Bereiche Commerce und Produktion sind 2019 zwar kräftig gewachsen. Alles in allem kam das Unternehmen aber lediglich auf einen Umsatz von rund 4,1 Milliarden Euro. Das entspricht einem Plus von drei Prozent – etwas weniger als die fünf Prozent Wachstum, die Conze noch im Herbst in Aussicht gestellt hatte.
Beaujean muss sich allerdings mit neuen, selbstbewussten Großaktionären arrangieren. Die Metro-Investoren um den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky haben jüngst den Kursverfall genutzt und ihren Anteil an dem Fernsehkonzern aufgestockt. Die Czech Media Invest, hinter der neben Kretinsky Patrik Tkac und der Slowake Roman Korbacka stecken, halten jetzt gut zehn Prozent. Sie waren erst im Herbst eingestiegen.
Der zweite wichtige Anteilseigner ist die italienische Berlusconi-Holding Mediaset. Sie will eine europäische TV-Allianz unter Beteiligung von Pro Sieben Sat 1 schmieden und hält knapp ein Fünftel der Anteile. Conze hat diese Pläne stets abgelehnt.
Unmittelbar vor dem Chefwechsel hatten die Analysten wenig Hoffnung für Pro Sieben Sat 1. Erst am Donnerstag halbierte die Schweizer Bank UBS ihr Kursziel auf 5,30 Euro. Die Experten begründeten dies mit den Zahlen für 2019, dem Ausblick für 2020 und der Corona-Krise. Kurz zuvor hatte Berenberg das Kursziel von 24 auf zehn Euro drastisch gesenkt. Am Donnerstag notierten die Papiere bei rund 6,80 Euro. Es ist der tiefste Stand seit zehn Jahren.
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